Wie vor zwei Wochen berichtet (s. „Waffenhändler Schünemann„, Beitrag v. 22.06.2009), hat das Innenministerium des Landes Niedersachsen, vertreten durch Herrn Innenminister Schünemann ca. 13.000 Waffen im Wert von 2,8 € verkauft. Nun wurde bekannt, dass der Verkauf alter Waffen auch in anderen Bundesländern eine gängige Praxis sei.
Das Land Nordrhein-Westfalen verkaufte jüngst 36.000 Pistolen zum Stückwert von 93 € mit der Auflage, die Waffen in die USA zu exportieren. Die Veräußerung erfolgte über die bundeseigene Verwertungsgesellschaft Vebeg. Der Prokurist der Vebeg, Volker Kunert, versicherte gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ), dass der Verkauf von Waffen nicht auf öffentlichen Auktionen erfolge, sondern die Waffen per Direkt-Mailing lizensierten Waffenhändlern und Waffenherstellern angeboten werde.
Süddeutsche Zeitung vom 27.06.2009
Monika Düker, die Innenexpertin der Grünen im Düsseldorfer Landtag, warnte in der SZ davor, dass die Waffen aufgrund des liberalen Waffengesetzes in den USA später in falsche Hände geraten könnten. Zudem fordert sie die Abrüstung in deutschen Haushalten, in denen sich ca 10.000.000 Waffen im legalen Besitz befinden.
Süddeutsche Zeitung v. 27.06.2009 und Pressemitteilung von Monika Düker v. 19.06.2009
Die Reaktion des amtierenden nordrhein-westfälischen CDU-Politikers Werner Lohn, dass mit dem Verkauf der Waffen und der Auflage, diese in die USA zu exportieren, die Waffen planmäßig außer Landes gebracht und damit keine zusätzliche Gefährdung seien, ist kurzsichtig. Zum einen stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie die Auflage des Exportes kontrolliert wird. Zum anderen verschiebt sich die Gefahren im Umgang mit Waffen durch den Export lediglich in ein anderes Land.
Problematisch sind der politische und kriminalpräventive Widerspruch von Herrn Schünemann und Herrn Lohn, die auch nach der Innenministerkonferenz vom 05.06.2009 an ihrer Entscheidung, Waffen zu verkaufen, festhalten. Auf der Innenministerkonferenz beschlossen beide Innenminister mit ihren Kollegen, die Verfügbarkeit von Schusswaffen zu begrenzen und den Schutz vor einer missbräuchlichen Verwendung zu erhöhen.
Beschlüsse der IMK v. 05.06.2009, Punkt 4, Beschluss 4
Ein paar Tage später verkaufte Schünemann weitere ehemalige Polizeiwaffen. Ob das in den Verkehr Bringen potentieller Tatwaffen den Schutz vor einer missbräuchlichen Verwendung erhöht, ist fraglich. Die Sicherheit, die besonders Herr Schünemann in Niedersachsen als ein sehr hohes Gut ansieht, was er gerne durch grundrechtseinschränkende Maßnahmen gewährleisten würde, wird von ihm beim Verkauf der alten Polizeiwaffen bedenkenlos zur Seite geschoben.
Er rechtfertigt sich mit dem Argument, dass ihm aufgrund der niedersächsischen Haushaltsordnung keine Wahl geblieben sei.
Die rechtliche Grundlage für einen Verkauf der Waffen findet sich in Paragraph 63 der niedersächsischen Haushaltsordnung.
(2) 1 Vermögensgegenstände dürfen nur mit Einwilligung des Landtages veräußert werden. 2 Die Einwilligung gilt allgemein als erteilt, wenn die Veräußerung des Vermögensgegenstands im Haushaltsplan vorgesehen ist, sowie für dingliche Belastungen. 3 In anderen Fällen gilt die Einwilligung allgemein als erteilt, sofern nicht der Vermögensgegenstand erheblichen Wert oder besondere Bedeutung hat.
