In dem Vorwort zu dem 2011 erschienen Buch über Protestlieder1 widmet der Autor, Dorian Lynskey, einen längeren Absatz dem zwei Jahre zuvor vereidigten US-Präsidenten Barack Obama:
Obama is, in a sense, the first protest song president. He grew up on the politicized soul of Stevie Wonder and used Curtis Mayfield’s civil rights anthem ‚Move on Up‘ at his election rallies. During the campaign, a list of his ten favourite songs printed in Blender magazine included ‚What’s Going On?‘ by Marvin Gaye, ‚Gimme Shelter‘ by the Rolling Stones, ‚Think‘ by Aretha Franklin, and Will.I.Am’s ‚Yes We Can,‘ which was written around a recording of his own speech, thus making him the lyricist of his own protest song. At his inauguration concert, veteran protest singer Pete Seeger joined Bruce Springsteen to sing Woody Guthrie’s ‚This Land Is Your Land‘; Stevie Wonder performed ‚Higher Ground‘; and Betty LaVette and Jon Bon Jovi sang, inevitably, Cooke’s ‚A Change Is Gonna Come.‘ (XIII)
Dort, wo Obama es verstand, mit unnachahmlicher Nonchalance Weltpolitik und Pop zu verbinden und bisweilen selbst eher einem Popstar als Staatsmann glich, kommt seinem Amtsnachfolger Donald Trump ein ganz anderes Verdienst zu: Er beflügelt eine Renaissance der Protestkultur. Bereits der US-amerikanische Wahlkampf wurde von einer Welle von Anti-Trump Liedern begleitet, die u.a. aus der Feder von so bekannten Künstlern wie REM oder Death Cab for Cutie entstammten. Das Center for Popular Democracy hat das Anti-Trump-Liedgut institutionalisiert und kuratiert für 1.000 Tage „a playliste of songs Donald Trump will hate“ mit dem Ziel „to provide a soundtrack to resistance“.
Aber auch Bandprojekte wie Prophets of Rage (ein Zusammenschluss von Mitgliedern der Bands Public Enemy und Rage Against the Maschine) oder aktuelle Veröffentlichungen von vornehmlich afroamerikanischen Künstlern, die der Black Lives Matter Bewegung nahe stehen, wie Beyonce, Kendrick Lamar oder Common wären ohne den Wahlerfolg Trumps kaum denkbar.
Jüngstes Beispiel für ein gegen Trump gerichtetes Protestlied stammt von dem Rapper Eminem. In dem viereinhalb-minütigen Lied „The Storm“, das am Dienstag anlässlich der Verleihung der BET Hip Hop Awards veröffentlicht wurde, kritisiert der Detroiter Musiker Trump scharf. In dem a capella vorgetragenen Lied bleibt von Trumps mangelnder Distanzierung zu rechtsradikalen Bewegungen, einem drohenden Atomkrieg, neoliberaler Wirtschaftspolitik bis hin zum Bau der Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko kaum ein kontrovers diskutiertes Thema der letzten Monate und Wochen unerwähnt.
Nach nur einem Tag verzeichnet das Musikvideo bereits annähernd sechs Millionen Zugriffe. Bleibt Donald Trump seinem Politikstil treu, ist damit zu rechnen, dass er die Beleidigungen Eminems nicht unkommentiert lässt. Mit 40 Millionen Followern auf Twitter hat Trump fast doppelt so viele Gefolgsleute wie Marshall Mathers aufzuweisen, allerdings vermutlich nicht einmal einen halb so großen Wortschatz. It’s gonna be great – really, really great!
Lynskey, D. (2011) 33 Revolutions Per Minute. A History of Protest Songs, From Billy Holiday to Green Day. New York: HarperCollins. ↩