Gestern gab die britische Boulevard-Zeitung News of the World (NoW) bekannt, dass sie diesen Sonntag ihre letzte Ausgabe herausbringen wird. Damit endet die 168-jährige Geschichte einer Zeitungen, die RTL II und BILD als wahre Vorbilder des ethischen Journalismus erscheinen lassen.
Zu Fall gebracht wurde NoW durch The Guardian, insbesondere deren Reporter Nick Davies, als dieser aufdeckte, dass NoW sich, unter Anderem, mit Hilfe eines Privatdedektives in die Mailbox eines verschwundenen Schulmädchens eingehackt hatte und dadurch die Ermittlungen der Polizei behinderte. Bei dieser Aktion löschten sie bereits hinterlassene Nachrichten und suggerierten damit der Familie des Mädchens, dass dieses noch am Leben sei. Inzwischen wächst die Liste der Opfer von Hacking-Angriffen der NoW immer weiter (eine Liste findet sich hier). Sie beinhaltet Mitglieder der Königs-Familie, SportlerInnen, PolitikerInnen, Opfer von Verbrechen und Anghörige von in Afghanistan und Irak gefallenen SoldatInnen) Schon 2006 war ein Journalist der NoW dafür verhaftet worden, dass seine Recherchemethode für die Klatsch-Seiten darin bestand, die Handy-Mailbox von Prince Williams Assistenten abzuhören. (Eine chronologische Darstellung hier)
Die dem Murdoch-Konzern zugehörige Wochen-Zeitung hat eine lange Geschichte von Skandalen und Klagen. Besonders relevant aus kriminologischer Sicht ist wohl die „For Sarah„- Kampagne welche die NoW im Jahr 2000 startete. Nach dem Mord an der 8-Jährigen Sarah Payne startete die NoW eine Kampangne für die Einführung von „Sarah’s Law“, nach dem Vorbild von „Megan’s-Law“ in den USA. Die Zeitung forderte die Veröffentlichung der Namen und Adressen von Sexualstraftätern, um potentielle zukünftige Opfer zu schützen. Im Laufe der Kampagne veröffentlichte die Zeitung selber 50 Namen und Bilder von verurteilten Sexualstraftätern und lösten damit weitreichende Unruhen aus. Männer, deren Bild in der Zeitung gedruckt worden war, wurden angegriffen. Ebenso solche, die einem Bild nur ähnlich sahen oder den gleichen Namen trugen. Unter anderem wurde das Haus einer Kinderärztin vandalisiert: die Täter hatten „pediatrician“ mit „pedophile“ verwechselt. Zwei Männer begingen Suizid, nachdem ihre Daten veröffentlicht worden waren. Nach den Gewaltausbrüchen brach die NoW die Veröffentlichung von Namen und Bildern ab. (mehr hier und hier) Inzwischen ist eine abgeschwächte Version der Forderung ins Britische Gesetzt übergegangen.
Der Fall der NoW hat in England eine hitzige Diskussion über die (nötigen) Grenzen von Pressefreiheit und ethischem Verhalten in der Presse ausgelöst.
Geoffrey Robertson schreibt dazu im Guardian:
The News of the World proved that, whenever cutthroat circulation was at stake, self-regulation was bound to fail in instilling any sense of ethical conduct, or even respect for the criminal law, in the business of tabloid infotainment. That is partly because we are an excessively prurient society, addicted to Sunday morning schadenfreude as we read of other people’s griefs and adulteries. But it is also because the harlot’s prerogative through the ages, of power without responsibility, has cowed most of the democratic institutions that should stand up for decency and the rule of law.
…The issues that need urgent inquiry are not made any less urgent by the closure of the paper. They are not only those identified by the prime minister, such as the ineptness of the original police investigation. There must be an examination of the culture of the tabloid press, the bribery and corruption that has gone on between journalists and their police sources, the total failure of self-regulation (and how to replace it), the inadequate training of journalists in law and ethics.
Wie weit die Korruption und die Kriminalität innerhalb der NoW reicht ist noch unklar. Möglich, wenn auch unwahrscheinlich, wäre, dass Robert Murdoch selber angeklagt wird. Auch die britische Polizei und Politik, finden sich in Erklärungsnot. (hier und hier)
Interessant wird es auch sein zu sehen, wie das Thema Pressefreiheit behandelt wird. Wie kann auf der einen Seite garantiert werden, dass Journalisten sich an gewisse ethische Regeln halten, andererseits aber vermieden werden, dass neue Werkzeuge geschaffen werden, die letztendlich der politischen Zensur dienen?
Grace schreibt
Und noch ein interessanter Artikel über ‚Tabloids‘ im welt-weiten Vergleich. Die Bild kommt auch nicht zu kurz…
http://www.economist.com/node/18956586?fsrc=scn/fb/wl/ar/thepopularpress