(3) Vermögensgegenstände dürfen nur veräußert werden, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden.
Gegenstände, also auch Waffen dürfen gem § 63 Abs. 2, Abs. 3 Niedersächsische Haushaltsordnung veräußert werden. Die Rechtfertigung Schünemanns, ihm sei kein Handlungsspielraum beim Verkauf der Schusswaffen geblieben, ist falsch. Die Landeshaushaltsordnung räumte ihm eine Ermessensentscheidung ein („dürfen“ verkauft werden). Das ihm zustehende Entschließungsermessen, ob er verkauft oder nicht, hat er nicht ausgeübt und damit ermessensfehlerhaft gehandelt. Dieser Ermessensfehler ist für einen Innenminister, der als oberster Hüter von Recht und Ordnung in Niedersachsen mit den Gesetze, Verordnungen etc und rechtlichen Grundlagen bestens vertraut sein sollte, peinlich.
Die Frage, die er sich vor seinem Handeln hätte stellen müssen, wäre, ob die Einnahmen in den Landeshaushalt das Gut der Sicherheit der Bürger überwiegen.
Ich wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einnahmen weniger wiegen als die Sicherheit der Bürger.
Waffen dienen, außer bei Polizeibeamten/Soldaten/Jägern vor allem dem Privatvergnügen und damit der Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Gerade deswegen ist es sinnvoll und verhältnismäßig durch eine Reduzierung/ein Verbot von Waffen im Privatbesitz präventiv tätig zu werden, um durch eine Reduktion der Tatgelegenheit, Straftaten mit dem Einsatz von Schusswaffen zu reduzieren. Eine situative Prävention erscheint aufgrund der unterschiedlichen Gründe für Straftaten mit Schusswaffen (z.B. Beziehungstat, aber auch Banküberfall) am erfolgsversprechensten.
Dem Bürger vermittelt die situative Prävention das Gefühl, einem Kriminalitätsrisiko nicht ohnmächtig ausgeliefert zu sein. (dazu siehe Kunz „Kriminologie“, 4. Aufl, S. 207).
Bei den Einnahmen darf eine Gegenüberstellung der Kosten für die Bekämpfung und Verfolgung von Kriminalität mit Schusswaffen nicht vergessen werden.
Prävention und Sicherheitsgefühl – normalerweise Güter, die Herr Schünemann gerne schützt, außer, wenn es ums Geld geht?!
Frank schreibt
Ermessensausübung: Kriminalprävention vs. Staatseinnahmen
Hier geht es um einen Entscheidungskonflikt:
Werden die Waffen verkauft, erhöht sich die Gefahr von Gewalt; so die These. Das wäre wohl nicht so gut. Gewaltdelikte zu vermeiden, ist doch Aufgabe des Staates.
Werden die Waffen nicht verkauft, kommt keine zusätzliches Geld in die Landeskasse. Das ist nicht gut; gerade in Krisenzeiten. (… auch aufgrund dieses zitierten Gesetzes.)
Im obigen Beitrag kommt aus meiner Sicht die Abwägung beider Alternativen (dort in Gestalt einer rechtmäßigen Ermessensausübung) etwas zu kurz.
Im beschriebenem Fall sind die Vorteile recht einfach darzustellen. Nämlich: Es werden Einnahmen in Millionenhöhe erzielt.
Ein enormer Nachteil wäre die behauptete Zunahme von Gewalttaten durch die Veräußerung dieser Waffen.
Die Frage ist hier jedoch: Gibt es einen möglichen Zusammenhang zwischen Verkauf dieser Waffen und einer möglichen Erhöhung von Gewalttaten?
Contra-Argumente:
1. Diese Waffen werden legal verkauft. Dieser Markt wird durch das Waffengesetzt geregelt. Ob es sich um ausgediente Staatswaffen handelt, oder um andere, wird im Waffengesetz nicht unterschieden. Der Handel unterliegt den gleichen Bestimmungen. Für mögliche Täter ergeben sich also keinerlei Vorteile bei der Beschaffung von Waffen.
