Seit März ist nun klar: Der DOSB schickt Hamburg als deutschen Olympiakandidaten ins Rennen. Allerdings muss vorher noch die durchaus hohe Hürde eines Volksentscheids genommen werden. Schon seit Monaten läuft in Hamburg eine Werbekampagne der Olympiaunterstützer. Kritische Fragen kamen bisher nur von (N)Olympia und der Linken. Dies scheint sich nun zu ändern. Das Anti-Olympische-Komitee ruft zu einer offenen Plattform auf, an der man sich beteiligen darf, wenn man kritische Fragen an die Hamburger Olympia-Bewerbung hat und man an `Etwas Besseres als Olympia!´ für Hamburg glaubt. Die Veranstalter machen deutlich, dass es keine Infoveranstaltung, sondern ein Planungstreffen für eine Kampagne gegen die Hamburger Olympiabewerbung ist. Wer sich also für diese Seite engagieren möchte, sollte dort vorbeischauen. Denn es geht sicher auch darum, wie wir gemeinsam unsere Stadt gestalten wollen. AktivistInnen aus erfolgreichen Aktionsbündnissen wie `Ein Recht auf Stadt´ haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.
Was ist aber kriminologisch am Thema Olympia? Die Sozialwissenschaftlern Bennett und Haggerty sagen: „security has become an integrated part of the Olympic ritual“.
Wenn wir uns als Kriminologen also mit Themen wie Sicherheit, Polizei, Datenschutz, Überwachung und Terrorismus beschäftigen, kommen wir an den globalen Sicherheitsmodellen von Sportgroßereignissen wie den Olympischen Spielen oder einer Fußball WM nicht vorbei. Seit München 1972, Atlanta 1996 und vor allem seit den Anschlägen in New York am 11. September 2001, gibt es einen Standardisierungsprozess von Sicherheitsmaßnahmen rund um die Olympischen Spiele. Sicherheit bei Sportgroßveranstaltungen ist eingebettet in schon vorher existierende Sicherheitspolitik und beschleunigt und verschärft diese. Beispielsweise sind der in Hamburg oft kritisierte Generalverdacht oder auch die Gefahrengebiete fester Bestandteil von Sicherheitsmaßnahmen bei Olympischen Spielen.
In Brasilien ging die Ausrichtung der WM letztes Jahr auf Kosten der sozial Schwächeren. In der Vorbereitung der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro hat es massive Vertreibungen von Familien gegeben und sehr fragwürdige Infrastrukturprojekte und Sicherheitspolitiken. Es wurden 660 Millionen Euro in die Sicherheitsarchitektur der WM investiert mit der Behauptung, dadurch die Innere Sicherheit des Landes deutlich zu verbessern. In Rio de Janeiro tobt die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Drogenhandel und der Polizei aber nach wie vor. Am Donnerstag vor Ostern ist in einer Favela ein zehnjähriges Kind bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen und zuvor eine Mutter die ihrer angeschossenen sechzehnjährigen Tochter zu Hilfe eilen wollte.
Auch besonders in London wurden Jugendgruppen vor und während der Olympischen Spiele gezielt von der Polizei kontrolliert und vom Olympiapark ferngehalten. Somit fanden zwar die Olympischen Spiele wie angekündigt im armen Stadtviertel Newham im Ostteil Londons statt, waren aber nicht für die Menschen aus Newham. An der Ausrichtung Olympischer Spiele spiegeln sich außerdem typisch kriminologische Fragen wie das Machtverhältnis zwischen polizeilichen Behörden und den BürgernInnen oder zwischen Regierenden und Regierten.
Als kritische KriminologInnen und als `cultural criminologists´, ist es meiner Meinung nach unsere Aufgabe, den Bewerbungsprozess und die Konsequenzen der Olympia-Bewerbung Hamburgs kritisch zu begleiten und kritische Fragen zu stellen, um soziale Fakten nicht im Taumel von Emotionen verschütt gehen zu lassen.
Hier der Aufruf der „Etwas Besseres als Olympia“ Kampagne:
* Das Anti-Olympische Komitee: Etwas Besseres als Olympia *
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Wir laden ein zur 1. Offenen Plattform gegen Olympische Spiele in Hamburg.
Lasst uns gemeinsam überlegen, wie wir die Bewerbung Hamburgs verhindern können.
