Nun hat Beate Zschäpe also ihr Schweigen gebrochen und sich damit den Unwillen der Journalisten (die sich gerne Dschurnalisten nennen) und Anwälte auf sich gezogen. Denn ihr Schweigen hatte sie zur Projektionsfläche werden lassen für die ins Kraut schießende Phantasie bürgerlicher Mittelständler. Man glaubt ihr nicht und das rückt auch das Phänomen der Glaubwürdigkeit in ein bestimmtes Licht. Glaubwürdig – so lässt sich der kurzen Debatte entnehmen – ist jemand, wenn er seine Aussage den Vorurteilen einer bestimmten maßgeblichen Gruppe von Menschen anpasst. Glaubwürdig ist, wer sich als einer von uns offenbart. Moment mal, ging es in dem Prozess nicht gerade um Fremdenfeindlichkeit in besonders verwerflicher Form? Mich beschleicht der Gedanke, dass die Verteidiger des Guten und Schönen gegenüber der Fremdheit des Diskurses eines Mädchens aus einer ostdeutschen Plattenbausiedlung auch nicht so besonders aufgeschlossen sind. Man vergisst insbesondere nicht, mit Häme den Topos der „schlechten Kindheit“ zu würdigen. Das zählt nicht. Denn der Mensch konstruiert sich ja selbst, fällt als autonomes, verantwortliches Wesen quasi vom Himmel. Dann ist man aber enttäuscht, wenn diese der bürgerlichen Kultur entsprechenden Gepflogenheiten nicht bedient werden. Wie absurd ist es aber, einen Reifegrad zu erwarten, bei dessen Vorliegen es zu der ganzen fatalen Geschichte gar nicht erst hätte kommen können? Das naive Mädchen aus der ostdeutschen Plattenbausiedlung kauft man Beate Zschäpe nicht ab, denn sie trägt ja ein Kostüm. Und Schein ist schließlich Sein.
Wie hat sich die Hauptangeklagte des sogenannten NSU-Prozesses aber den Sadismus der Etablierten zugezogen? Sie hat den Mythos NSU in sich zusammenfallen lassen und stattdessen eine weitere Version des banalen Bösen im Sinne von Hannah Arendt dargeboten. NSU – alles Quatsch. Multiple journalistische Recherchen, zwei Untersuchungsausschüsse im Bundestag – Mumpitz. Eher eine Art lange hingezogener Amoklauf von problembehafteten Menschen, die sich aus der Gesellschaft ausgestoßen fühlten und noch mal eine Götter(oder Götzen-)dämmerung inszenieren wollten. Im Zentrum des Ganzen steht nach Zschäpe nicht ein monströses politisches Programm sondern ihr Versuch, Uwe Böhnhardt an sich zu binden. Deshalb habe sie die Garage angemietet, deren polizeiliche Untersuchung dann zum Ausstieg führte. Die beiden Uwes hätten gemordet, weil sie „es verkackt“ hatten. Das lässt an Nagetierversuche denken, in denen in die Ecke gedrängte Tiere alle Hemmungen fahren lassen. Beate Zschäpe erscheint in ihrer Darstellung auch als eine Art Mutterfigur, deren beide „Söhne“ sie hintergehen – vielleicht um sich eine Art Autonomie zu beweisen im Morden.
Ich weiß nicht, ob das alles zutrifft, was sie notiert hat. Aber als jemand, der in der Nähe von Jena in der DDR aufgewachsen ist und als Sozialwissenschaftler halte ich die Darstellung für durchaus plausibel. Viel plausibler jedenfalls als die Konstruktionen der milieufernen bürgerlichen Journalisten und Politiker, deren abstrakte Welt mit der Welt dieser Amokläufer nichts zu tun hat. Zschäpes Darstellung lässt vielmehr wieder über den Abolitionismus nachdenken, denn gerade die langen Strafdrohungen, die die Bürger vor Kriminalität schützen sollen, scheinen zu einem point of no return geführt zu haben. Ähnlich wie bei dem eingeleiteten Flugzeugabsturz im Frühjahr könnte also die Sicherheitsarchitektur die entfaltete Destruktivität begünstigt haben. Meines Erachtens ist dies besonders bei einer durch frühe Traumata beeinträchtigten Psychostruktur zu erwarten.
jeens schreibt
Was anderes alle die , die dort für tausende von euros JEDEN TAG !!!
( lest mal nach …was die verteidiger und die anderen im schwarzen talar soo kosten täglich .!!!
……. wenn unsere ach sooo zu unrecht gescholtene lügenpresse mal diese beträge im detail
gaaaaanz genau aufführen würde für JEDEN DORT !!! iHR WÜRDET NUR NOCH KOTZEN !! ))
im gerichtssaal so rumhängen und dämlich wie eben jura- maschienen vor sich hinquatschen
wenn also die tschäpe nichts anderes macht …als das … was dort üblich ist…
( zitat : ES WIRD NIRGENDWO SOOO VIEL UND GUT GELOGEN WIE VOR GERICHT )
nämlich : LÜGEN HEUCHELN UND BETRÜGEN ( bisher IHR allerdings immer noch nicht bewiesen ! ))
daaa regen sich alle auf…
wieso denn eigentlich ???
es ist doch das gute recht – verfassungsmäßig garantiert – der tschäpe…. na und wieso ???
