Im vierten Teil des Kriminalpolitischen Parteien-Checks zur Bundestagswahl 2013 wird das Wahlprogramm der FDP auf kriminal- und sicherheitspolitische Aussagen untersucht.
Das dieser Analyse zugrunde liegende Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 „Bürgerprogramm 2013“ wurde auf dem Bundesparteitag vom 4. bis 5. Mai 2013 beschlossen. Die nachfolgenden Ausführungen sowie Zitate beziehen sich auf die ca. 1 MB große PDF-Version des Programms, welches von der Internetseite http://wahl.fdp.de/wahl2013/wahlprogramm heruntergeladen werden kann.
Der Text hat einen Umfang von 104 Seiten (Online-Fassung vom 01.07.2013) inklusive eines Stichwortverzeichnisses.
Allgemeines und Gestaltung
Neben der hier analysierten Gesamtfassung finden sich auf der Webseite der Partei zahlreiche alternative Versionen des Wahlprogramms: Kurzfassung des Wahlprogramms (auf Deutsch), Kurzwahlprogramm in anderen Sprachen und Audioversion des Programms. Schließlich liegt das Wahlprogramm in einer Kurzversion in sieben Fremdsprachen vor (Englisch, Spanisch, Türkisch, Schwedisch, Italienisch, Russisch, Finnisch), als auch in leichter Sprache, und ebenfalls als Audioversion (diese wahlweise auch in englischer und türkischer Sprache). Auf der Webseite sind begleitend auch Flyer, Postkarten und anderes Werbemittel zu finden.
Das Dokument ist in folgende acht Einheiten (Einleitung und sieben Kapitel) unterteilt:
Damit Deutschland stark bleibt
- Wachstum, damit jeder aufsteigen kann
- Chancen, damit jeder über sich hinaus wachsen kann
- Vielfalt, damit jeder eine Wahl hat
- Freiheit, damit jeder seinen Weg gehen kann
- Fortschritt, damit unser Land die Zukunft gewinnt
- Verantwortung, damit Europa eine stabile und verlässliche Gemeinschaft bleibt
- Frieden, damit mehr Menschen mehr Chancen bekommen.
Die kriminal- und sicherheitspolitischen Forderungen sind im Kapitel 7, im Abschnitt: „Freiheit schützen, Chancen schaffen – liberale Sicherheitspolitik“, sowie im Kapitel 4, aber auch vereinzelt über das gesamten Dokument verteilt zu finden.
Das Bürgerprogramm 2013 ist einspaltig und in einer serifenlosen Schriftart gesetzt. Bei einem 104-seitigem inhaltsintensiven Dokument wenig leserfreundlich. Das Deckblatt ist die einzige Farbseite im ganzen Dokument. Auf die gewohnte Farbkombination Gelb-Blau wird nicht verzichtet. In der oberen rechten Ecke befindet sich Logo der Partei: „FDP“ in blauer Schrift, darunter ist in etwas kleinerem Font, in gelber Schrift: „Die Liberalen“ zu lesen. Mittig ist in etwas schräg gestellter Schriftweise „Bürgerprogramm 2013“ in blauer Schrift in etwas größerem Font zu lesen. Darunter in kleinerem Font, ebenfalls schräg und in Blau gesetzt: „Damit Deutschland stark bleibt.“ Im rechten unteren Eck der Seite sind in gelber Farbe vor dem blauen Hintergrund die Worte „Nur mit uns“ zu sehen.
Einleitung
In der anderthalbseitigen Einleitung „Damit Deutschland stark bleibt“ stehen im Mittelpunkt die Menschen (der Begriff ’Menschen’ wird neunmal erwähnt). Die zentralen Forderungen, Positionen sowie bisherige Verdienste der Partei werden bereits am Anfang erwähnt. Das Pronomen ’wir’ taucht im einleitenden Teil 23 Mal auf.
Eine starke Soziale Marktwirtschaft. Sicheres Geld. Solide Haushalte. Entlastung für die Mitte. Mehr Bildungschancen. Und starke, freie Bürger. So viele Menschen wie noch nie zuvor in der Geschichte haben Arbeit. Die Löhne steigen. Unsere sozialen Sicherungssysteme stehen wieder auf festen Beinen. (S. 5)
Und gemeinsam können wir noch viel mehr erreichen: Vollbeschäftigung. Weniger Schulden. Mehr Wohlstand für alle. (S. 6)
Im weiteren Sinn ist bereits hier im einleitenden Textteil ein Bezug zu kriminalpolitischen Themen zu finden. Freiheit und Sicherheit werden im Kontext einer liberalen Wirtschaftsordnung erwähnt.
