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Justiz und Ressentiment

Am 9. November 2013 gepostet von Andreas Prokop

„Das zu erlegende Lebewesen muss böse sein“ – diese Sentenz von Adorno als Charakteristikum der bürgerlichen Kultur passt zu einem Dossier in der jüngsten Ausgabe der Zeit. Nur böse Menschen dürfen böse behandelt werden – im zuweilen primärprozesshaften Denken der Justiz heißt das – wer von der Justiz böse behandelt wird, der ist auch böse.

Im konkreten Fall ging es um eine Familie, die offenbar nicht funktionierte und einen Vater, der von seiner 13jährigen Tochter fälschlicherweise des sexuellen Missbrauchs bezichtigt worden war. Das Thema war ja in den 90er Jahren – die Anschuldigung wurde 1994 vorgebracht – virulent; der Kriminologe spricht hier gerne von „moral panic“. Mit einer solchen Anschuldigung landete man praktisch in einem rechtsfreien Raum, die Verurteilung war vorprogrammiert. Zwei Gutachterinnen sahen keinen Anlass, die Aussage des Mädchens zu bezweifeln. Der Mann wanderte für 7 Jahre hinter Gitter – und wurde dort auch der üblichen „Behandlung“ als vermeintlicher „Kinderficker“ durch seine hochmoralischen Mitgefangenen unterzogen. Rechtliche Schritte blieben erfolglos – die Justiz irrt sich nie. Sicherlich spielt da auch eine Rolle, dass man früher den Aussagen von Kindern seltener Glauben gescheckt hatte und nun glaubte, ins andere Extrem verfallen zu müssen. Eine vorzeitige Entlassung war nur möglich mit einem Schuldeingeständnis,; wenn jemand aber nichts zu gestehen hat, dann bleibt er in Haft und darf beliebig gedemütigt werden. So musste der Vater sich jedesmal, wenn er Besuch von seiner Freundin bekam, die er im Knast geheiratet hat, vorher und nachher nackt ausziehen mit der Begründung, dass er und seine Freundin irgendwelche Sachen ausgetauscht haben könnten. Man bekommt hier den Eindruck einer notdürftig rationalisierten Folter. Das gilt auch für die Anträge, die für jede Belanglosigkeit gestellt werden müssen.

Als die Tochter lange nach der Entlassung schließlich die Falschaussage eingesteht, dauert es noch 4 Jahre bis zum Freispruch. Das Gericht ziert sich. Es will glauben , der Mann habe seine Tochter unter Druck gesetzt. Wahrscheinlicher aber ist, dass es die eigene Schlamperei und Vorurteilsgesteuertheit nicht zugeben und die damit verbundene Beschämung vermeiden will. Lord Acton sagte: „Macht korrumpiert, totale Macht korrumpiert total“. Justiz und Demokratie = Dichotomie? Die Juristenausbildung fördert jedenfalls die Unterwerfung unter Machtstrukturen und die Selbstgerechtigkeit. Also das Ressentiment.

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Kategorie: Devianz und Kriminalität, Forensik, Kriminologie allg., Recht und Gesetz, Sexualdelinquenz, Strafjustiz Stichworte: Gefängnis, Justiz, Sexualstraftäter

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Kommentare

  1. Karl Weilbach schreibt

    30. November 2013 um 15:58

    Sehr geehrter Herr Prokop,

    Ihr kritischer Artikel sprach mich als Kriminologe und Therapeut an. Sofern Sie über detaillierteres Fallwissen verfügen, würde mich interessieren, ob der Mann eine sog. „deliktorientierte Therapie“ durchlaufen musste und ob Therapieberichte und Gutachten über ihn vorliegen. Wie wurde der „Täter“ dort eingeschätzt, auch in Hinblick auf sein „zukünftiges Deliktrisiko“.

    Mit besten Grüssen

    Dr. K. Weilbach

    Schweiz

  2. Andreas Prokop schreibt

    1. Dezember 2013 um 10:40

    LIeber Herr Weilbach,

    spezielles Fallwissen habe ich leider nicht; ich beziehe mich auf eine allerdings umfangreiche Dokumentation in der „Zeit“: http://www.zeit.de/2013/46/vergewaltigung-vater-luege
    Dort gibt es auch ein kurzes Interview mit einem involvierten Anwalt, Johann Schwenn.

    Besten Gruß, Andreas Prokop

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