Der Oslo-Attentäter Breivik soll sich unter anderem am Vorgehen des sogenannten „Una-Bombers“, des US-amerikanischen Mathematikers Ted Kaczynski orientiert haben (DRadio Wissen), der zwischen 1978 und 1995 16 Briefbomben vor allem an Universitäten und Fluglinien (Una = university and airline) verschickt hatte, um ein gegen die Industriegesellschaft gerichtetes Manifest bekannt zu machen (Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft). Dabei wurden 3 Menschen getötet und 22 verletzt. Kaczynski erpresste so die Veröffentlichung seines Manuskripts in der New York Times und der Washington Post am 19. September 1995. Das führte dann allerdings auch zu seiner Verhaftung. Auch Kaczynski sieht das Problem vor allem bei den „Lefties“, den Linken und will eine Revolution gegen das industrielle System, die keine politische ist, sondern sich gegen dessen wirtschaftlichen und technologischen Grundlagen richtet.
Der krude Zweckrationalismus, der die Taten auszeichnet, erscheint mir aber gerade als eine Art Anpassung an das bekämpfte System und damit selbstwidersprüchlich. Interessant ist bei beiden die Aversion gegen die Linken, die doch meist zu den Verlierern des westlichen Systems gehören oder für sie Partei ergreifen. Das gilt gewissermaßen auch für den Islamismus. Elias/Scotson zufolge ist es aber typisch für Etablierten/Außenseiter-Systeme, dass sich die Marginalisierten gegenseitig bekämpften, weil sie letztlich das Normengefüge der Etablierten übernähmen.
Das gilt sicherlich auch für Hitler, der ebenfalls über Gewalt in Form eines Putschversuchs 1923 in München (wohl unintendiert) dafür gesorgt hatte, dass sein in der anschließenden (privilegierten) Festungshaft geschriebenes Manifest genügend Aufmerksamkeit bekam.
Dass die westliche Lebensweise enorme Adaptionsprobleme mit sich bringt, die in einer Generation kaum bewältigt werden können, das sollte man gerade vor dem Hintergrund solcher Gewaltexzesse nicht aus den Augen verlieren. Die norwegische Reaktion ist mir übrigens wesentlich sympathischer als der hier teilweise zur Schau gestellte Aktionismus (Vorratsdatenspeicheung, Internetüberwachung etc.). Hassemer meinte in diesem Zusammenhang im DLF, dass er lieber Politiker in Norwegen wäre als in Deutschland. Das Problem sieht er aber in einer unterschiedlichen Diskurskultur mit den entsprechenden Erwartungen an Politiker.