Deutschland ist auf einem guten Weg. Trotz der schweren Krise in Europa. Das ist zuallererst ein Verdienst der Menschen, die durch gemeinsame Anstrengungen wieder starkes Wachstum, mehr Arbeit und höhere Löhne in Deutschland geschaffen haben. Und es ist ein Verdienst liberaler Politik, weil mehr Menschen die Freiheit dazu haben, ihre Träume zu verfolgen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Wir haben die Menschen in unserem Land um insgesamt 22 Milliarden Euro entlastet. Wir haben den Staatshaushalt in Ordnung gebracht und für 2014 das erste Mal seit über 40 Jahren einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt beschlossen. Wir haben durchgesetzt, dass in allen Euro-Staaten eine Schuldenbremse eingeführt wird, und die Voraussetzungen geschaffen, damit aus Europa eine echte Stabilitätsunion wird. Wir verteidigen die Sicherheit unseres Geldes. (S. 5)
Wortzählung
Das Wahlprogramm der FDP wurde auch auf das Vorkommen von Schlagworten untersucht, die sich thematisch mit kriminal- und sicherheitspolitischen Themen beschäftigen. Die Zahlen in Klammer beziehen sich auf die Anzahl von Schlagworten im Bundestagswahlprogramm 2009:
Begriff | Häufigkeit des Vorkommens |
Freiheit | 102 (94) |
Sicherheit | 80 (72) |
Gefahr | 6 (13) |
Terror, Terrorismus, o.ä. | 8 (15) |
Bekämpfung | 14 (17) |
bekämpfen | 10 (9) |
Krieg | 2 (10) |
Kriminalität | 1 (4) |
kriminalisieren, Kriminalisierung | 1 (2) |
Verbrechen | 3 (5) |
Straftäter | 1 (1) |
Straftat | 4 (7) |
kriminell | 0 (1) |
Droge | 1 (0) |
Datenschutz | 17 (26) |
Gesetz, gesetzlich | 77 (105) |
Verbot | 10 (14) |
Überwachung | 6 (9) |
überwachen | 3 (0) |
Von den o. e. Schlagworten sind als Begriffe im Stichwortverzeichnis im Anschluss an das Wahlprogramm Folgende zu finden: ’Freiheit’, ’Sicherheit’, ’Terrorismus’ und ’Datenschutz’.
Kriminal- und sicherheitspolitische Positionen
Die kriminalpolitischen Positionen der FDP werden vorwiegend im Kapitel 4 („Freiheit, damit jeder seinen Weg gehen kann“, S. 53-63), welches sich mit der deutschen Innenpolitik befasst, sowie im Kapitel 7 („Frieden, damit mehr Menschen mehr Chancen bekommen“, S. 85-95), welches sich mit der Außenpolitik Deutschlands befasst, bearbeitet.
Einleitend im Kapitel 4 ist zu lesen, dass die Freiheit der Menschen als Priorität zu sehen sei:
Mehr Freiheit ermöglicht den Menschen, ihren eigenen Weg zu gehen. Das Recht hat daher die Aufgabe einen Rahmen zu schaffen, der die Freiheit des Einzelnen schützt, Eigeninitiative fördert und staatlichen Zwang nur dort anwendet, wo es unbedingt geboten ist. Diese Leitidee verwirklicht sich im Prinzip des liberalen Rechtsstaats, das unserer Innen- und Rechtspolitik zugrunde liegt.
