Mehr als 50 Millionen Deutsche nutzen das Internet (BITKOM 12.04.2011) und über 21 Millionen spielen Computer- und Videospiele (BITKOM 11.08.2010). Zwei populäre Arten der Computerspiele stellen Online-Spiele wie z.B. World of Warcraft oder aber Lebenssimulationen (auch LifeSims oder Metaversen genannt) wie z.B. Second Life dar.
Sowohl den meisten Online-Spielen als auch den Lebenssimulationen ist gemein, dass Nutzer virtuelle Güter im Spielverlauf erwerben können bzw. müssen, um einen Spielfortschritt zu erzielen. Die virtuellen Güter werden üblicherweise zunächst in einer Spiele-eigenen Währung bezahlt; eine spätere Abrechnung erfolgt über Kreditkarte.
Das Geschäft mit den Online-Spielen ist überaus lukrativ. Der Firma Blizzard Entertainment, Hersteller des – mit fast sieben Millionen Spielern – weltweit populärsten Online-Spieles World of Warcraft, bescherten alleine die Abo-Gebühren, die Spieler monatlich zu entrichten haben, einen Umsatz von fast einer Milliarde Dollar. Aber auch private Händler verdienen an den Onlinespielen: virtuelle Gegenstände, die einen Spielfortschritt versprechen, werden über Online-Verkaufsplattformen gehandelt (zumeist entgegen der AGB der Spielehersteller); Dienstleister bieten gegen Bezahlung an, eine virtuelle Spielfigur (Avatare) „hochzuleveln“ oder sie verkaufen Avatare, die bereits einen gewissen Spielfortschritt erzielt haben.
Angesichts der Vielzahl der Spieler und der Höhe der Umsätze verwundert es nicht, dass die virtuellen Spielwelten auch von Menschen bevölkert werden, die kriminelle Absichten verfolgen oder die durch ihr abweichendes Verhalten auffallen.
Die beiden Polizeibeamten und Absolventen des Instituts für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg Cindy Krebs und Thomas-Gabriel Rüdiger haben erstmalig in Deutschland Kriminalität in Online-Spielen und Lebenssimulationen systematisch untersucht. In einer bundesweiten Untersuchung konnten die Forscher insgesamt 84 Anzeigen ermitteln, die im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Handlungen in Online-Spielen (Gamecrime) oder in Metaversen (Metacrime) stehen. Diese ermittelten Fälle ließen sich als Vermögens-, Meinungsäußerungs- und Sexualdelikte kategorisieren.
Neben diesen Hellfelddaten wurden auch Daten zur Einschätzung des Dunkelfelds erhoben (Sekundäranalyse internationaler Studienergebnisse, eine Befragung von Spielern eines Online-Spieles, Inhaltsanalyse verschiedenster Dokumente).
Die beiden Autoren kommen auf Grundlage dieser multimethodisch erhobenen Daten bei einer Dunkelfeldschätzung auf eine Anzahl von 5-7,5 Millionen Delikte jährlich (inklusive Versuchs- und Mehrfachtaten).
Die Studienergebnisse wurden kürzlich in einem äußert spannenden und aufschlussreichen Buch publiziert: Gamecrime und Metacrime: Strafrechtlich relevante Handlungen im Zusammenhang mit virtuellen Welten
Gibt es Kriminalität im Zusammenhang mit virtuellen Welten? Wie sind die Erscheinungsformen, das Aufkommen im Hell- und Dunkelfeld? Sind die Delikte vergleichbar zu denen der realen Welt in der wir tatsächlich leben? Obwohl World of Warcraft, Herr der Ringe Online oder auch Second Life bereits Bestandteile unseres Lebens sind, blieben diese Fragen von der Kriminologie bisher weitestgehend unbeantwortet. Mit dieser ersten kriminologische Grundlagenarbeit zu Kriminalität im Zusammenhang mit virtuellen Welten für den deutschsprachigen Raum werden die bisher offenen Fragestellungen beantwortet und erstaunliche Ergebnisse aufgezeigt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen es Praktikern der Strafverfolgungsbehörden und im sozialen Bereich engagierten Personen ermöglichen, einen tieferen Einblick in diesen Phänomenbereich zu erlangen und ihnen die Gelegenheit bieten, den bislang im Verborgenen weilenden Blick auf Gefahren zu schärfen. Auch den allgemein an virtuellen Welten oder Kriminologie interessierten Leser eröffnet dieses Buch einen erstaunlichen Blick auf ein neuartiges Themenfeld.
Einen schönen Einstieg in das Thema bietet auch dieser kostenfrei erhältliche Artikel Thomas-Gabriel Rüdiger & Cindy Krebs: Neue Welten mit Deliktpotenzial. Deutsche Polizei, Nr. 2, Februar 2011, 20-27.