Samstag, 11. April 2015, 13:00 Uhr im Centro Sociale, Sternstraße 2, Hamburg
www.etwasbesseresalsolympia.org
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Seit Mitte März ist klar, dass Hamburg sich als Austragungsort für die olympischen Spiele bewerben will. Im Herbst soll es dazu ein Referendum geben. Derzeit wird in der Bürgerschaft den rechtlichen Grundlagen dafür gebastelt, was anscheinend nicht ganz reibungslos verläuft [1]. Gleichzeitig werden hinter den verschlossenen Türen der Handelskammer und der Innenbehörde die Durchführungskosten kalkuliert und damit die Planung weiter vorangetrieben.
Wir sind aus verschiedenen Gründen der Überzeugung, dass eine Bewerbung für Hamburg äußerst schlecht wäre: Es müsste sehr sehr viel Geld für eine dreiwöchige Party ausgegeben werden (wir schätzen über 10 Milliarden Euro), von der ein paar Spitzensportler_innen vielleicht sehr viel, die allermeisten anderen Menschen aber nur sehr wenig haben werden; das IOC würde bis zum Abschluss der Spiele in Hamburg mitregieren; Stadtplanung und praktisch alles andere städtische Handeln würde durch diesen teuren Spaß einen Turbogang einlegen, der mit einer Verstärkung sozialer Missstände, steigender Mieten, Privatisierung städtischen Eigentums und öffentlichen Raums und vieler anderer Problemfelder Hamburgs einher gehen wird. Eine nervige, sportnationale Dauerbewerbung würde bis zur Eröffnung der Spiele versuchen, alle Anzeichen dieser Auswirkungen und erst recht Kritik und Proteste zu übertönen.
Es ist daher unser Vorschlag, eine Gegenkampagne zu starten, die mit Blick auf das Referendum im Herbst über diese Nachteile informiert und unsere Olympia-kritischen Position der offiziellen Werbekampagne entgegen setzt.
Am 11. April laden wir daher alle Olympia-Kritiker_innen ein, gemeinsam diese Gegenkampagne zu planen.
Wir haben dazu ein paar erste Ideen, vor allem aber sind wir offen für Vorschläge und euer Engagement. Wir stellen uns den Nachmittag daher als offenen Raum vor, in der wir nach kurzen Inputs zu den wichtigsten Kritikpunkten in offenen Arbeitsgruppen gemeinsam überlegen, wie wir aktiv werden können, wie die Schwerpunkte und Methoden aussehen könnten, wer/welche sich daran beteiligen können und welche Ressourcen wir benötigen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr zur Plattform kommt und euch beteiligt, um Hamburg von seinem olympischen Fieber zu befreien!
Meldet euch gerne, wenn ihr vorab Fragen, Vorschläge oder Beiträge zu diesem Termin habt! Trag euch in unseren Newsletter ein oder folgt uns bei Twitter [2]. Leitet diese Einladung gerne an Freund_innen und Aktivist_innen weiter.
Viele Grüße, das Anti-Olympische Komitee
PS Zum Schluss drei Anmerkungen:
Entsprechend der Ausrichtung als offene Plattform für Olympia-Kritiker_innen kann diese Veranstaltung allein aus Platz- und Zeitgründen keine Informationsveranstaltung zur Bewerbung Hamburgs, der Zeitplanung und den möglichen Konsequenzen sein. Hierfür wird es in der Nachfolge sicherlich viele Möglichkeiten geben. Einen guten Überblick über den aktuellen Stand bietet schon jetzt die fortlaufende Berichterstattung auf http://nolympia-hamburg.de/
Die Plattform will keine Bühne für Befürworter_innen oder für parteipolitische Interessen bieten. Pro-olympische Sport-Funktionäre und Politiker_innen in ihren Parteifunktionen sind daher explizit nicht eingeladen!
Auch die Presse möchten wir bitten, den Arbeitscharakter der Plattform zu respektieren und spätere, offizielle Termine zu nutzen, um sich zu informieren. Es wird in der Folgezeit genügend Möglichkeiten geben für Informationsveranstaltungen, Debatten oder Presseveröffentlichungen über unsere Arbeit. Für Anfragen zu diesen Aspekten stehen wir ab dem 11.4 unter presse@etwasbesseresalsolympia.org zur Verfügung.
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[1] „Die Sache mit dem Volk – LEX Olympia – Bürgerschaft brütet Referendum aus – der Fahrplan so far.“
http://nolympia-hamburg.de/die-sache-mit-dem-volk-lex-olympia-buergerschaft-bruetet-referendum-aus-der-fahrplan-so-far/ [2] https://listen.jpberlin.de/mailman/listinfo/etwasbesseresalsolympia
https://twitter.com/etwas_besseres