Im Zentrum des sechsten Teils des Kriminalpolitischen Parteien-Checks zur Bundestagswahl 2021 steht das Wahlprogramm von Die Linke: Zeit zu handeln! Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit. Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021
Wahlprogramm Die LINKE – kriminologisch bedeutsame Aspekte
Die Partei Die Linke will sich (traditionsgemäß) vor allem für „Gerechtigkeit und Geborgenheit“ einsetzen. Auch diese Partei knüpft an die Corona-Pandemie an:
„Die Coronakrise hat die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus deutlich zutage treten lassen: während die einen um ihren Arbeitsplatz, die Bildung ihrer Kinder und die Gesundheit bangen mussten, steigerten große Konzerne ihre Gewinne. Wir finden uns nicht mit diesen Verhältnissen ab und sind bereit, uns mit den Profiteur*innen anzulegen.“ (S. 7)
Der Koalitionsregierung wirft die Partei entsprechend vor, nur den Großkonzernen geholfen sowie die Wirtschaft über die Gesundheit gestellt zu haben, während viele durch die Maschen gefallen seien. (S. 8)
Aber auch der Klimawandel wird thematisiert und als Aufgabe beschrieben. (S. 7)
Die Linke will z.B. bessere Bezahlung z.B. im Gesundheitssektor sowie höhere Renten am unteren Ende der Skala; Hartz IV soll zugunsten einer Grundsicherung abgeschafft werden. (S. 10)
Schließlich betont die Linke ihre „antifaschistische“ Grundhaltung und fordert ein Demokratiefördergesetz (das zwar vorliegt, aber noch nicht erlassen worden ist wegen Unstimmigkeiten im Detail):
„Wir stellen uns allen Formen der Menschenfeindlichkeit entgegen und verteidigen die Demokratie – auf der Straße, im Alltag, im Parlament. Wir wollen die Kräfte in der Zivilgesellschaft mit einem Demokratiefördergesetz stärken, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Neonazis engagieren.“ (S. 13)
Rechtsextremismus
Der Abschnitt, der sich mit kriminologischen Themen im engeren Sinne beschäftigt, ist mit „Die Demokratie stärken“ überschrieben.
Wie erwartbar, steht hier zunächst der Rechtsextremismus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
Die Partei postuliert: „Die extreme Rechte hat die Schwelle zum Terror längst überschritten“ und verweist dabei auf die Attentate von Kassel, Halle und Hanau. Rechte Gruppierungen würden zudem die Corona-Pandemie benützen, um antisemitische Verschwörungstheorien zu lancieren oder zu verbreiten. (S. 117)
In diesem Zusammenhang wird auch der Verfassungsschutz kritisiert (den Die Linke im Übrigen abschaffen will):
„Weil die Verfassungsschutzbehörde dem Schutz von Informanten*innen Vorrang einräumt, behindert sie immer wieder polizeiliche Ermittlungen und juristische Aufklärung – und baut extrem rechte Strukturen sogar mit auf. Aufklärung und Widerstand gegen rechts wird von anderen geleistet: Meist sind es ehrenamtlich organisierte Projekte der Zivilgesellschaft und Antifa-Initiativen, die Aufklärungsarbeit betreiben, Solidarität praktisch erlebbar machen und dahin gehen, wo es weh tut.“
Diese Initiativen würden zu Unrecht diffamiert und als „Linksextremisten“ abqualifiziert. Extremismus wird hier also als ausschließlich „rechtes“ Problem gehandhabt; Gewalt von linksgerichteten Gruppen ist dagegen Anathema.
Der von der Bielefelder Gewaltforschung eingeführte Begriff der (gruppenbezogenen) „Menschenfeindlichkeit“ ist dabei zum Standardwortschatz linker Politik geworden:
„Wir stellen uns gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit, egal ob vom rechten Rand oder aus der vermeintlich seriösen Mitte der Gesellschaft. Ziviler Ungehorsam gehört zum demokratischen Protest und darf nicht kriminalisiert werden. Die Große Koalition hat mit ihrer Politik den Nährboden bereitet, auf dem Rassismus und Ideologien der Ausgrenzung gedeihen. Der Aufstieg und die Radikalisierung der AfD sind Ergebnis dieser verfehlten Politik sowie der erfolgreichen rassistischen Umdeutung der Ursachen der sozialen Spaltung.“ (S. 117)
„Die Zustimmung zu rechter Politik baut auf Rassismus und der Erfahrung auf, dass Interessen nur gegen andere durchgesetzt werden können. Dass die Regierung den rechten Forderungen bei Flucht und Asylrecht nachgegeben hat, hat die extreme Rechte stärker gemacht, nicht schwächer. Die Spaltung der Gesellschaft stärkt zudem religiöse Fundamentalisten.“ (S. 118)
Rechtsextremismus
Das geforderte Demokratiefördergesetz soll ausschließlich dem Kampf gegen Rechtsextremismus dienen:
„Protest und Aufklärung gegen rechts sind eine Bedingung von Demokratie und dürfen nicht mehr kriminalisiert werden. Projekte der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, Opferberatungen und zivilgesellschaftliche Demokratiebündnisse sowie Antifa-Initiativen müssen mit einem echten Demokratiefördergesetz stärker und langfristig finanziell unterstützt werden.“
Es dürfe dabei „kein strukturelles Misstrauen und keinen Kooperationszwang mit Polizei und Inlandsgeheimdienst geben“. (117-118)
Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden
Der Verfassungsschutz abgeschafft und „durch eine unabhängige Beobachtungsstelle“ ersetzt werden:
„Die Verfassungsschutzbehörde ist ein Inlandsgeheimdienst. Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Er muss durch eine unabhängige »Beobachtungsstelle Autoritarismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« ersetzt werden. Sie soll Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus, religiösen Fundamentalismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beobachten und darüber aufklären“. (S. 118)
Weiterhin fordert Die Linke „eine wissenschaftliche Untersuchung extrem rechter Einstellungen und rassistischer Praktiken bei Polizei und Bundeswehr. Gegen Rassismus und Korpsgeist bei der Polizei sind eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle auf Bundesebene, eine Kennzeichnungspflicht, eine Überarbeitung der Ausbildung sowie Rotationsmodelle für geschlossene Einheiten nötig. Rassistische, antisemitische, homo- und transfeindliche, sowie sexistische Ansichten müssen auch in den Behörden aktiv bekämpft werden“.
