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Folgestudie zum nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch von Substitutionsmitteln vorgelegt

Am 7. Juli 2011 gepostet von Christian Wickert

Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg hat dieser Tage auf einer Pressekonferenz in Berlin erste Ergebnisse zu einer Studie zum nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch von Substitutionsmitteln in Deutschland vorgelegt. Die Studie schließt an eine Erhebung aus dem Jahr 2008 an. In zehn deutschen Städten wurden 404 Patienten im Umfeld von Substitutionspraxen und 420 Drogenabhängige in Szenenähe zu ihren Drogenkonsummustern, ihrem Substitutionsstatus und Gesundheitszustand befragt. Aus diesem Untersuchungsdesign ergeben sich vier Vergleichsgruppen: Substituierte, Nicht-Substituierte, die sog. „szenenah“ und die sog. „praxisnah“ Befragten. Die Gegenüberstellung der soziodemographischen Angaben der Befragten aus diesen Gruppen zeigt, dass die praxisnah Befragten und die Substituierten sozial deutlich besser integriert sind. So weisen die Befragten dieser Gruppen häufiger eine (formal höhere) abgeschlossenen Schulausbildung auf, sind häufiger in Voll- oder Teilzeit beschäftigt und verfügen über einen eigenen Wohnraum. In Praxisnähe wurden zudem ein höherer Anteil an Frauen erreicht. Die hier befragten Männer wie Frauen waren durchschnittlich älter und wiesen  seltener einen Migrationshintergrund auf als die szenenah Befragten.

Primäres Forschungsvorhaben ist es, Aufschluss über den Umfang zu erlangen, in dem nicht verschriebene Substitutionsmittel konsumiert werden bzw. Substitutionsmittel nicht bestimmungsgemäß appliziert werden (d.h. intravenöse anstelle der vorgesehenen oralen bzw. sublingualen Applikation). Von den insgesamt 824 Befragten gibt fast jeder zehnter bzw. jeder fünfte an, innerhalb der letzten 24 Stunden bzw. der letzten 30 Tage Substitutionsmittel nicht bestimmungsgemäß verwendet zu haben. Erwartungsgemäß werden dabei die Substitutionsmittel deutlich häufiger von den szenenahen Befragten und den Nicht-Substituierten nicht bestimmungsgemäß verwendet.

Folgestudie zur nicht bestimmungsgemäßen Verwendung von Substitutionsmitteln in Deutschland, S. 8

Die meisten Befragten präferieren tablettenförmig vorliegende Substitutionsmittel (Methaddict, Subutex, Suboxone) gegenüber den flüssig vorliegenden Substitutionsmitteln (Methadon/ Polamidon). Gründe hierfür dürften in der besseren Transportfähigkeit liegen und dem Misstrauen gegenüber Verkäufern von flüssigen Substitutionsmitteln, dass diese die zum Verkauf angebotenen Lösungen gestreckt haben bzw. die Lösungen verunreinigt sind.

Als Hauptmotive für die nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Substitutionsmitteln werden eine zu niedrige Dosierung in der regulären Substitutionsbehandlung und Versorgungsengpässe mit Heroin angegeben.

Bezüglich des Gesundheitsstatus zeigen sich ebenfalls Unterschiede bezüglich der Gruppen der Substituierten und Nicht-Substituierten. Während etwas über fünf Prozent der praxisnah Befragten von einer „Überdosierung/ lebensbedrohlichen Notfall“ innerhalb der letzten 30 Tage berichten, ist dieser Anteil unter den szenenah Befragten fast doppelt so hoch.

Im Vergleich zu Heroin bleibt beim Konsum von Substitutionsmitteln ein Rauscherleben aus. Methadon bzw. Buprenorphin weisen eine deutlich längere Halbwertzeit als Heroin auf, fluten aber auch langsamer an. Unerfahrene KonsumentInnen von Substitutionsmitteln unterliegen daher der Gefahr einer Überdosierung, wenn sich der gewünschte Rauscheffekt nicht einstellt. Werden Substitutionsmittel zudem in Kombination mit Alkohol oder Benzodiazepinen konsumiert, wächst das Risiko einer Atemdepression.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Substitutionsbehandlung in Bezug auf den nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch von Substitutionsmitteln, lebensbedrohliche Drogennotfälle als auch den Misch- bzw. Beikonsum von psychotropen Substanzen einen wesentlichen protektiven Faktor darstellt. Allerdings gibt jeder sechste Befragte von nicht-verschriebenen Substitutionsmitteln  als Motiv für diesen Drogengebrauch an, keinen Platz in einer Substitutionstherapie zu finden. Hier lässt sich somit ein klarer drogenpolitischer Appell formulieren, der da lautet, bestehenden Versorgungsengpässen in der Substitutionsbehandlung in Deutschland zu begegnen.

 

Die Kurzfassung der Projektergebnisse sowie eine Präsentation mit den zentralen Ergebnissen sind auf der Seite des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) verfügbar.

Weiterführende Informationen zum Thema

  • Weitere Zusammenfassungen der Studienergebnisse sowie eine Auswahl von Pressemitteilungen sind in der Juli-Ausgabe des Newsletters der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) zusammengestellt.
  • Informationen zum 2009 abgeschlossenen Projekt zur Evaluation der missbräuchlichen Verwendung von Substitutionsmitteln in Deutschland
  • Stichwort „Subutex“ in der Krimpedia mit einer Darstellung einer Studie zum Subutex-Schwarzmarkt in Deutschland
  • Grundlegende Informationen zur Methadon-Behandlung von Opiatabhängigen auf der Seite der WHO: The Methadone Fix
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Kategorie: Devianz und Kriminalität, Drogen(-politik) Stichworte: Drogenhilfe, Drogenkonsumenten, Drogenpolitik, Drogensubstitution, Methadon

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