2. Auch dadurch, dass in Deutschland 97% aller Schusswaffendelikte mit illegalen Waffen begangen werden, kann ein kausaler Zusammenhang nicht annähernd begründet werden.
3. Des weiteren können Schusswaffen Hilfsmittel sein, um Gewaltdelikte auszuüben. Jedoch kann auch mit anderen und wesentlich leichter verfügbaren Hilfsmitteln (wie z.B. Messer, Autos, etc.) Gewalttaten ausgeübt werden.
4. Von einer Waffe an sich geht keine Gefahr aus. Die Gefahr geht von dem Nutzer der Waffe aus. Der Verkauf dieser Waffen würde an der persönlichen Gewaltbereitschaft bei den möglichen Tätern nichts ändern.
Die Verfasserin hat ein Pro-Argument geäußert: Eine begrenzte Verfügbarkeit von Waffen begrenzt auch deren missbräuchliche Verwendung.
Meine Meinung: Die Staatswaffen haben zahlenmäßig keine Bedeutung auf dem Markt. Es sind Millionen von Waffen in den Privathaushalten. Die paar Waffen machen den Kohl daher nicht fett.
Ich würde auch kritisch betrachten, was „Verfügbarkeit von Schusswaffen begrenzen“ überhaupt bedeutet. Meines Erachtens ist hierbei nicht die Angebotsseite beim legalen Waffenverkauf gemeint. Hierbei geht es offensichtlich darum, dass die rechtliche Möglichkeit, Waffen zu erwerben, zu besitzen und zu nutzen, begrenzt werden sollte, sowie dass die Verfolgung des illegalen Waffenhandels- und Besitzes stärker sanktioniert werden sollte. Es handelt sich m.E. daher um kein Argument zu Ungunsten des Waffenverkaufes.
Ein weiteres Argument der Verfasserin ist ein mögliches verringertes Sicherheitsgefühl von Bürgern bei fehlender situativer Prävention. Ich habe dargestellt, dass der Nicht-Verkauf aus meiner Sicht keine Prävention ist. Das Argument ist daher nicht ausschlaggebend.
Fazit: Es gibt meines Erachtens aus gewaltpräventiver Sicht kein ausschlaggebendes Argument gegen den Verkauf der ausgedienten Staatswaffen. Aus meiner Sicht ist daher die Ermessensentscheidung richtig vorgenommen wurden.
Detlev Beutner schreibt
Auf die Ausführungen „Frank“s im Einzelnen einzugehen, ist mir um diese Uhrzeit zu spät. Ich halte sie aber durchgehend für falsch, aus schlichten Gründen der Logik, nicht notwendig aus Überzeugung.
Nur auf die zentrale Frage – Ermessen richtig ausgeübt? – will ich kurz eingehen, weil sie so schön plastisch macht, dass Frank sehr grundlegende und einfache Fragen nicht einmal versteht:
Was
Detlev Beutner schreibt
[aus Versehen „Abschicken“ gedrückt]
… Was Susanne gesagt hat, war, dass die Aussage getroffen worden ist, man habe keine Wahl gehabt und sei quasi gesetzlich verpflichtet gewesen zu verkaufen. Und diese Aussage – ernst genommen – heißt nichts anderes, als dass Schünemann nicht weiß, dass er Ermessen hatte. Tja, und das ist ebenso peinlich, wie darauf zu antworten, dass es ja gute Gründe für den Verkauf gäbe, so dass also Schünemann „die Ermessunsentscheidung richtig vorgenommen hat“.
Da bleibt zu antworten: Er hat /gar keine/ Ermessensentscheidung vorgenommen! Soviel dazu, Frank Schünemann 😉
Frank schreibt
Es geht aus dem Beitrag nicht hervor, ob eine Ermessensentscheidung vorgenommen wurde. Das ist richtig.