Das Prinzip des liberalen Rechtsstaats verwehrt sich gegen überflüssige Eingriffe und Kontrollen, die die Bürger gängeln und bevormunden, aber weder Sicherheit noch Freiheit schaffen. Daher bilden die Grundrechte eine zentrale Säule des liberalen Rechtsstaats. Sie wirken als starker Schutzwall für die Freiheit. Diesen Wall bauen wir weiter aus und verteidigen ihn. Für uns gilt: Im Zweifel für die Freiheit. (S. 53)
Zur besseren Übersicht sind die kriminal- und sicherheitspolitischen Positionen und Forderungen in Spiegelstrichen dargestellt:
Rechtspolitik
Die Leitidee, welche der Innen- und Rechtspolitik der FDP zugrunde liegt, schützt die Freiheit des Einzelnen, fördert Eigeninitiative und wendet den staatlichen Zwang nur dort an, wo es unbedingt geboten ist. (vgl. 53-63)
Wir wollen die Persönlichkeitsrechte stärken, insbesondere vor schweren Eingriffen besser schützen und dabei die Entwicklungsoffenheit und Technikneutralität der Rechtsordnung wahren („rote Linie für soziale Netzwerke“). Nutzungsbedingungen müssen so formuliert sein, dass die Anwender diese auch verstehen.Für uns Liberale gilt dabei online wie offline, dass die Grundrechte geachtet werden müssen, denn die Freiheit verteidigt man nicht, indem man sie aufgibt. (S. 53)
Die Bürgerrechte wurden in ganz unterschiedlichen Bereichen durch Gesetze gestärkt – von der Pressefreiheit angefangen bis hin zum besseren Schutz von Anwälten vor Überwachung. Wir schützen die Freiheit der Menschen vor einem regelungswütigen Staat. Wir wollen keinen misstrauischen Staat, der alle Bürger unter Generalverdacht stellt. Wir wollen eine Republik freier Bürger und eine Politik für die Rechte und die Freiheit der Menschen in unserem Land. (S. 55)
Aus dem Grundsatz der liberalen Rechtsideen leiten sich folgende konkrete Forderungen ab:
- Das Recht muss gesellschaftliche Veränderungen aufnehmen und gestalten / Rechtsreformen
- Beachtung der Grundrechte
- Schaffung eines modernen, technikfesten Datenschutzrechtes
- Mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber
- Aufnahme des Straftatbestandes der Datenhehlerei in das Strafgesetzbuch
- Mehr individuelle Freiheit / mehr Schutz der Freiheit vor dem Staat
- Ablehnung der Aufnahme eines „Spähangriffs“ in die Strafprozessordnung und dafür den „Großen Lauschangriff“ auf den Prüfstand zu stellen
- Einführung eines Staatshaftungsgesetzes
- ein schonender Umgang mit Gewaltopfern im Strafverfahren
- Zivilcourage stärken – stärkere staatliche Honorierung von Bürgern, die Zivilcourage zeigen, indem sie sich Straftätern entgegenstellen
- Einführung einer entsprechenden Anlaufstelle zur besseren Hilfe den Opfern von Justizirrtümern
- Eine leistungsfähige und unabhängige Justiz
- Abschaffen des externen Weisungsrechts der Landesjustizverwaltung gegenüber den Staatsanwaltschaften, um jeden Anschein einer politischen Beeinflussung der Justiz vorzubeugen
- Verkürzung der Verfahrensdauer vor den Gerichten
- Englisch als zusätzliche Verhandlungssprache vor den Kammern für Handelsrecht
Datenschutz (S. 53-55)
- Für Datenschutz / gegen Vorratsdatenspeicherung
- Schutz privater Daten weiter verbessern
- die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten stärken
- die Zuständigkeit für Datenschutz soll zukünftig beim Bundesministerium der Justiz liegen
- ein hohes Schutzniveau bei der künftigen EU-Datenschutzverordnung
- Datenschutz und Pressefreiheit sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden
- Ablehnung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung / Speicherung der Fluggastdaten / einer umfassenden Erfassung aller Grenzübertritte in Europa
- Eine grundrechtsschonende Alternative zur Vorratsdatenspeicherung (wo es unbedingt geboten erscheint)
- Sicherung der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz
- Überwachung von Telekommunikation in Deutschland nur in engen gesetzlichen Grenzen in verhältnismäßigem Umfang und mit klaren Rechtsschutzmöglichkeiten
- Ablehnung von Projekten, die eine vollständige und alle Lebensbereiche umfassende Überwachung der Gesellschaft zur Folge haben
- Urheberrecht modernisieren / Schutz des geistigen Eigentums
- Ablehnung von Forderungen nach Überwachung und Zensur des Internetverkehrs zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen
