Im Zentrum des vierten Teils des Kriminalpolitischen Parteien-Checks zur Bundestagswahl 2021 steht das Wahlprogramm der AfD: Deutschland. Aber normal. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag
Wahlprogramm AfD – kriminologisch bedeutsame Aspekte
Das Wahlprogramm der AfD steht unter dem Motto „Deutschland. Aber normal“. Die Partei positioniert sich darin vor allem durch Kritik an den Entscheidungsträgern in Bund und Ländern, namentlich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie:
„Die Regierungspolitiker in Bund und Ländern haben mit ihrer Flüchtlings-, Europa- und Corona-Politik die Prinzipien der deutschen Staatlichkeit, des Rechts und der Verfassung vielfach verletzt.
Zugleich haben sich die Volksvertreter der etablierten Parteien den grundgesetzlich garantierten Parlamentsvorbehalt für alle wichtigen Entscheidungen im Staat ohne Widerstand nehmen lassen.“ (S. 12)
Darüber hinaus übt sie jedoch vor allem eine Fundamentalkritik, wie sie auch in demokratiekritischen bzw. -feindlichen sowie verschwörungsgläubigen Milieus anschlussfähig ist:
„In unserem Land hat sich (…) eine politische Klasse herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt. Diese setzt die soziale und kulturelle Zukunft unseres Volkes, die Stärke unserer Wirtschaft und damit unseres Wohlstandes aufs Spiel und stellt Multikulturalität, Diversität, Globalisierung und vermeintliche Gendergerechtigkeit über alles.“ (ebd.)
Die AfD plädiert dagegen für eine „unmittelbare Demokratie“, die nötig sei, „um dem autoritären und teilweise totalitären Gebaren der Regierungspolitiker Einhalt zu gebieten“. Dazu fordert sie „Volksentscheide nach Schweizer Modell“. (S. 12-13) Sie setzt sich weiterhin unter anderem für eine „Entpolitisierung“ von Justiz und Verfassungsschutz ein und will den Lobbyismus eindämmen. (S. 15-19)
Die AfD macht sich des Weiteren für „Freiheit und Verantwortung“ stark. In diesem Zusammenhang heißt es: „Gängelung und Indoktrination durch Staat oder gesellschaftliche Gruppen lehnen wir ab.“ Insbesondere lehnt die AfD Quotenregelungen ab. (S. 22)
Innere Sicherheit
Das Programm der AfD beschäftigt sich in einem Kapitel mit der „Innere(n) Sicherheit“, das folgende Schwerpunkte ausweist:
- Linke Gewalt entschieden bekämpfen
- Wirksame Bekämpfung der Ausländerkriminalität
- Vollstreckung im Ausland
- Jugendstrafrecht
- Bundespolizei stärken – Grenzschutz ist nationale Aufgabe Reform der Polizei
- Fahndungsmöglichkeiten verbessern
- Organisierte Kriminalität bekämpfen
- Sicherheit der Bürger verbessern
- Strafjustiz verbessern
„Linksextremismus“
In einem Eingangsstatement heißt es:
“Der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche war der vorläufige Tiefpunkt einer ganzen Serie von Ereignissen, die zeigen, dass es um unsere Sicherheit schlecht bestellt ist. ”
Gemeint ist der Anschlag, den der islamistische Terrorist Anis Amri am 19. Dezember 2016 mittels eines geraubten Sattelzugs (den Fahrer hatte er erschossen) auf dem Berliner Breitscheidplatz verübte und dabei 12 Menschen tötete.
Die späteren rechtsextrem konnotierten Anschläge – das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (der sich für Flüchtlinge eingesetzt hatte) am 2. Juni 2019, der versuchte Massenmord in einer Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019, bei dem zwei Zufallsopfer starben sowie der Mord an 10 Menschen am 19. Februar 2020 in Hanau finden dagegen keine Erwähnung, werden demnach nicht als sicherheitsrelevant betrachtet.
