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Grenzen der Prävention

Am 24. Mai 2009 gepostet von Bertram

Verfassungsschutzbericht 2008Am 19. Mai stellten Bundesinnenminister Schäuble und BfV-Präsident Fromm den neuen Verfassungsschutzbericht 2008 vor. Kernpunkte: Die gestiegene Gewaltbereitschaft von Links- und Rechtsextremisten, sowie die erhöhte Bedrohung durch den internationalen, islamistischen Terrorismus, der in Deutschland ein immer größeres Personenpotential annehme.
Laut Verfassungsschutz geht hier eine besondere Gefahr von jungen Männern der zweiten Einwanderergeneration aus, welche in Deutschland aufgewachsen sind und sich radikalisiert haben. Unter ihnen sei eine rege Reisetätigkeit zu paramilitärischen Ausbildungslagern im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zu verzeichnen, wo diese ihr „Terrorhandwerk“ lernten. Daher drängt Schäuble darauf, den Gesetzesentwurf, welcher derartige Ausbildungen unter Strafe stellt, bald zu verabschieden.

D.h. es soll der bloße Besuch einer Veranstaltung bzw. eines Ortes bestraft werden, und zwar massiv, wo Fähigkeiten erlernt werden, die per se keinen verbrecherischen Charakter haben, bzw. die auch nicht zwangsläufig in verbrecherische Handlungen münden müssen. Ins Feld dafür geführt wird die Notwendigkeit präventiver Gefahrenabwehr. Aber widerspricht es nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, jemanden für etwas zu bestrafen, was er (noch) nicht getan hat, und vielleicht auch nie tun wird? Jemanden für seine eventuell vorhandene Haltung zu bestrafen, die womöglich völlig abstrakt bleiben oder sich wieder ändern wird? Geht das nicht zu weit?

Die Bundesrepublik selbst bildet Jahr für Jahr zigtausende Männer und Frauen in staatlichen „Terrorcamps“ darin aus, Menschen zu erschießen, in die Luft zu sprengen, etc., verleiht Ihnen sogar Orden, wenn sie dies besonders gut beherrschen und durchführen. Ist das strafbar? Schützenvereine, Kampfsportvereine, Luftfahrtgesellschaften, Pharmaunternehmen, Biolabore, Energiekonzerne, Computerfirmen, LAN-Parties, u.a. züchten einen Gefährder nach dem anderen heran. Ist das strafbar? Wo zieht man die Grenze?
Ist es legal, wenn potentielle Terroristen ihr Handwerk dort lernen, statt in Afghanistan? Darf es legal sein, zwar „terroristisches“ Handwerk für eine Macht zu erlernen, die aber (momentan) nicht auf der Terrorliste der EU steht? Sollte es strafbar sein, Kochen zu lernen, in der Absicht, Selbstmordattentäter von Al-Qaida kulinarisch zu unterstützen? Machen eine Fluglizenz, eine Schauspielausbildung, ein Grundwehrdienst, uvm. nicht einen jeden von uns zum potentiellen Terroristen, denn wer weiß, in welcher Absicht wir diese Fertigkeiten einmal einsetzen werden?

Prävention hat Grenzen, muß Grenzen haben. Denn unverhältnismäßige Prävention ist gefährlich. Dazu Ex-Verfassungsrichter Hassemer:

Allerdings ist es ein großer Unterschied, ob ein Jurist über die Vorsätzlichkeit eines geschehenen Verbrechens nachdenkt oder ob er eine innere Haltung ermitteln soll, bevor überhaupt eine Straftat begangen wird. Letzteres grenzt an Hellseherei. Hier geht mir der Präventionsgedanke zu weit. Die Gefahr ist, dass er unsere Freiheit immer mehr einschränkt.

Man darf nicht „alles versuchen“. Die Präventionstheorie hat ein Problem, und das ist ihre Grenze. Je mehr der Eindruck vermittelt wird, dass wir Sicherheit brauchen und keine Sicherheit haben, dass die armen Leute vor dem Verbrechen kapitulieren, dass die Migration uns kaputt macht und dass stets Terroranschläge drohen – je mehr Sicherheitsbedürfnisse aufgebaut werden, desto eher sind wir bereit, unserer Angst nachzugeben, also Kontrolle, Eingriffe, Datenschutzverletzungen und Strafen zuzulassen.