- Ablehnung der „Three Strikes“-Lösung, nach der Bürgern der Zugang zum Internet entzogen werden soll
- Das Urheberrecht muss technikoffen sein und die unterschiedlichen Lizenzmodelle diskriminierungsfrei nebeneinander bestehen lassen
- Forscher und Wissenschaftler sollen weiterhin selbst entscheiden können, ob ihre Werke und Beiträge frei zugänglich sind, oder ob sie unter einer Lizenz stehen
- Vorsichtiger Umgang mit Daten (die Kontenabfrage in verschiedenen Rechtsbereichen auf das absolut erforderliche Maß zurückzuführen)
Freiheit und / oder Sicherheit
Ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Sicherheit wird angestrebt (vgl. 59-60):
- Konsequente Bekämpfung und Verfolgung von Terrorismus und Extremismus – regelmäßige Evaluierung der Programme zur Extremismusprävention
- Ausbau und stärkere Koordinierung von Deradikalisierungsprogrammen
- Fortlaufende Überprüfung der geltenden Sicherheitsgesetze auf ihre Angemessenheit
- Überprüfung das BKA-Gesetzes – ein stärkerer Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (heimliche Online-Durchsuchung als ein zu weitreichender Eingriff in die Grundrechte)
- Einsetzen der Bürgerrechte auch im Sport. Gegen unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe gegen Fußballfans
- Konsequente Umsetzung des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit und des Zehn-Punkte-Plans für mehr Sicherheit im Fußball (eine hervorragende soziale Arbeit durch Vereine, Verbände und Fanprojekte)
- Minderung von Gewalt im Rahmen von Sportveranstaltungen durch präventive Ansätze, einen permanenten Dialog aller Akteure und eine konsequente Strafverfolgung
- Bedarf einer vernünftige Sicherheitsarchitektur aus Behörden mit guter Ausstattung an Personal und Sachmitteln
- Verbesserung der Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen allen Behörden (Polizei bleibt in Deutschland zuallererst Ländersache)
- Schaffen der gesetzlichen Grundlagen für gemeinsame Zentren der polizeilichen Zusammenarbeit und somit Absicherung deren rechtstaatlichen Funktion und Kontrolle
- Zusammenfassung einzelner Landesverfassungsschutzämter und Stärkung der Zusammenarbeit der Landesverfassungsschutzämter
- Auch auf Bundesebene Anpassung der Sicherheitsarchitektur an die Erfordernisse der Zeit
- Ablehnung einer Ausweitung polizeilicher und nachrichtendienstlicher Kompetenzen des Bundes sowie einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren
- Auflösung der unklaren Zuständigkeiten und Doppelzuständigkeiten
- Ablehnung der zunehmenden Vernachrichtendienstlichung der Polizei, ebenso wie die Ausweitung der Zuständigkeiten der Nachrichtendienste in den Bereich der Gefahrenabwehr
Wir setzen uns für die föderale Ordnung im Bereich der Sicherheitsbehörden ein und wollen gleichzeitig eine Rückbesinnung auf die Kompetenzbereiche der Sicherheitsbehörden, sowohl zwischen Bund und Ländern als auch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Die Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes sollen künftig Bundeswehr und Verfassungsschutz wahrnehmen. Die zersplitterten Strukturen bei der Sicherung unserer Küsten wollen wir in einer nationalen Küstenwache zusammen binden. (S. 59-60)
- Wappnung aller Bereiche des öffentlichen Lebens gegen digital geführte Angriffe
- Gewährleistung einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle über die Nachrichtendienste
- Eine fortlaufende, wissenschaftlich begleitete Überprüfung des geltenden Waffenrechts. Illegaler Waffenbesitz ist konsequent zu verfolgen. Ablehnung einer weiteren Verschärfung des geltenden Waffenrechts.
- Effizienter Verbraucherschutz, sowie Verbraucherbildung, mehr Rechtssicherheit gegen Abmahnmissbrauch
- Sicherstellung einer ausreichenden Personalausstattung in der Lebensmittelkontrolle, Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, sowie ein verbesserter Austausch zwischen den Ländern
Friedenspolitik
Die Leitidee, welche die liberale Außenpolitik, sowie Menschenrechts- und Entwicklungspolitik kennzeichnet, ist Friedenspolitik. Deutschland sei bereit, global die Verantwortung zu übernehmen. (vgl. 86-87)
Deutsche Außenpolitik ist wertegeleitet und interessenorientiert. Sie orientiert sich an historisch gewachsenen und bewährten Wertegemeinschaften und sie sucht und fördert neue Partnerschaften.
