Pressemitteilung zur Präventionsaktion gegen Zwangsehen in Deutschland
Vorfinanziert durch sowohl private als auch öffentliche Unterstützer soll ab August 2011 ein Projekt zur Aufklärung und Prävention von Zwangsheirat durchgeführt werden.
Die Zielgruppe der Informationsvermittlung und Aufklärungsarbeit sind Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Jahrgangsstufen aller Schulformen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Um diese Gruppe zum Thema Zwangsheirat zu erreichen, werden zwei hauptsächliche Strategien verfolgt:
- Ausbildung und Schulung von Sozialpädagogen_innen, Lehrer_innen und Schulpsychologen_innen zum Thema Zwangsheirat. Eine ganzjährliche Betreuung von betroffenen Schülern soll hierdurch gewährleistet werden.
- Aussenden von hochqualifizierten pädagogischen und psychologischen Experten, die Unterrichtseinheiten in Schulen zum Thema Zwangsheirat vornehmen, um Informationen und Hilfestellungen für Schüler aufzuzeigen. Wichtig dabei ist, dass betroffene Schüler_innen auch Handlungsmöglichkeiten abseits ihrer Schule kennen. Derartige Informationsveranstaltungen sind alle zwei Jahre in den 5. Und 6. Jahrgangsstufen angesetzt.
Ziel der beiden Aktionen ist sowohl eine umfassende Aufklärung über den Tatbestand und das Risiko der Zwangsehe als auch über Anlaufstellen und Hilfsorganisationen zu informieren, die konkrete Hilfe für Betroffene anbieten und eigeninitiierte Schutzmaßnahmen unterstützen.
Entstehung des Projekts
Organisiert und ins Leben gerufen wurde die Aktion „Heirat, Zukunft, Leben“ von einem Zusammenschluss zahlreicher karitativer Vereinigungen als Reaktion auf aktuelle kriminologische Forschungsbefunde, welche Tatbestände nicht nur auf Ebene der deutschen, sowie gesamteuropäischen Sozialstrukturebene analysierten, sondern auch auf einen Handlungsbedarf in Form von Präventionsarbeit aufmerksam machen. Zwar ist die rechtliche Verfolgung von Zwangsverheiratungen von zentraler Bedeutung, aber sie ist nicht ausreichend. Ein Fokus muss auf Prävention und Reaktion, sowie den Ausbau und die Information über Hilfsangebote und Anlaufstellen gelegt werden. Unter anderem aufgrund dieser Kernthese, sowie aus der Analyse der sozialstrukturellen Verordnung des Phänomens, ergibt sich ein unumgänglicher Handlungsbedarf. Mögliche Betroffene – meist handelt es sich hierbei um eine auffallend junge Zielgruppe – müssen erreicht werden, bevor diese auf überfordernde Weise mit dem Problem einer Zwangsehe konfrontiert werden.
Zur Situation in Deutschland
In Deutschland werden jährlich circa 220 Fälle von Zwangsehen verzeichnet. Darunter zählen Ehearrangements, die durch die Ausübung von Macht und/oder Gewalt gegenüber mindestens einem der beiden Heiratskandidaten durch eine formelle oder informelle eheliche Verbindung zum Abschluss gebracht werden. Nicht selten sind die Betroffenen von innerfamiliärem Druck, dem Abbruch ihrer schulischen oder akademischen Karriere und der Zwangsmigration aus Deutschland heraus betroffen.
Wie kriminologische Forschung des Instituts für kriminologische Sozialforschung in Hamburg ergab, sind Zwangsehen, welche den Tatbestand der Nötigung im Sinne von §240 StGB erfüllen, gegen Artikel 16 I der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 23 III des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung gegen die Frau von 1979 verstoßen, soziale Realität. Aufgrund der hohen Dunkelziffer sind Betroffene allerdings schwer statistisch erfassbar.
Seit dem Jahre 2005 hat das, bis dato eher vernachlässigte Thema, auch in der medialen Öffentlichkeit Aufsehen erregt, wodurch die Politik verstärkt in Handlungszwang geriet. Schließlich obliegt dem deutschen Staat im Sinne seiner Schutzfunktion gegenüber Schutzbefohlenen die Pflicht, über ein gesellschaftlich relevantes und insbesondere die deutsche Jugend betreffendes Phänomen aktiv zu werden. Das Phänomen der in Deutschland geschlossenen Zwangsehen betrifft insbesondere die Politikfelder Gleichstellung, Integration, Bildung und Jugendschutz und fordert Kooperation der verschiedenen Themenbereiche sowie ein praktisches Aktivwerden. Kooperativität ist das Stichwort der geplanten Aktion „Heirat, Zukunft, Leben“, welches als Pilotprojekt im Stadtstaat Hamburg startet mit der Option, diese Aktion in allen deutschen Bundesländern zu etablieren.
Da Deutschland – wie besagte kriminologische Forschung zeigte – innerhalb Europas nur eines von zahlreichen Ländern ist, in denen sich die Fälle von Zwangsverheiratung von überwiegend Minderjährigen häufen und die Dunkelzifferschätzung die Fälle von erfassten Tatbeständen weit übersteigt, kann von einem europaweiten Phänomen gesprochen werden.
Aussicht
Aufgrund der Motivation dem, oftmals noch ausgeblendeten Phänomen „Zwangsehe“ in einem möglichst internationalen und weitläufigen Rahmen entgegenzuwirken, ist für die weitläufige Planung des zunächst regional und optional bundesweit ausgerichteten Projektes sogar eine europäische Dimension denkbar. Zwar ist eine Evaluierung des praktischen Erfolges der Aktion „Heirat, Zukunft, Leben“ d.h. deren Auswirkung auf die Anzahl der geschlossenen Zwangsehen kurz- wie langfristig weiterhin problematisch, jedoch besteht Grund zur Annahme, dass aufklärerische Projekte im Sinne der Befähigung der Jugend hin zur Mündigkeit, Selbstbestimmung und Integration nicht nur regional und auf Bundesebene, sondern auch im europäischen Kontext gefördert werden. „Unser langfristiges Ziel ist eine mehrere europäische Länder einbeziehende Projektsstruktur mit internationaler Zusammenarbeit unter dem Stichwort Empowerment einer europäischen Generation von Jugendlichen“, so eine private Spenderin und Mitorganisatorin des Projektes. Weitläufig geplant ist der Antrag auf finanzielle Förderung aus dem Sozialfonds der Europäischen Kommission für die Politiklinie Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, um eine erfolgreiche Etablierung des Projekts zu gewährleisten.
Download des Projektflyers:
Der im Anhang befindliche Flyer verweist auf das fiktive Projekt „Heirat, Zukunft, Leben.“ . Das im Flyer erwähnte Programm ist nicht realisiert, die angesprochenen Kooperationen bestehen nicht.
[Bei dem hier vorgestellten Projekt handelt es sich um eine fiktive Kampagne, die im Rahmen des Seminars Public Criminology – Der Kriminologe als kriminalpolitischer Akteur an der Universität Hamburg entstanden ist. Nähere Informationen zum Projektseminar und zum Konzept der Public Criminology sind hier nachzulesen.]Das fiktive Projekt wurde erstellt von Birgit, Carina und Maru.
Georgie schreibt
Aktueller Artikel zum geplanten Gesetz gegen Zwangsheirat.
http://www.tagesschau.de/inland/zwangsverheiratung100.html