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Kategorie: Devianz und Kriminalität, Kontrolle und Sanktionen, Prävention, Recht und Gesetz, Strafjustiz, Terrorismus Stichworte: Extremismus, Schäuble, Terrorcamps, Terrorismus, Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht, Winfried Hassemer

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Umut schreibt

    25. Mai 2009 um 22:06

    Ich stimme Bertram in seinen Ausführungen zu und denke auch, dass die sogenannten Präventivmaßnahmen des Staates eindeutig zu weit gehen. Die Bedrohung, die hier bewusst inszeniert wird stellt keineswegs eine reelle Gefahr dar. Die 34.720 Personen mit Gefährdungspotenzial, welche Herr Schäuble angeblich ermittelt haben will, sind utopisch. Dies wird deutlich, wenn man sich die Rechnung von unserem Innenminister genauer anguckt: 28.580 dieser Gefährder gehören zu türkischen Gruppierungen, darunter die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ mit 27.500 Mitgliedern. Die Milli Görüs, welche seit Jahren durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, ist demnach die Hauptquelle der Gefahr. Fallst das wirklich so ist frag ich mich, wieso diese Organisation noch besteht? Aber ich denke Herr Schäuble weis wieso diese Organisation nicht verboten werden kann. Denn neben zahlreichen integrativen Bemühungen und kulturellen Diensten bietet diese Organisation häufig einfach nur einen Gebetsraum (Moschee) an. Auch wenn es definitiv auch innerhalb der Milli Görüs die berühmten schwarzen Scharfe gibt, können wir nicht verneinen, dass es sich lediglich um einen Zusammenschluss von Muslimen handelt, die ihr religiöses Miteinander organisieren wollen. Die 27.500 Mitglieder sind zum größten Teil einfach nur passive Mitglieder, die jeden Freitag zum Gebet in die Moschee kommen. Ihre beitrag zur Organisation zeichnet sich meist durch eine monatliche Spende ab (ähnlich wie eine Kirchensteuer), womit häufig die erworbenen Gebäude abgezahlt werden. Herr Schäuble allerdings sieht in diesen Menschen ein Gefährdungspotenzial, wogegen der Staat sich angeblich schützen muss. Die größte Organisation aus dem arabischen Raum ist die „Muslimbruderschaft“ mit 1300 Anhängern. Ein schneller Wachstum wird hier anhand der präzisen Ermittlungen von Herrn Schäuble deutlich. Die Zahl der „Anhänger wächst! sagt Herr Schäuble. Meiner Meinung ist dieser Wachstum darin Begründet, dass sich arabische Gemeinden erst in den vergangenen Jahren begonnen haben eigene Moscheen zu bauen. Bislang besuchten diese häufig die Gebetsräume der türkischen Gemeinden. Doch der wachsende Nationalismus,die Konflikte der Heimatstaaten welche in Deutschland weitergetragen werden und die Sprachbarrieren haben die arabischstämmigen Muslime dazu veranlasst, eigene Gemeinden zu gründen. Die Rechunug von Herrn Schäuble stellt keineswegs eine real vorhandene Gefahr dar. Die sogenannten Gefährder sind zum größten Teil passive Mitglieder einer Moschee, welche in Deutschland häufig als eingetragene Kulturvereine geführt werden. Einfache Arbeiter und Familienväter, keine fanatischen Fundamentalisten oder Terroristen.

    Dieses absichtlich konstruierte Feindbild kann Deutschland nicht sicherer machen! Im Gegenteil, die islamophoben Tendenzen, die hier bekräftigt werden sind die eigentliche Gefahr. Statt präventiv gegen den islamischen Terrorismus anzugehen, sollten wir anfangen aktiv an der Integration von Muslimen zu arbeiten.

    Franz von Liszt hat uns vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass die beste Kriminalpolitik eine gute Sozialpolitik ist. Auf Basis der selben Logik denke ich, dass die Integration von Muslimen sinnvoller und effektiver, ist als jede Prävention gegen islamischen Terror sein kann.

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