Aufstrebende Staaten in Lateinamerika, Asien und Afrika sind als neue Kraftzentren in ihren jeweiligen Regionen und darüber hinaus immer wichtiger werdende Partner für Deutschland und Europa – im Handel, aber auch bei der Bewältigung globaler Zukunftsaufgaben wie dem Klimawandel, der Abrüstung und dem Schutz der Biodiversität. Mit unseren Partnern weltweit werden wir weiterhin Probleme wie Klimawandel, Armut, Terrorismus, Krieg, Menschenrechtsverletzungen und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen im Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung bewältigen.
Liberale Außenpolitik unterstützt die historischen politischen Umwandlungsprozesse in Nordafrika und der arabischen Welt mit maßgeschneiderten Transformationspartnerschaften. Wir Liberalen wollen diese Gesellschaften in Richtung freiheitlicher Demokratie und Marktwirtschaft weiter unterstützen. (S. 86)
Ausgehend von diesem Grundsatz leiten sich folgende konkrete Forderungen ab:
- Die Freiheit und die Chancen, die man in Deutschland und Europa heute genießt, möglichst vielen Menschen auf der Welt zugänglich machen
- Mehr Frieden, Sicherheit und Wohlstand weltweit
- Ausbau der Kooperation innerhalb bewährten Organisationen und Bündnisse / Dialog, Partnerschaft und eine friedliche Konfliktlösung
- Vorrang politischer Lösungseinsätze und Kultur der militärischen Zurückhaltung
- Geteilte und gemeinsam getragene Verantwortung
- Investieren in Entwicklungszusammenarbeit in den Kooperationsländern
- Weltweites Einsetzen für die Einhaltung und Stärkung der Menschenrechte, Schutz der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für den Schutz von Fortschritt, den auf kultureller Selbstbestimmung basierenden Wohlstand sowie den Schutz der Bürger vor weltweiten Sicherheitsrisiken
- Einsetzen für die vertiefte Integration in die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union (GSVP), weitere Stärkung der traditionellen Bindungen, insbesondere die der transatlantischen Beziehungen
- Die EU soll langfristig im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über einen eigenen Sitz verfügen
- Weitere Verstärkung der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen im Rahmen des Weimarer Dreiecks mit Frankreich und Polen
- Vorantreiben der Verwirklichung einer transatlantischen Freihandelszone
- Einsetzung für eine Stärkung und umfassende Reform der Vereinigten Nationen (Weltsicherheitsrat), Nutzung neuer Formate wie der G20
- Einhaltung der Menschenrechte in den Rohstoffländern (aufgrund Deutschlands Angewiesenheit auf Freihandel und den Zugang zu den weltweiten Rohstoffmärkten)
- Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten (Krisen in Syrien und im Jemen, Staatswerdung des Südsudan, Bewältigung der Stabilisierung von Afghanistan)
- Unterstützung der demokratischen Kräfte in den Reformstaaten des Arabischen Frühlings durch Angebote im Bereich Rechtsstaatsaufbau, Marktzugang, Bildung und Arbeit, sowie Unterstützung regionaler Lösungsbemühungen durch regionale Kooperationen
- Fortsetzung des deutschen Engagements im Nahostfriedensprozess (das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und eine ausverhandelte Zweistaatenlösung)
- Einsetzen für eine diplomatische Lösung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm entsprechend den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats (atomare Bewaffnung des Irans als Gefahr für die ganze Welt)
- Fortsetzung der Kooperation mit Russland (um Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa dauerhaft zu gewährleisten) (vgl. 87)
- Fortsetzung des regelmäßigen Austauschs und offenen Dialogs mit China bzgl. Menschenrechte
- Das Einsetzen für eine moderne liberale Visapolitik – für die Visafreiheit mit Russland, der Türkei, den östlichen und südlichen Nachbarn der EU (sobald die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind)
- Einsetzen für eine europäisch abgestimmte Sanktionspolitik gegenüber Weißrussland (gegenüber dem Lukaschenko-Regime) sowie für eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft
Menschenrechte (vgl. 88-90)
Von der FDP wird Menschenrechtspolitik als Querschnittsaufgabe betrachtet, die alle Politikbereiche berührt und Kern liberaler Außen- und Entwicklungspolitik ist; eine aktive, werteorientierte und verantwortungsvolle Menschenrechtspolitik. Die Universalität der Menschenrechte bleibt Garant für gesellschaftlichen Frieden, persönliche Freiheit, Sicherheit und wirtschaftlichen Erfolg.
