Es war einmal ein Strafprozess, der gerade beendet wurde – das Urteil war gesprochen und der Angeklagte bedankte sich für das faire Verfahren und auch alle anderen Verfahrensbeteiligten schieden voneinander mit Händeschütteln und gesteigertem gegenseitigen Respekt. Nicht alle kamen mit ihren Interessen, ihren Überzeugungen und Wirklichkeitskonstruktionen durch. Doch auch diejenigen, die letztlich das Nachsehen hatten, fühlten sich gerecht behandelt, ernst genommen, gewürdigt und innerlich gestärkt. Offenbar war das Ergebnis nicht das Wichtigste an diesem Prozess, sondern das Erlebnis eines fairen Verfahrens, in dem alle bei allen das ernsthafte Bemühen um eine gerechte Vorgehensweise bemerkten und anerkannten. „Procedural justice“ heißt das Zauberwort. Wenn ein Verfahren als fair wahrgenommen wird, dann ist man auch bereit, ein nachteiliges Urteil zu akzeptieren. Das zeigt, dass es wohl ein tiefes und wichtiges Erlebnis darstellt, in einer Gruppe relevanter Akteure ein ernsthaftes Bemühen aller wahrzunehmen, auf gerechte Weise zu einem guten und friedlichen Abschluss zu kommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Und nun zur Kundenzufriedenheit nach einem realen Strafprozess: Der Richter macht den Angeklagten, den er gerade freisprach, zur Schnecke und seinen Anwalt gleich mit; die negativen Affekte sind offenbar noch wenig sublimiert; der Anwalt fand die gesamte Prozessführung im Grunde unwürdig und unfähig, spricht von einer „Erbärmlichkeit, die ihres Gleichen sucht“. Sogar die Nebenklägerin ist, wie man hört, auch nach dem Verfahren noch außer sich. Das Mobiliar handelt sich wütende Fußtritte ein, ihr eigener Anwalt die Bezeichnung als „feige Sau“. Der darauf: „Erzählen Sie keinen Scheiß, Frau X, haben Sie nicht zugehört?“. Und der Freigesprochene? Er hat den Glauben an die Gerechtigkeit verloren. Und den an die örtliche Strafjustiz dazu. Den Flughafen, auf dem er ankam, als er verhaftet wurde, will er nie mehr betreten, die Luftlinie nie mehr benutzen. Polizisten so höflich und gleichmütig wie früher zu begegnen: „heute fällt mir das schwer … Ich möchte in diesem Leben keine Polizisten aus Baden-Württemberg mehr sehen.“ Seine Erfahrung mit der Staatsanwaltschaft waren nicht viel therapeutischer. Die Art von Staatsanwalt, die er kennengelernt hat, wünscht er keinem anderen. Im Gegenteil: „Ich würde mir wünschen, dass jedes Land sich bemüht, solchen Beamten das Handwerk zu legen.“ Wahre Kundenzufriedenheit, so könnte man diesen kleinen Blick in die 24. Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 9. Juni 2011, Seite 15 bis 18 (Sabine Rückert uind Stefan Willeke über den Fall eines Wettermoderators) zusammenfassen, sähe vielleicht anders aus. Oder auch: wie schlecht müsste eine alternative Konfliktregelung eigentlich sein, um in der Stiftung Warentest hinter der Strafjustiz zu landen?
Dazu passt vielleicht der kategorische Imperativ der Toleranz, den Arthur Kaufmann seiner Rechtsphilosophie vorangestellt hat:
Handle so, daß die Folgen deiner Handlung verträglich sind mit der größtmöglichen Vermeidung oder Verminderung menschlichen Elends.