– erstens gilt jeder ( doch doch tist sooo ) soo lange als unschuldig ..bis man ihm seine schuld
bewiesen hat
– und k e i n e r ( außer blöden zeugen ) ist verpflichtet vor gericht die wahrheit zu sagen
– und ( außer zeugen ) darf jeder lügen – palavern- rumlavieren bis sich die balken biegen
na ???
jemand anderer meinung ??
dann bitte …dann gebt mal der tschäpe die gleichen rechte wie jedem hochrangigen lumpen
hier im lande …. der mit spitzenanwälten rausgelogen werden würde..
wäre ER dort angeklagt..
und nun ???
nun könnt ihr mir nachschreien nach heuchler- art
KREUZIGET IHN !!!!
denn er spricht ( unverschämterweise ) die WAHRHEIT !!
hahaha und
schönen sonntag abend
jeens
Stefan schreibt
Ein Glück, dass die Hinterbliebenen der türkischen NSU-Mordopfer nie erfahren werden, dass völlig entgleiste Hamburger Soziologen in Frau Zschäpe eine bloße „Projektionsfläche“ für den „Sadismus der Etablierten“ vermuten.
Andreas Prokop schreibt
Ich glaube, dass es eine projektive Identifizierung ist, wenn (West-)Journalisten Frau Zschäpe Taktik und Zweckrationalität unterstellen (um freilich im gleichen Moment die Untauglichkeit des Mittels und damit ihre Dummheit festzustellen). Frei nach Max Scheler ist in der bürgerlichen Kultur der Hintergedanke zum Gedanken an sich geworden. Wer sind wir denn, dass wir behaupten könnten, dass Beate Zschäpe lügt? Vielmehr scheint es so zu sein, dass ihr Diskurs nicht in das „System selbstgemachter Begriffe“ passt, das nach Adorno „die ausgereifte Jurisprudenz vor den Lebensprozess der Gesellschaft“ geschoben hat. Vorauseilend wurde nun schon durch die Medien das Urteil verkündet – nämlich lebenslänglich – das das Gericht nun nur noch gegenzeichnen muss. Schon Sokrates hatte übrigens seinen Staatsanwälten gegenüber geltend gemacht, dass er wenigstens in sofern weiser ist als diese, als er nicht zu wissen behauptet, was er nicht weis. Es gibt zwar den Grundsatz in dubio pro reo, aber was nützt der bei allwissenden Juristen und Journalisten? Die zweifeln eben nicht, dass sie im Besitz der Wahrheit sind.
Dass im Übrigen die Hinterbliebenen wütend sind und ein reuiger Verantwortlicher es ihnen leichter machen würde, mit dem Verlust klarzukommen, ist völlig verständlich. Aber das Problem stellt sich auch den Eltern der Opfer von Schulamokläufern, die sich suizidiert haben. Die wollen sich dann mitunter an den Eltern schadlos halten, die ihre Kinder angeblich zu Hass erzogen hätten. So leicht ist es aber nicht. Ist es nicht merkwürdig, dass man einerseits so misstrauisch ist, aber die Behauptung von gleichsam metaphysischem Fremdenhass und einer grroßartig-monströsen Organisation so leichtgläubig hinnimmt? Die Diskontinuität des Lebens, sonst gerne gegenüber dem individuellen Paranoiker eingewendet, wird Anathema, sobald eine Gruppenparanoia um sich greift.
sebastian scheerer schreibt
Andreas Prokop analysiert kundig, vorsichtig und doch zugleich analytisch geschärft, elegant und ist damit in der Lage, eine seriöse Gegenposition zum allgegenwärtigen Massenmedien-Diskurs zu formulieren. Die interessante Bezeichnung des Autors als „entgleister Soziologe“ hat in diesem Zusammenhang ihren eigenen Charme: welcher Soziologe, dem heute das Etikett „groß“ zugeschrieben wird, wäre denn zu seiner Zeit nicht als „entgleist“ bezeichnet worden: Simmel? Weber? Tarde? Comte? Vielleicht sogar Howard S. Becker? Es ist der fremde Blick auf das scheinbar Selbstverständliche, das den Soziologen (und einige andere) zu dem befähigt, was er, wenn er gut ist, kann. Oder was sie, wenn sie gut ist, kann. Entgleiste Soziologinnen sind allerdings bislang noch seltener als entgleiste Soziologen.
Stefan schreibt
1. Richtig ist, dass man sich als bürgerlicher Zeitungsschreiberling mit Kommentaren zur Schuldfrage zurückhalten sollte, bis sich als Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens bestätigt hat, dass Frau Zschäpe schuldig im Sinne des Anklagevorwurfs ist. Als Hamburger Soziologe aber auch.
