Nach dem Anschlag in der Nacht zum ersten Freitag im Dezember 2009 erhielt die MOPO ein Bekennerschreiben, in dem die mit KOUKOULOFORI unterzeichnenden Autoren Bezüge zum Tod eines 15-jährigen Griechen herstellen, der am 6.12. 2008 in Athen von einem Polizisten getötet worden war. Die «Koukoulofori» («Die Vermummten») erklären die Wahl ihres Anschlagsziels. Die etwa zehn Akteure hatten mit Steinen mehrere Fensterscheiben eingeworfen und einen Streifenwagen angezündet. News.de erklärt zum weiteren Verlauf: „Die Polizeibeamten auf der Wache konnten sich in Sicherheit bringen.“
Hier das Dokument der „Vermummten“ im Wortlaut:
wir sind hier wir sind überall wir sind ein Bild aus der Zukunft (aus der Erklärung der Besetzer_innen des Polytechnikums in Athen am 23.12.08)
In den Abendstunden des 3.12.2009, wenige Tage bevor sich zum ersten Mal die Ermordung von Alexandros Grigoropoulos durch einen Bullen in Athen jährt, hat sich eine größere Menschenmenge an der Polizeiwache 16 in Hamburg eingefunden. Wir haben die Fenster des Gebäudes eingeschmissen, die Eingangstür versperrt und die Garagen mit brennenden Mülltonnen zugemacht. Die vor der Wache abgestellten Polizeifahrzeuge fackelten ab und Farbflaschen flogen an die Wände. An einigen Zufahrtswegen haben Freund_innen Barrikaden errichtet und Krähenfüße verstreut. Das galt den zu Hilfe eilenden Beamten. Unbeteiligte bitten wir für Unannehmlichkeiten (z.B. platte Reifen …) um Nachsicht.
Der Mord an Alexandros war der Funke, der den Dezemberaufstand in Griechenland auslöste. Im ganzen Land gab es Mobilisierungen, die die herrschende Ordnung nahezu paralysierten. Unter der Parole „Bullen, Schweine, Mörder“ wurden viele Polizeiwachen angegriffen. Zehntausende waren auf den Straßen und eigneten sich Stadtviertel an. Das brutale Vorgehen der Polizei und Tonnen von Tränengas konnten sie nicht stoppen. Die Aufständischen plünderten Supermärkte und Geschäfte der Innenstädte und griffen Regierungsgebäude an. Sie besetzten eine große Anzahl von öffentlichen Gebäuden (Schulen, Universitäten, Theater, Gewerkschaftszentralen) für die Organisierung ihrer Diskussionen und Aktionen. Sie finden an, die Zirkulation von Waren und Verkehrsströmen zu unterbrechen. Und es waren nicht nur die üblichen „Gnostoi/Agnostoi“ („Bekannte/Unbekannte“). Eine wilde Mischung von Anarchist_innen, Mirgrant_innen der „1. und 2. Generation“, Flüchtlingen und Schüler_innen … machten den Agenten des Systems die Straße streitig und sich selbst das Leben schmackhaft. Sie alle spürten, dass die Polizeikugel auch sie hätte treffen können. Sie wußten um die vielen Polizeimorde der Vergangenheit und hatten noch so manche Rechnung offen.
Die Wochen der Selbstermächtigung, voller Wut und Freude, werden nicht mehr aus dem individuellen und kollektiven Gedächtnis der Revoltierenden zu löschen sein. Die Trostlosigkeit der kapitalistischen Normalität war kurzfristig durchbrochen. Die Hoffnung auf ein ganz anderes Ganzes flackerte auf.
International solidarisierten sich viele mit den Kämpfen in Griechenland, aber der Funke sprang nicht über.
Bis es hier soweit ist, werden wir uns, auch inspiriert von den griechischen Genoss_innen, bemühen, die Kräfteverhältnisse zu unseren Gunsten zu verändern.
Auf der Ebene der Aktion sprechen wir uns für die Verbreitung von „crash flash mobs“ aus. darunter (sic!) verstehen wir, ergänzend zu den eher wahrgenommenen Aktionsformen der Demonstration oder der Kleingruppe, eine Organisierung von z.B. 10 bis 100 Menschen, die kurz und prägnant an einem Ort auftauchen. Dies könnte ein Supermarkt sein, eine Einkaufszone, eine Polizeiwache, eine Ausländerbehörde, ….