Aus dem Grundsatz der liberalen Menschenrechtspolitik leiten sich folgende konkrete Forderungen ab:
- Die Einhaltung und Stärkung der Menschenrechte in Deutschland, Europa und weltweit
- Finanzielle Zuwendungen für bestimmte Länder werden konsequent an die Einhaltung menschenrechtspolitischer Bedingungen geknüpft
- Eintreten für die freie Ausübung der Religion und gegen die Verfolgung von religiösen Minderheiten auf der Welt
- Eintreten gegen eine kulturelle Relativierung des Menschenrechtsbegriffs und für die effektive Durchsetzung von rechtsstaatlichem Handeln in den internationalen Beziehungen
- Gegen jegliche Diskriminierung aufgrund von Religion, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung
- Für Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Freiheit der Presse
- Für die uneingeschränkte körperliche und geistige Unversehrtheit der Menschen
Deshalb engagieren wir uns mit allem Nachdruck für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe und Folter. Bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus heiligt der Zweck nicht die Mittel; sie darf nicht mit einer Einschränkung menschenrechtlicher Standards einhergehen. Wir wenden uns daher gegen jegliche Versuche, im Namen von Terrorismusbekämpfung fundamentale Menschenrechte einzuschränken. (S. 89)
- Eintreten für die weltweite Ächtung von Menschenhandel, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Zwangsprostitution und den Einsatz von Kindersoldaten, sowie für eine explizite Strafbarkeit des Verbrechens: weibliche Genitalverstümmelung
- Anstreben einer Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Opferschutz)
- Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, damit Einzelpersonen nach Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Rechte vor einem internationalen Gremium einzuklagen
- Für eine bessere Geltung des Menschenrechts auf Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung (Voraussetzung für die Gesundheit der Menschen und für deren Ernährungssicherheit)
- Für eine verfassungskonforme Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption
- Stärkung der Prävention im Rahmen einer weiteren Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit (wie z. B. des Internationalen Strafgerichtshofs)
- Eine zügige Umsetzung des Beitrittsabkommens und Schutz der Menschenrechte in Europa (Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention) – die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Menschenrechtskonvention müssen in allen EU-Mitgliedstaaten ungeachtet der politischen Couleur der jeweiligen nationalen Regierung geachtet werden
- Unterstützung der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
- Förderung der Menschenrechtsarbeit der OSZE und Stärkung der Stellung des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR)
- Europa in der Welt als ein sicherer Zufluchtsort für politisch Verfolgte – Einsetzen für eine europaweite menschenwürdige Regelung des Grundrechts auf Asyl und einen Europäischen Verteilungsschlüssel für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge
- Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht von Asylbewerbern in Deutschland sowie die Residenzpflicht für Flüchtlinge. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen erst ab 18 Jahren als verfahrensmündig angesehen werden. Bei der Rückführung von abgelehnten Bewerbern in andere EU-Länder soll es eindeutige und gemeinsame Bestimmungen über sichere Drittstaaten.
- Überprüfung der Verbesserung der Rechte für die Opfer von Frauen- und Menschenhandel in Deutschland, der Situation von Menschen ohne Aufenthaltsstatus im Bereich Gesundheit und faire Entlohnung
Sicherheitspolitik (vgl. 91-92)
Bedrohungen für Frieden, Freiheit und Sicherheit lassen sich in einer zunehmend globalisierten Welt immer weniger regional eingrenzen und in Kategorien von Staatlichkeit fassen. Globale Terrornetzwerke, organisierte Kriminalität, lokale und regionale Konflikte mit globalen Auswirkungen, Ausbreitung von Wüsten, Mangel an sauberem Trinkwasser, Hungersnöte und extreme Klimaveränderungen – all diesen globalen Herausforderungen können wir nur global und vernetzt begegnen.