Gefordert wird vor allem die „Entwaffnung der extremen Rechten und Ermittlungsschwerpunkte für rechten Terror!“ (S. 118)
Des Weiteren fordert Die Linke einen Untersuchungsausschuss zum „Rechtsterrorismus“: „Wir fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus, um die Aufklärung fortzusetzen und die lange Geschichte rechtsterroristischer Strukturen in der Bundesrepublik sowie die Verantwortung staatlicher Stellen aufzuarbeiten. Alle NSU-Akten müssen endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“
Kriminalität
Die Linke kritisiert die Sicherheitspolitik der Bundesregierung, die sozial ungerecht sei: „Wir wollen deshalb einen Politikwechsel – weg von der einseitigen Fokussierung auf repressive Maßnahmen und Symbolpolitik hin zum umfassenden Ansatz einer demokratischen Sicherheitspolitik, die Grundrechte schützt, Prävention stärkt, soziale Sicherheiten ausbaut, in das Öffentliche investiert und die Sicherheitsbehörden demokratisiert. Staatliche Gewalt wollen wir als Mittel zur Konfliktlösung langfristig zurückdrängen und durch zivilgesellschaftliche Prävention und Kooperation ersetzen.“ (S. 119)
Dagegen setzt sich die Linke für einen besseren Datenschutz ein, insbesondere im Hinblick auf Videoüberwachung und Überwachung des Email-Verkehrs.
Fazit
Die Linke setzt damit erwartbar auf die Themen soziale Umverteilung und Kampf gegen Rechts. Sie nimmt jedoch auch andere Themen wie den Klimaschutz in ihr Programm auf. Letztlich handelt es sich auch hier um Klientelpolitik.
buur schreibt
Also das Fazit lässt mich hier mit einem riesigen Fragezeichen zurück. Vor allem der letzte Satz. Letztlich ist doch alles Klientelpolitik, aber wo ist die Einschätzung?
Ist das Programm jetzt gut für den Durchschnittsbürger oder nicht? Ist das jetzt rechtstaatlich ok oder nicht?
Klimaschutz Klientelpolitik? Das betrifft wirklich alle!
Sorry, das Fazit liest sich so als hätte jemand mit ner Knarre hinter dem Autor gestanden der dafür sorgt das auf jeden Fall etwas negatives gesagt wird.
Andreas schreibt
Ja, ich gebe zu, der Klimaschutz passt da nicht so ganz hinein, ist natürlich ein Thema, das gerade – mit Recht – en vogue ist. Dass der Klimaschutz verbal hervorgehoben wird, heißt natürlich noch nicht, dass das Thema wirklich effizient (nicht nur symbolisch) angegangen werden soll. Mit Klientelpolitik meine ich die Umverteilung von oben nach unten wie auch den Kampf gegen Rechtsextremismus (der Extremismusbegriff ist dort allerdings verpönt). Beides macht natürlich Sinn, ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Aber beides ist gleichsam auch identitätsrelevant für die Linke und ihre Anhänger, und es ist dabei nicht leicht zu erkennen, wo es sich um bloße Formeln für die eigene Klientel handelt, und wo – mehr oder weniger nüchtern und unaufgeregt – auf reale Probleme eingegangen werden soll. Z.B. kann man den Verfassungsschutz natürlich kritisieren, sollte dann aber auch die bestehenden Probleme mit der Informationsbeschaffung anerkennen, wenn man sich als Partei für die Regierungsverantwortung empfehlen und nicht nur populistisch agieren will. Die Linke will zudem den Verfassungsschutz durch eine eigene ideologisch linksorientierte Einrichtung ersetzen, was in den Konsequenzen demokratisch höchst bedenklich ist. Früher galten die entsprechenden Einrichtungen als auf dem rechten Auge blind. Eine bloße Umkehrung würde das aber nicht besser machen.