In Kooperation mit dem Surveillance Studies Blog veröffentlicht Criminologia Rezensionen von Bücher aus den Bereichen Überwachung & Kontrolle und Kriminologie.
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Titel: | Mit dem IS verhandeln? Neue Lösungen für Syrien und den Terrorismus | |
Autor: | Thomas Carl Schwoerer | |
Jahr: | 2016 | |
Verlag: | Redline Verlag | |
ISBN: | 978-3-86881-652-5 |
Wöchentlich erreichen uns Meldungen über Anschläge des IS. Mal sind es 50 Tote, mal 100, manchmal sogar, wie kürzlich in Bagdad, beinahe 300. Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen und Gräueltaten von ausgesuchter Bösartigkeit sind zu einem alltäglichen Phänomen geworden. Die Verwerflichkeit menschlichen Handelns kennt erneut keine Grenzen, so der verbreitete Eindruck.
Wie kann mit einer solchen Gruppierung wie dem IS verhandelt werden? Ist überhaupt bei ihren Führern und Kämpfern, erfüllt von anscheinend unbändigem Hass vor allem auf westlich Gesellschaften, auf Einsicht zu hoffen? Denn ohne Einsicht, ohne die Fähigkeit und Bereitschaft zum Kompromiss, wären Verhandlungen sinnlos.
Der Autor, seit Jahrzehnten in der Deutschen Friedensgesellschaft aktiv, ist dieser Ansicht. Und die Argumente, die er dafür vorbringt, sind allesamt beachtlich. So ist ihm zuzustimmen, wenn er darlegt, welche aus Dummheit und Arroganz geborenen Fehler der Westen immer wieder in arabischen Staaten begeht. Interventionen, als menschenrechtlich motiviert deklariert, haben ein Desaster zur Folge gehabt (Afghanistan, Irak, Libyen). Allianzen mit zweifelhaften Regimes (Saudi-Arabien und von ihm beeinflusste Kleinstaaten in der Region) befördern den Prozess der Destabilisierung noch (die Türkei wäre jetzt noch hinzuzufügen), und die in westlichen Hauptstädten gehegte Überzeugung, allein über den Schlüssel zur Lösung der Konflikte zu verfügen, führte geradewegs weiter in die Katastrophe. Auch in diesen Hauptstädten, aber vor allem in arabischen Staaten wie Syrien oder dem Jemen, wo die Todeszahlen durchaus als Schande für die westliche Zivilisation und ihr Selbstverständnis gesehen werden können.
So gesehen erscheint es als geradezu zwangsläufig, den bisher beschrittenen Weg zu verlassen und Neues zu wagen. Aber ist die Lösung, nämlich unter allen Umständen zu verhandeln, wirklich so einfach? Was man bei den Taliban schon 2001, als der Afghanistankrieg begann, mit sehr guten Gründen hätte machen sollen, wäre das tatsächlich heute eine Lösung, wo sich die Kämpfer und Hintermänner des IS als so viel härter und unbedingter verstehen? Trotz einer gehörigen Sympathie für den Ansatz des Dialogs und der Notwendigkeit von Verhandlungen stellen sich Zweifel ein. Man hätte sich gewünscht, beim Autor dieser kleinen Schrift noch mehr zur argumentativen Beseitigung der Zweifel zu erfahren. Denn spätestens bei der nächsten Nachricht über die Freude von Sunniten, dem Herrschaftsbereich des IS entronnen zu sein, sind diese Zweifel wieder da. Aber vielleicht ist der Rezensent auch nur zu realpolitisch verformt. Deshalb ist nur zu raten, selber zu lesen, was der Autor vorschlägt.
Gerd Hankel, Hamburg