Wir haben alle relevanten Ressorts der deutschen Außenpolitik im Rahmen eines vernetzten Ansatzes stärker koordiniert als es jemals der Fall war. Wir halten an der deutschen Sicherheitspolitik und an der Kultur der militärischen Zurückhaltung fest. Und wir haben den Fokus einerseits auf die Abrüstung sowie andererseits auf eine vorrangig zivil ausgerichtete Präventionspolitik gelegt. Wo es dennoch nötig ist, machen sich unsere Soldaten um den Frieden weltweit verdient. Unseren Soldaten in Afghanistan konnten wir durch einen erfolgreichen Strategiewechsel, hin zu stärkerer Vernetzung von politischen, entwicklungspolitischen und militärischen Ansätzen, eine realistische Abzugsperspektive für 2014 eröffnen. Die Übergabe der Verantwortung in Afghanistan läuft. Der Abzug deutscher Kampftruppen hat begonnen. Auch nach dem vollständigen Abzug deutscher Kampftruppen aus Afghanistan werden wir das Land nicht im Stich lassen.
Unfreiheit, Armut und Chancenlosigkeit kann Nährboden für politischen und religiösen Extremismus sein und zur Ursache für Konflikte werden. Indem wir weltweit mehr Menschen mehr Chancen für das eigene Leben eröffnen, tragen wir dazu bei, Konflikte an der Wurzel zu bekämpfen, und nicht deren Symptome. Indem mehr Menschen weltweit mehr Chancen ergreifen, leisten wir gemeinsam einen Beitrag zu mehr Stabilität und zu dauerhaftem Frieden. (S. 91)
In Bezug auf die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands sind u.a. folgende Aspekte zu lesen:
- Vor Beginn von Einsätzen der Bundeswehr als Parlamentsarmee in Krisengebieten sind die politischen Ziele und Zeitlinien sowie eine Exit-Strategie für die Dauer des Einsatzes klar zu formulieren, sowie eine entsprechende Struktur und Rechtssicherheit für die Streitkräfte abzuleiten
- Nach dem Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee, Einsetzen für die Anerkennung, Wertschätzung und Akzeptanz der Bundeswehr-Arbeit in der Öffentlichkeit
- Stärkung der NATO, sowie der anderen bedeutenden internationalen Friedens- und Sicherheitsorganisationen (UNO, OSZE, Europarat, EU) in ihrer Handlungsfähigkeit
- Einsetzen für die Etablierung allgemein anerkannter Normen und Regeln im internationalen System sowie für eine noch intensivere Kooperation im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
- Einrichtung einer ständigen Schaltstelle auf Ebene der Bundesregierung (AA) zum Informationsaustausch und zur Koordinierung der militärischen und zivilen Maßnahmen in allen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie zur Vorbeugung und Reaktion auf nationale und internationale Katastrophen und Krisen
- Entwicklung einer nationale Sicherheitsstrategie als Beitrag zu einer EU-Sicherheitsstrategie
- Der Schutz der territorialen Integrität Deutschlands als Auftrag und die Trennung der Zuständigkeiten von Bundeswehr und Polizei müssen erhalten bleiben. Einsetzen für ein parlamentarisches Gremium mit vollumfänglichen Auskunftsrechten, welches die Entscheidungen des Bundessicherheitsrats kontrolliert
- Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts zeitnah im direkten Anschluss an den Berichtszeitraum
- Abbau der Kontrolle über den weiteren Verbleib und die Verwendung exportierter Waffen und Rüstungsgüter
- Ausweitung der Rüstungskontrolle auf neue Technologien der modernen Kriegsführung wie zum Beispiel Spionagesoftware
- Stärkung des Aufbaus von zivilen Fähigkeiten (Verwaltung, Justiz, Polizei) im Rahmen der zivilen Krisenprävention und beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen nach einer Krise
- Stärkung der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit, der Aufbau wirtschaftlicher Partnerschaften, der polizeiliche und rechtsstaatliche Zusammenarbeit sowie der Förderung grenzüberschreitender Zusammenarbeit zur Konflikt- und Krisenprävention
- Stärkung der nuklearen, radiologischen, chemischen und biologischen sowie konventionellen Kontroll- und Nichtverbreitungsregime, universelle Anwendung der internationalen Vertragsregime und Verhaltenskodizes
- Eine umfassende Stärkung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und ein Inkrafttreten des Teststoppvertrages
- Werben für den Beitritt von Nichtvertragsstaaten zum Biowaffen- sowie dem Chemiewaffenverbotsübereinkommen
- Abzug taktischer Nuklearwaffen aus Europa
- Übergabe in Verantwortung an die Regierung Afghanistans und den Abzug der Kampftruppen für 2014, aber auch über dieses Datum hinaus Unterstützung der Menschen in Afghanistan beim Aufbau des Landes im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit
Weltweite Entwicklungszusammenarbeit (vgl. 93-95)
Entwicklungspolitik ist auch Friedens-, Menschenrechts- und Sicherheitspolitik. Sie arbeitet auf die Stabilisierung fragiler Länder und Regionen hin, wirkt präventiv gegen Konflikte und hilft damit auch, dass Menschen nicht aus ihrer Heimat vertrieben werden. (S. 93)
- Für eine Reform der allgemeinen Budgethilfe innerhalb der europäischen Entwicklungspolitik, sowie Verschärfung der Kriterien für Budgethilfe, um eine blinde Subventionierung von korrupten Regierungen zu verhindern
- Fortsetzung der Abbau bürokratischer Strukturen und Prozesse in der deutschen Entwicklungshilfe sowie in der europäischen Entwicklungszusammenarbeit
Auch im restlichen Teil des Dokuments werden noch vereinzelt relevante kriminal- und sicherheitspolitische Forderungen erwähnt.
