Es klingt wie ein Drehbuch zu einem schlechten Horror-/ Splatterfilm (man denke beispielsweise an American Psycho II: All American Girl (2002)): Der 40-jährige PhD-Student Stephen Griffiths wird verdächtigt drei Prostituierte in der englischen Stadt Bradford (Yorkshire) ermordet zu haben. Griffiths, der sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit den Thema des Serienmords im 19. Jahrhundert in England auseinandersetze, steht in Verdacht, die Prostituierten niedergeschlagen und mit einer Armbrust erschossen zu haben. Der Körper einer der ermordeten Frauen wurde zerstückelt und in einem nahe gelegen Fluss Aire entsorgt.
Die englische Grafschaft Yorkshire war bereits schon einmal Tatort einer Mordserie an Prostutierten. Peter William Sutcliffe, der sog. Yorkshire Ripper, tötet zwischen 1975 und 1980 mindestens 13 Frauen in der Region. Die aktuellen Morde lassen Erinnerungen an die 30 Jahre zurückliegenden Taten wach werden.
Neben der Tatsache, dass nun zum ersten Mal in der Geschichte des Serienmordes ein Student der Kriminologie dringend als Tatverdächtiger im Visier der Ermittler steht, ist der Fall noch in andererlei Hinsicht aufschlussreich.
Offensichtlich führte die Auswertung von Aufnahmen einer Überwachungskamera zur Festnahme des Verdächtigen. Eine CCTV-Kamera zeichnete den Überfall auf eine der drei getöteten Frauen auf. Auch wenn Stephen Griffiths selber auf den Überwachungsbändern scheinbar nicht zu erkennen ist, so wurde er später von Zeugen in der Nähe des Tatortes gesehen.
Anhand der Berichterstattung (vor allem in den englischen Tabloids) lassen sich aktuell sehr schön Zuschreibungsmechanismen beobachten. Stephen Griffiths wird in allen Presseberichten übereinstimmend als Sonderling und Außenseiter beschrieben – oft gekleidet mit einem schwarzen Ledermantel, (auch bei Nacht) eine Sonnenbrille tragend führte er seine zwei Leguane an der Leine spazieren. Mehrfach findet man in den Berichten eine Aussage eines Nachbarn Griffiths‘ abgedruckt, er sei „a bit of a Goth“ gewesen.
Griffiths selbst scheint das Etikett des kalten, unnahbaren Außenseiters nicht unlieb zu sein. Vor Gericht stellte er sich bei seinem Haftprüfungstermin mit den Worten vor: „I am the crossbow cannibal„.
In einem Artikel der Onlineausgabe der Daily Mail wird darüber hinaus auch ausführlich auf das Vorstrafenregister von Griffiths Mutter eingegangen (einschließlich der Nennung ihres Namens und Wohnortes).
Schließlich sind auch die Bilder, die diesen Artikel in der Daily Mail illustrieren, aufschlussreich. Neben Bildern des potentiellen Täters und seiner drei Opfer finden sich etliche Fotografien von Tatortermittlern bei der Spurensuche und -sicherung. Die suggestive Wirkung auf den Leser ist eindeutig: wo die Polizei nach forensischen Beweisen sucht und fündig wird, kann an der Schuld des Täters kein Zweifel bestehen. Diese antizipatorische Wirkung des Visuellen kommt einer Vorverurteilung gleich (vgl. Amoore. Vigilant visualities: the watchful politics of the war on terror. Security Dialogue (2007) Vol. 38 (2) pp. 215). In diesem Zusammenhang erscheint auch ein Bezug zum sog. CSI-Effekt nicht abwegig zu sein.