Folgerichtig sieht die AfD nur ein Problem des Linksextremismus. Sie will daher veranlassen, dass „[g]ewalttätige und -unterstützende linksextremistische und autonome Gruppen, die der sogenannten Antifa zuzuordnen sind, […] als terroristische Vereinigung einzustufen“ sind. (S. 76)
Sie setzt sich für eine „Extremismusklausel“ ein, die in der Lesart der AfD jedoch einseitig den Linksextremismus betrifft, oder vielmehr das, was sie darunter versteht: „Die Gewährung staatlicher Fördergelder muss wieder an eine Verpflichtungserklärung gekoppelt werden, keine extremistischen [sprich: linksextremistischen] Strukturen zu unterstützen.” (S. 76)
„Ausländerkriminalität“
Zweiter wichtiger Topos der AfD ist die „Ausländerkriminalität“. In dieser Hinsicht will sie
- die Ausweisung der betreffenden Menschen erleichtern, und zwar schon bei geringfügiger Kriminalität (u.a. durch Strafgerichte),
- sich für eine Auslandsunterbringung „nicht abgeschobener Krimineller“ sowie die
- Inhaftierung von „Gefährdern“ bzw. „Terroristen“ ohne vorliegende Straftat
einsetzen. Darüber hinaus soll die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch Geburt in Deutschland erworben werden können. (S. 77)
Jugendstrafrecht
Die AfD geht von einer dramatischen Verschärfung der Sicherheitslage in Ballungsgebieten aus. Daran knüpft sie die Forderung nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts. Den jungen Tätern stehe „geradezu zahnloses Recht“ gegenüber. Daher seien
- Täter schwerer Delikte sofort zu inhaftieren und
- das Strafmündigkeitsalter auf 12 Jahre zu senken sowie
- mit Volljährigkeit generell Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. (S. 78)
Weitere Themen
Darüber hinaus will die AfD die Bundespolizei und den Grenzschutz ausbauen, vor allem hinsichtlich „ungeregelter Migration, grenzüberschreitender Kriminalität und Terrorismus“. Insbesondere fordert sie den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware (S. 78-79) Weiterhin fordert die AfD eine bessere Ausrüstung und Besoldung der Polizei. (S. 79)
Die Personenfahndung soll zudem stärker technisiert werden. Dazu „sollen die Polizeibehörden an kriminalitätsneuralgischen Plätzen und Gebäuden eine Videoüberwachung mit Gesichtserkennungssoftware einsetzen können. Bei der Fahndung nach unbekannten Tätern soll es erlaubt werden, vorhandenes DNS-Spurenmaterial auch auf biogeografische Merkmale der gesuchten Person untersuchen zu lassen, um zielgerichtete Fahndungsmaßnahmen zu ermöglichen.“
Der organisierten Kriminalität soll insbesondere durch Austrocknung der Geldkanäle bzw. der Unterbindung von Geldwäsche sowie Ausweisung begegnet werden. (S. 80)
Die AfD wendet sich gegen eine „Verschärfung des Waffenrechts“: „Statt Legalwaffenbesitzer zu kriminalisieren, ist dem illegalen Waffenbesitz und -handel ein Riegel vorzuschieben.“ (S. 81)
Die Strafjustiz soll reformiert werden, insbesondere durch Verfahrensbeschleunigung; „Messerdelikte“ sollen darüber hinaus härter bestraft werden. (ebd.)
Islam
Dem Islam ist ein besonderes Kapitel gewidmet. Die AfD will gegen „Parallelgesellschaften“ und den „Machtanspruch großer Familienclans“ vorgehen. Die Finanzierung von Moscheen durch „islamische Staaten“ soll gesetzlich verboten werden wie auch „[i]slamische Vereine, die sich gegen das Grundgesetz und die Völkerverständigung richten“. (S. 85) Imame sollen in deutscher Sprache predigen und einen entsprechenden Sprachnachweis erbringen (S. 85-86)
Fazit
Die AfD profiliert sich weiter als Partei im politisch rechten Spektrum und setzt trotz ihrer Betonung der Freiheit vor allem auf Sicherheit, jedoch nur hinsichtlich bestimmter Bevölkerungsteile. Sie sieht die Gefahr des Extremismus ausschließlich bei der politischen Linken und verschreibt sich der Klientelpolitik bzw. den angenommenen Interessen des aus ihrer Sicht „normalen Deutschen“.