Im Kontext der wirtschaftspolitischen Forderungen, sowie auch Kriminalprävention sind auch folgende Aussagen zu finden:
- Bekämpfung von Steuerhinterziehung / Umsatzsteuerbetrugs (vgl. S. 12 / 83)
- Verbesserung der Aufsicht über Banken und andere Finanzinstitute (vgl. S. 19)
- Tierschutz im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (vgl. S. 21)
- Vollständige Aufklärung des Verbrauchers:
Genussmittel, die frei verkäuflich und legal handelbar sind, dürfen nicht durch Werbeverbote und Handelsbeschränkungen vom Markt gedrängt werden. Eine derartige Bevormundung der Verbraucher ist mit dem Leitbild des mündigen Bürgers nicht in Einklang zu bringen. Solche Eingriffe in die Marktwirtschaft und in die Entscheidung mündiger Verbraucher lehnen wir grundsätzlich ab. Der Jugendschutz bei Tabak und Alkohol ist jedoch strikt zu gewährleisten. Auch die Gastronomie lebt vom Vertrauen der Kunden. Dieses Vertrauen durch hohe Qualitätsstandards zu sichern, ist im allseitigen Interesse. Die Sicherung und Kontrolle der Qualität durch staatliche Behörden muss jedoch verhältnismäßig bleiben. (S. 62)
- Korruptionsbekämpfung (vgl. S. 24)
- Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch, sowie Verbessern der Hilfe für Betroffene (ein unabhängiger Missbrauchsbeauftragter bei der Bundesregierung) (vgl. S. 41)
- Verankerung der Kultur als Staatsziel im Grundgesetz (Deutschland als Einwanderungsland) (vgl. S. 49)
Fazit
Im kriminalpolitischen Programm der FDP überwiegen die Themenfelder soziale Sicherheit, persönliche Freiheit, Rechtspolitik, Friedenspolitik sowie weltweiter Einsatz für die Menschenrechte. Bereits ein Blick auf die Zählung der Worthäufigkeiten offenbart, dass die Liberalen – erwartungsgemäß – „Freiheit“ einen großen Stellenwert einräumen. Inhaltlich zeigt sich dies beispielsweise bei Forderungen im Zusammenhang mit der Extremismusbekämpfung (in diesem Zusammenhang folgt die vielleicht beste Wortschöpfung, die die diesjährige Analyse der Wahlprogramme zu Tage gefördert hat: „Vernachrichtendienstlichung der Polizei“ (S. 59)) und Positionen zur Netzpolitik.
Im Vergleich zum Wahlprogramm der vergangenen Legislaturperiode wird Jugendkriminalität in diesem Programm nicht ausdrücklich thematisiert. Es findet sich hier lediglich ein Verweis auf Prävention im Kontext von Schaffung von Vertrauen und Chancen für die Jugendlichen, sowie für Stärkung von Bildung, Aufklärung, Weiterbildung und lebenslangem Lernen ein.
Auch andere kriminalpolitisch relevante Themenbereiche wie beispielsweise Ausführungen zur Drogenpolitik sucht man vergeblich.
Ein ausführliches Fazit der kriminal- und sicherheitspolitischen Forderungen der FDP sowie ein parteiübergreifender Vergleich der Forderungen erfolgt im neunten Teil dieser Artikelserie.