Mit Schnürsenkeln, Betttüchern, Medikamenten oder Feuer – auf jede erdenkliche Art haben sich in diesem Jahr [2008] in Frankreich bereits 93 Gefängnisinsassen das Leben genommen, darunter zwei 16jährige. Zahlreiche weitere Gefangene haben es versucht. Hinter Gittern ist das Suizidrisiko sieben Mal höher als in der Freiheit. Nach Angaben der Organisation „Ban publique“, ist die Selbsttötungsrate in den ersten zehn Monaten diesen Jahres um 18 Prozent gestiegen. Politiker der oppositionellen Sozialisten verlangen bereits ein Eingreifen des Staatspräsidenten: Nicolas Sarkozy, der mit dem Slogan „Null Toleranz“ hartes Durchgreifen gegen Strafffällige versprach und der schon in seinem ersten Amtsjahr pauschale „Mindeststrafsätze“ für Wiederholungstäter eingeführt hat, möge sich zum Schutz der Gefangenen einschalten. [Quelle: taz]
Frankreich hat im europaweiten Vergleich die höchste Selbstmordrate von Menschen in Haft. Bereits 2007 kritisierte das Anti-Folter-Komitee des Europarats die miserablen Bedingungen, insbesondere die unmenschliche Behandlung psychisch kranker Insassen, in französischen Haftanstalten. Aus fragwürdigen hygienischen Verhältnissen und Überbelegung (64 000 statt 52 000 Häftlingen) resultieren verbale und zunehmend auch physische Attacken gegen die Wärter. [Quelle: Der Tagesspiegel]
Um diesen verheerenden Zuständen entgegenzutreten und bessere Arbeitsbedingungen zu erwirken, gehen französische Wärter auf die Straßen, blockieren vielerorts die Haftanstalten mit der Forderung nach mehr Personal und Mittel für die Gefängnisse und bringen sogar Gefangenentransporte zum Erliegen. [Quelle: taz] Da Gefängniswärter kein Recht auf Streik haben, bringen sie ihre Proteste in der Freizeit zum Ausdruck. Gegen die teilweise gewalttätigen Protestaktionen der Aufseher greifen französische Polizisten hart durch.
„Während die dramatische Lage in den Haftanstalten einen Dialog erfordert, reagiert der Staat mit Gewalt“, klagte die Gewerkschaft CGT. Sie warf der Polizei vor, mit Elektroschockpistolen und Tränengasbomben gegen die Demonstranten vorzugehen. [Quelle: Focus online]
Der Protest richtet sich nicht nur gegen die verherende Lage in französischen Gefängnissen, sondern vor allem auch gegen die harte Strafrechtsreform des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarcozy und seiner Regierung. Der Tagesspiegel prognostiziert einen Anstieg der Häftlingszahlen bis 2017 auf mehr als 72 000, wofür härteres Durchgreifen bei Straffälligkeiten und längere Haftdauer verantwortlich gemacht werden. Gleichzeitig sollen zwar neue Gefängnisse errichtet werden, die mit Hilfe moderner Technicken, wie elektronische Fußfesseln, mit weniger Bediensteten geführt werden können, aber den derzeitigen Überbelegungen nicht abhelfen.
Wieder einmal mehr wird deutlich, wie flexibel Menschenrechte gehandhabt werden. Aber wie könnte auch jemand, der härtere Strafen fordert, zum Schutzpatron der Gefangenen werden.