2. Nicht jede aus Sicht der Zeitgenossen entgleiste These adelt ihren Autor zum „großen“ Wissenschaftler. Manche sind einfach nur monströser Unsinn.
3. Monströser Unsinn (und obendrein in schockierendem Maße gemein und geschmacklos gegenüber den Hinterbliebenen) ist es, in den Mitgliedern der NSU-Terrorzelle einen Fall zu sehen, an dem sich die Sinnhaftigkeit des Abolitionismus-Gedankens demonstrieren ließe.
4. “Sadismus der Etablierten”?? Merken Hamburger Soziologen überhaupt noch, was und wie sie da reden? Merken vielleicht junge Hamburger Soziologen auch gar nicht, was sie tun, wenn sie bezogen auf den NSU beflissen nachplappern, was sich ihre akademischen Lehrer zur RAF ausgedacht haben??
Andreas Prokop schreibt
Der vorstehende Kommentar zeigt, wie schwer es ist, nicht aneinander vorbeizureden (oder zu schreiben). Ich kann mich da überhaupt nicht wiederfinden. Wenn ich es für plausibel halte, dass sich bestimmte Menschen durch hohe Strafdrohungen in einer ausweglosen Position erleben können und deshalb destruktiv agieren, dann weiß ich nicht, was daran gemein oder geschmacklos ist, sondern das entspricht einfach den psychologischen Tatsachen. Wieso soll das monströser Unsinn sein? Man müsste die Vorgeschichte der Täter, besonders deren früheste Erfahrungsmatrix genauer kennen, aber das wird kaum möglich sein. Eine solche Vorgeschichte lässt sich nur anhand der fatalen „Früchte“ rekonstruieren. Hier ist aber kaum der Ort für einen ausführlichen psychologischen Essay.
Den Vorwurf des „Nachplapperns“ finde ich interessant. Er erinnert mich an meine Schulzeit in der DDR. Dort war mir einmal vorgeworfen worden, ich würde die Inhalte westlicher Medien nachplappern, als ich etwas sagte, was dem damaligen Mainstream zuwiderlief. Wenn ich aber tatsächlich nachplapperte, nämlich die damals obligaten Phrasen, dann wurde mir das unbesehen als eigenen Meinung abgenommen. Da hat sich wohl in bestimmter Hinsicht nicht soviel geändert. Apropos, es fragt sich, was hinter der Militanz steht, mit der wir überall auf der Welt mit unseren moralischen Dogmen hausieren gehen (deren Halbwertzeit sicherlich auch nicht unbegrenzt ist), während wir die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen der hauseigenen Gewalt kaum öffentlich reflektieren.
Mich ärgert die Arroganz, mit der häufig einfach ein bestimmtes Menschenbild naturalistisch vorausgesetzt wird, das eine Reife impliziert, die nur „sozialisatorisch“ (im Sinne einer adäquaten frühkindlichen Betreuung) erworben werden kann. Es ist absurd, eine Reife zu verlangen (Schuldübernahme), deren Nichtvorliegen die Taten mit großer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht haben. Gerade das Verlangen von etwas, das offenbar sozialisationsbedingt nicht geleistet werden kann (wenn etwa Gisela Friedrichsen im Spiegel „echte Reue“ fordert) nenne ich sadistisch. Viele Prä- und Interventionsmodelle dürften aber ähnlich funktionieren. Da wird dann in der Tat oft nachgeplappert, was die Therapeuten soufflieren. Diese Ignoranz trägt sicherlich auch zu entsprechenden Gewaltexzessen bei – als Reaktionen auf Beschämung. In der Regel gibt es denn auch viele Mitwirkende an einer solchen „Karriere“, die ihre Hände in Unschuld waschen, aber das ist dann für den durchschnittlichen Juristen „nicht adäquat kausal“. Mit Verdinglichungen wie „NSU“ und „Rechtsterrorismus“ (oder auch: „Islamismus“ etc.) ist da nicht viel gewonnen. Die Ideologie ist sekundär.
Die Weise, wie die sich äußernden Juristen und Journalisten den Diskurs von Zschäpe aufgenommen haben, lässt vermuten, dass das „rechtsstaatliche Verfahren“ mit seiner Diskursverknappung sehr einseitige und keineswegs objektive Ergebnisse zeitigen wird. Aber warten wir es mal ab. Wenn es eine erzieherische, die Reifung begünstigende Wirkung haben soll, dann muss das Verfahren für denjenigen, der ihm ausgesetzt ist, verständlich und „wahr“ sein. Während es nämlich „Schuldfähigkeit“ recht pauschal voraussetzt, müsste es die (wie Pierre Legendre sagt) in der Regel erst einmal erzeugen. Das Gericht opieriert auf einer Ebene der Schuld, während gerade Gewalttäter häufig auf der Ebene der Scham funktionieren. So entsteht eine Sprachverwirrung, die aber kaum zur Kenntnis genommen wird, wo ein eklatantes Machtungleichgewicht herrscht. Wer Macht hat, braucht nicht gewalttätig zu werden; die (offene) Gewalt ist die Sache des Ohnmächtigen.