Jedoch; daraus abzuleiten, dass keine Abwägung vorgenommen wurde, ist m.E. eine provokante Unterstellung.
Herr Schünemann kann auch aufgrund einer rechtmäßig vorgenommen Ermessensentscheidung zum Entschluss gekommen sein, dass ein Handlungsspielraum für ihn hier nicht bestand. Also würde dann kein Ermessensfehler vorliegen…
Oder gibt es anderslautende Mitteilungen?
Ehrlich: Ich habe mir auch noch keine abschließende Meinung zum Thema bilden können. Vielleicht gibt es doch Argumente, die einen Verkauf nicht rechtfertigen würden.
Susanne schreibt
Zur Streitschlichtung 🙂 hinsichtlich der Ermessensentscheidung: Herr Schünemann hat in einem Fernsehinterview gesagt, er habe keinen Ermessensspielraum gehabt und musste die Waffen verkaufen. Seine offiziell geäußerte Rechtfertigung wäre damit aufgrund Ermessensnichtgebrauchs ermessensfehlerhaft.
Unabhängig davon halte ich eine Diskussion über den Verkauf ehemaliger Polizeiwaffen für interessant und wichtig. Denn es wird sicherlich nicht der letzte Verkauf von Waffen gewesen sein.
Die These, der Verkauf der ehemaligen Polizeiwaffen erhöhe die Zunahme von Gewalttaten habe ich nicht aufgestellt und gehe auch nicht davon aus, dass in Zukunft gerade mit ehemaligen Polizeiwaffen vermehrt Straftaten begangen werden.
zu Argument 1: Auch der grundsätzlich legale Verkauf wurde/wird vom mir nicht bestritten. Trotzdem bleibt die Frage, ob ein Staat, der seine Bürger vor abtrakten Gefahren schützen möchte (was in diversen Äußerungen im Zuge der Diskussionen um eine Verschärfung des Waffenrechts nach dem Amoklauf von Winnenden bekräftigt wurde), moralische Frage übergehen darf. Nicht jede rechtlich mögliche Handlung ist ethisch geboten.
zu Argument 2: hast Du dafür, dass 97% der Taten, an denen Schusswaffen beteiligt waren, illegale Waffen waren, eine Quelle? Ich habe da nicht geforscht, aber in Erinnerung mal einen Artikel gelesen zu haben, wo das Verhältnis 10 % illegale und 90 % legale Waffen waren.
zu Argument 3: im Vergleich zu anderen „Waffen“ halte ich Schusswaffen für gefährlicher, da man mit ihnen in kurzer Zeit eine große Anzahl von Menschen töten kann. Eine Tat wie die letzte Amoktat wäre mit einem Messer nicht denkbar. Eine Vergleichbarkeit von Schusswaffen und anderen Waffen (Messer, Autos, Stöcke) halte ich für ausgeschlossen. Im Gegensatz zu Schusswaffen im Privatbesitz, die, außer einem Hobby des Waffenbesitzers zu dienen, keinerlei Funktion haben, sind Messer und Autos funktionsmäßig Gegenstände des alltäglichen Lebens.
zu Argument 4: Ja (siehe mein Artikel v. 22.06.09).
Zur Begrenzung der Verfügbarkeit von Waffen: eine Möglichkeit, die Verfügbarkeit von Schusswaffen zu beschränken, ist , sie einfach nicht mehr zu verkaufen. Es ist doch widersprüchlich, auf der einen Seite die Begrenzung zu fordern, auf der anderen Seite aber selber Waffen auf den Markt zu bringen.
Situative Prävention bedeutet, Tatgelegenheiten zu vermeiden. Überspitzt: gibt es keine Schusswaffen, dann gibt es auch keine Schusswaffenopfer mehr. Den Ansatz der situativen Prävention halte ich bei der Waffen-Frage für den sinnvollsten Ansatz, da es für die unterschiedliche Delikte verschiedene Erklärungsmöglichkeiten gibt. Aber in dem Punkt werden wir uns nicht einig :-).