Einer der am Verfahren gegen Breivik beteiligten Psychologen verglich den Attentäter, der am 22. Juli 2011 auf Oslo und Ütoeya 77 Menschen ermordet hatte, kürzlich mit Hannibal Lecter. Ob dieser Vergleich mit einer fiktiven Figur nun angemessen ist, darüber kann man sich sicherlich streiten. Nachdem Breivik in einem ersten Gutachten mit der psychiatrischen Diagnose „paranoid schizophren“ für unzurechnungsfähig erklärt wurde, gab es nach massivem Protest ein Zweitgutachen mit – erwartbar – gegenteiliger Auffassung. Nunmehr erkannte man auf Persönlichkeitsstörung und dies entspricht wohl auch der überwiegenden Auffassung der 18-köpfigen Expertencrew, von denen 16 gegen eine Psychose „plädieren“. Die leitende Psychiaterin zufolge war er „fokussiert, organisiert und sprach immer kohärent“. Basis ist die Beobachtung Breiviks nach der Tat. Entschieden werden muss aber über Breiviks Zustand während der Tat. Das Nachtatverhalten aber einfach auf die Tatzeit zu projizieren, ist aber kaum adäquat – es sei denn, man argumentiert nach dem (diskriminierenden) Motto „einmal verrückt, immer verrückt“. Seit der Tat befindet sich Breivik unter dauernder Beobachtung und das könnte nicht unerheblich zu seiner Stabilisierung beigetragen haben. Die Psychiater sehen also immer nur die ihnen zugewandte Seite des Mondes bzw. Breiviks samt dem „Beobachtereffekt“. Den Moment, der aus einem etwas sonderbaren Nerd den Breivik gemacht hat, ist jenseits ihrer Zeitrechnung.
Achim schreibt
Am Fall Breivik, oder vielmehr an den weltweiten Reaktionen und Diskussionen um seine möglicherweise verminderte Schuldfähigkeit, zeigt sich einmal mehr das Dilemma, indem sich die moderne Vorstellung von Verbrechen und Strafe befindet:
Auf der einen Seite zeigen sich seit Jahren Tendenzen, Kriminelle als unverbesserliche „Andere“ zu bezeichnen (es handle sich um der rechtschaffenen Kultur konträr entgegenstehende Monster und Triebgestörte). Auf der anderen Seite fordert der Neoliberalstaat uneingeschränkte Selbstverantwortlichkeit jedes Einzelnen.
Bei Breivik muss man sich eben nun entscheiden. Dabei wird man aber entweder den Konservativen nicht gerecht werden, nämlich wenn Breivik als zurechnungsfähiger und damit „normaler“ Mensch behandelt wird. Oder aber man versaut es sich mit den Liberalen, indem man die Verantwortlichkeit für das eigene Tun einschränkt und damit in gewisser Weise „ent“-schuldigt.
Zugegebenermaßen trifft das auf Norwegen selbst vielleicht nicht so zu (ich kenne die poltische Kultur dort nicht wirklich), daher der anfängliche Hinweis auf die weltweite Diskussion um den allgemeinen Umgang mit Typen wie Breivik.