Brasilien fördert die Bildung und Lektüre im Knast. Für drei Tage (à 4 Stunden) Lernen gibt es einen Tag Haft weniger. Für jedes gelesene und schriftlich kommentierte Buch gibt es 4 Tage Haft weniger. Maximal macht das – bei einer Höchstzahl von 12 Büchern, die pro Jahr auf diese Weise angerechnet werden – 48 Tage weniger Haft. Vorreiter dieser Politik ist der Bundesstaat Paraná im Süden des Landes mit seiner energischen Reformerin, der Justizministerin Maria Tereza Uille Gomez.
Anders in England, wo der nicht weniger energische Justizminister Chris Grayling mit einem Dekret vom November 2013 eine – allerdings konservative – „Revolution“ der Haftbedingungen anstrebt in Richtung auf ein „regime that is more spartan unless you do the right thing“. So sollen Gefangene grundsätzlich keine Pakete und damit auch keine Bücher- und Zeitschriftensendungen mehr erhalten dürfen. Das vereinfacht erstens den Kampf gegen Drogen usw. und zweitens zeigt es den Gefangenen, dass sie etwas tun müssen, wenn sie Privilegien wie z.B. Lektüre von Büchern genießen möchten. Über Ausnahmen bei gutem Betragen etc. entscheidet die Anstaltsleitung.
Gegen das „unaussprechlich deprimierende Signal“, das von der britischen Regelung ausgeht, haben Julian Barnes, Nick Hornby, der Bestsellerautor und ehemaligen Sträfling Jeffrey Archer und mehrere Dutzend weiterer namhafter Schriftsteller protestiert. Eine Petition zählt inzwischen über 17000 Unterschriften. Doch noch bleibt Chris Grayling cool: die Gefangenen seien in ihren Lektürerechten nicht beschnitten, erklärte er gelassen. Sie hätten doch die Anstaltsbibliotheken, das Recht auf 12 Bücher auf ihren Zellen und die Möglichkeit, sich von ihrem Arbeitsentgelt Bücher zu kaufen. Letzteres, so die Kritiker, würde aber bedeuten, dass die Gefangenen von den rund 11 Pfund, die sie in der Woche verdienen (können), Geld übrig behielten. Also etwa kein Deo mehr kauften, oder auf das TV-Gerät verzichteten (für das sie Miete bezahlen müssen). Aber ein Anreiz zur Lektüre ist das alles nicht gerade. Und man fragt sich, warum Gefangenen nicht das Recht zugestanden wird, per Kindle sich die Welt der Literatur auf die Zelle zu holen. Noch steht es jedenfalls 1:0 für Brasilien in diesem Wettbewerb. Aber vielleicht kommt die brasilianische Regelung der Haftzeitverkürzung durch Lektüre ja bald nach Großbritannien – dann könnte England noch vor Beginn der WM den Ausgleichstreffer erzielen.