Criminologia

das deutschsprachige Kriminologie Blog

  • Startseite
  • Blogansicht
  • Studium
    • Was ist Kriminologie?
    • Kriminologiestudium in Hamburg
    • Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis
    • Zeitleiste zur Geschichte der Kriminologie
    • Kriminologische Lehrbücher
    • Aktuelle Journal-Artikel
    • Hinweise zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit
    • Prison Song Project
    • Rezensionen
  • Linkportal
  • Veranstaltungen
  • Kontakt

Rezension: Drug Use for Grown-Ups

Am 26. Februar 2021 gepostet von Christian Wickert

In Kooperation mit dem Surveillance Studies Blog veröffentlicht Criminologia Rezensionen von Büchern aus den Bereichen Überwachung & Kontrolle und Kriminologie. Weitere Rezensionen finden sich hier.

Die Rezension wurde verfasst von Sebastian Scheerer, Hamburg
Cover: Drug Use for Grown-Ups Titel: Drug Use for Grown-Ups. Chasing Liberty in the Land of Fear
Autor: Carl L. Hart
Jahr: 2021
Verlag: Penguin Press
ISBN: 9781101981641

Die deutsche Wikipedia kennt keinen Carl Hart (* 1966). In der englischen sieht man ihn aber, den immer noch jugendlich wirkenden Afro-Amerikaner mit den langen Dreadlocks, der schon aufgrund seiner Hautfarbe und Frisur ein bisschen aussieht wie ein – Verzeihung – Drogenkonsument.

Und das ist er auch, wie so viele Millionen. Das Besondere an ihm ist aber etwas Anderes. Nämlich erstens seine Haltung und zweitens sein Status. Da ist die verblüffende Offenheit, mit der er über seinen eigenen Konsum spricht – und zwar ausgerechnet von Heroin, PCP und dem offenbar besonders angenehmen 6-APB (merken!). Und da ist dann die nahezu unglaubliche Tatsache, dass es sich nicht etwa um die Lebensbeichte eines entlassenen Strafgefangenen handelt, sondern um das Buch eines leidenschaftlichen Vaters, wahrscheinlich mindestens good enough Ehemannes und vor allem eines weltbekannten und renommierten Neurowissenschaftlers, des übrigens ersten afro-amerikanischen tenured professor in den Naturwissenschaften an der New Yorker Columbia University in der Geschichte dieser zweifellos elitären Bildungsanstalt.

Im Laufe seiner Forschungen fielen ihm nach und nach die Irrtümer der herrschenden Lehre auf. Inzwischen ist er nicht nur von der Vorstellung von addiction as a brain disease weit abgekommen (was er überzeugend darzustellen weiß), sondern scheut auch nicht vor einer Problematisierung des Hypes um harm reduction zurück. Die Argumente, die er anführt, sind ebenso faszinierend wie nachvollziehbar und überzeugend. Das wird nicht überall auf Beifall stoßen. Vor allem dort nicht, wo man wie in der Drogenhilfe davon lebt, in jeder neuen Droge (wie seit einiger Zeit in Methamphetaminen) oder sogar schon im erhöhten THC-Gehalt neuerer Cannabissorten eine noch nie dagewesene Gefahr zu wittern. Auch diesen ermüdenden Skandalisierungsdiskurs weiß der Autor zu demystifizieren – in diesem Punkt übrigens ähnlich wie einst Edward M. Brecher in seinem epochalen Werk über Licit and illicit drugs. Das Buch war 1972 erschienen und hatte mich aus meiner anfänglichen Haltung („weiche Drogen tolerierbar, harte auf keinen Fall; Konsumenten brauchen Hilfe, Dealer brauchen Strafe“) befreit und Jahre später zu meinen eigenen Aktivitäten mit dem niederländischen Junkiebond und anderen Basisinitiativen geführt. Also zu Initiativen, denen es nicht um Abstinenz und Resozialisierung, sondern um die Respektierung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen als Menschenrecht ging.

Der Appell von Carl Hart an die Menschen, die er als „Erwachsene“ anspricht, lautet: entschließt euch endlich zum Coming Out, um endlich das Vorurteil zu Fall zu bringen, dass Drogenkonsum eine Sache der misfits und der dope fiends ist. Kämpft um eure Rechte wie es die Schwulen tun. Kommt raus aus dem Schrank, in dem ihr euch versteckt haltet. Come out of the closet.

Ohne das Recht auf Drogenkonsum, so dieser mutige Intellektuelle, der weder seine Herkunft aus schwierigsten und gefährlichsten Verhältnissen am Standrand von Miami noch seine Verantwortung als Wissenschaftler verraten möchte, werden die 35 Milliarden Dollar, die das land of fear jedes Jahr im Namen der Drogenbekämpfung für die Aufrüstung der Polizei und den Abbau von Grundrechten ausgibt, nur weiterhin in den strukturellen Rassismus dieser einstigen Sklavenhaltergesellschaft fließen. Unser aller Grundrechte wären nur halb so viel wert. Und die berühmte amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit ihrer Garantie von life, liberty, and the pursuit of happiness, so der von Hart zitierte Terence McKenna, nicht einmal das Hanfpapier, auf dem man sie einst geschrieben hatte.


Einen kurzen Auszug aus dem Buch kann man hier hören:

  • twittern 
  • teilen 
  • E-Mail 



Verwandte Artikel

Rezension: Heroin and Music in New York City Virtuelle Gefangenenbefreiung Default ThumbnailPissing on demand

Kategorie: Devianz und Kriminalität, Drogen(-politik), Kriminologie allg., Rezension Stichworte: Cannabis, Drogen, Drogenkonsum, Grundrechte, Heroin, Konsum

Haupt-Sidebar

Über uns

Criminologia ist ein Blog zu kriminologischen und kriminalpolitischen Themen, betrieben und gepflegt von (ehemaligen) Lehrenden und Studierenden des Instituts für kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg und Lehrenden an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Social Media

  • Pinterest
  • Twitter
  • Vimeo

kurz notiert …

Tweets von @Kriminologie

Neueste Beiträge

  • Interview mit Benjamin Derin: Polizeikritik ist immer auch Gesellschaftskritik
  • GReeeN & Richter Müller – Entkriminalisierung Sofort
  • Krimpedia jetzt unter neuer Adresse erreichbar
  • Rezension: Die Polizei. Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Institution.
  • Von Polizei, Samthandschuhen und gut gemeintem Journalismus

Neueste Kommentare

  • Interview mit Benjamin Derin: Polizeikritik ist immer auch Gesellschaftskritik - Criminologia bei Rezension: Die Polizei. Helfer, Gegner, Staatsgewalt. Inspektion einer mächtigen Institution.
  • Christian Wickert bei Perspektiven einer sozialwissenschaftlichen Kriminologie in Hamburg
  • Helmut Pollähne bei Perspektiven einer sozialwissenschaftlichen Kriminologie in Hamburg

Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis

Veranstaltungen

  • Keine Veranstaltungen
  • weitere Veranstaltungen anzeigen

Partnerseiten

Kriminologische Sozialforschung (Universität Hamburg)

Institut für Kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg

Krimpedia

Krimpedia

Common Session Programme in Critical Criminology

Common Study Programme in Critical Criminology

Surveillance Studies Blog

Surveillance Studies

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

SozTheo | sozialwissenschaftliche Theorien

SozTheo Banner

Copyright © 2022 — Criminologia • Alle Rechte vorbehalten. • Impressum & Datenschutzerklärung

Anmelden