Also so etwas wie die schnelle Kurzdemo nach dem Natogipfel in Berlin Mitte im April, so etwas wie die Aktion gegen das Bezirksamt Nord während des Klima- und Antirassismuscamps in Hamburg, so etwas wie die Enteignungsaktion der Superheld_innen am Fischmarkt, so etwas wie heute. Das klingt wahrscheinlich einfach dahingesagt. Jede dieser Aktionen war sicher mit viel Angst und Überlegungen bewsetzt. Uns schlotterten heute ebenfalls die Kniee. Wir glauben aber, daß solche Interventionen sehr effektiv sind.
Auf dem Weg der Revolte/Revolution werden wir an handfesten Konfrontationen auch mit den Repressionsorganen nicht vorbeikommen. Da kann es manchmal besser sein, sie überraschend und gut vorbereitet anzugehen, als sich auf Demos von den Robocops den Kopf blutig schlagen zu lassen. Direkte Aktionen gegen Einrichtungen der Polizei nehmen zu. In Berlin haben beispielsweise Leute eine Wache in Lichtenberg angegriffen und Privatfahrzeuge der Bullen vor der Wache Hohenschönhausen angezündet.
Hier hat es die Wache 16 dieses Jahr schon zwei mal getroffen. Eine Wache, die bekannt ist für Mißhandlungen, deren Beamt_innen u.a. für rassistischen Terror und die Vertreibung der Drogenszene aus dem Schanzenviertel verantwortlich sind. Wir werden uns hier bewstimmt wieder treffen, falls die Räumungsambitionen von Kretschmer und Co bezüglich der Roten Flora konkreter werden. Die Genoss_innen aus der Hafenstraße haben vor über 20 Jahren mal gesagt: „Wenn ihr räumt, holen wir die Russen.“ Wir sind fest davon überzeugt, daß bei einer Räumung der Roten Flora ein munteres internationales Völchen (sic!) asu allen Ecken Europas für eine fulminante unvergessliche Erfahrung sorgen wird!
Wir erinnern mit unserer Aktion an Einige, die von Bullen ermordet wurden und so oft in Vergessenheit geraten:
An Olaf Ritzmann (Hamburg 1980), Günter Sare (Frankfurt/Main 1985), Conny Wessmann (Göttingen 1989), Halim Dener (Hannover 1994), Carlo Giuliani (Genua 2001), Oury Jalloh (Dessau 2004), Alexandros Grigoropoulos (Athen 2008), Dennis (Schönfließ, Silvester 2008), Tennessee Eisenberg (Regensburg 2009), ….
Freiheit für die Genoss-innen, denen in Griechenland die Mitgliedschaft in der „Verschwörung der Feuerkerne“ vorgeworfen wird!
Freiheit für Tobias aus Berlin!
KOUKOULOFORI
Santa Phu Bear schreibt
Es beginnt die staatlich angeordnete Hetz- und Lauerjagt auf die Koukoulofori mit raffinierten Methoden.
Von der staatsanwaltliche Bewertung des Anschlags der sog. „Vermummten“ zur Generalbundesanwältin Monika Harms und ihrer geheimen Implementatierung:
Quelle: Taz
(http://taz.de/1/nord/artikel/1/jagd-auf-die-vermummten/; 26.01.2010)
„Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte ein Ermittlungsverfahren gegen ’15 noch nicht identifizierte Täter‘ wegen des Verdachts des versuchten Totschlags, Brandstiftung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall eingeleitet. Dann hatte jedoch die Generalbundesanwältin Monika Harms den Fall an sich gezogen. ‚Aus der Übernahmebestätigung ist zu entnehmen, dass sich das Verfahren gegen eine noch nicht feststehende Anzahl unbekannter Personen wegen des Verdachts des versuchten Mordes und der versuchten besonders schweren Brandstiftung richtet‘, geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken-Innenpolitikerin Christiane Schneider hervor.“
Geheimliche Implementierungen zeigen sich in folgendem Abschnitt:
„Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (BAW) hat dem Staatsschutz des Hamburger Landeskriminalamts nach Ausweitung der Vorwürfe auf versuchten Mord umfassende Kompetenzen eingeräumt. Das hat die taz aus Polizeikreisen erfahren. ‚Den Ermittlern steht nahezu das gesamte Terrorismus-Fahndungsprogramm zur Verfügung‘, berichtet ein Insider. BAW-Sprecher Frank Wallenta möchte das nicht kommentieren. ‚Davon weiß ich nichts, und wenn ich was wüsste, würde ich dazu nichts sagen.'“