Auszug aus dem Call for Papers:
Die vierte Konferenz der deutschsprachigen Recht-und-Gesellschafts-Forschung widmet sich den diversen Tendenzen, die auf eine Abschaffung rechtsförmiger Ordnung und/oder subjektiven Rechten hinauslaufen.
Populistisch-autoritäre Bewegungen und Regime üben Druck auf Institutionen des demokratischen Rechtsstaats aus. In den sich herausbildenden „illiberalen Demokratien“ werden subjektive Rechte beschränkt und die Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage gestellt, um dem „Volkswillen“ zum Durchbruch zu verhelfen. Physische und rechtliche Barrieren sollen jenen, die von kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen Nöten fliehen, den Zugang zum Recht verwehren. Die Logik des Ausnahmezustandes und damit die Ausweitung von Notstands- und Sonderrechten ermöglicht Abweichungen und Sistierungen von fundamentalen Normen und Prinzipien, die der Exekutive weitere Befugnisse einräumen. Der informations- und biotechnologische Umbau der Gesellschaft stellt die Möglichkeit des Rechts radikal in Frage. Gemäss einer verbreiteten Zeitdiagnose werden einerseits menschliche Entscheidungen und Meinungsbildungsprozesse zunehmend von digitalen Algorithmen gesteuert, die sich einer rechtlichen Kontrolle entziehen (Big Data). Andererseits droht dem Recht mit den neuen Möglichkeiten der Manipulation des menschlichen Genoms das Subjekt verloren zu gehen (Transhumanismus). Erweist sich das an subjektiven Rechten orientierte Recht im Horizont der Vision einer digitalisierten und posthumanen Gesellschaft als Anachronismus? Mit einer Marginalisierung staatlichen Rechts geht zudem die Ausbreitung privater Regulierung einher. Staatliche Steuerung greift häufig nicht mehr materiell, sondern nur noch prozedural, beispielsweise, wenn Gesetze vorschreiben, wie gesellschaftliche Akteur*innen zu Selbstverpflichtungen kommen sollen. In internationalen Verträgen breiten sich demokratisch nicht legitimierte Schiedsgerichte als bindende Instanzen aus. Ihre Entscheidungen können aber nicht mehr von staatlichen Gerichten überprüft werden: „soft law, hard effects“. Im Familien-, Bau- und Strafrecht ersetzen zunehmend Mediationen prozessuale Konfliktregelungsmechanismen. Und wie sind in diesem Kontext Bestrebungen zur Neukonzeptualisierung ganzer Rechtsbereiche zu analysieren und zu bewerten, etwa Forderungen zur Abschaffung des Erbrechts oder zur Neuordnung des Familienrechts? Den empirischen Krisenphänomenen des Rechts entspricht ein neues Interesse an Theorien der radikalen Rechtskritik. Das Spektrum der Theorieangebote reicht von der neomaterialistischen Kritik der Rechte, über „kritisch-systemtheoretische“ Forderungen nach der Umstellung der Orientierung des Rechts an individuellen Rechten auf den Schutz von kollektiven Strukturen der Systemdifferenzierung bis hin zu rechtstheoretischen Reaktualisierungen der Liberalismuskritik von Carl Schmitt.
Wie lassen sich die angedeuteten Entwicklungstendenzen angemessen soziologisch beschreiben und wie sind sie zu bewerten? Beobachten wir die Abschaffung des Rechts, die Entdifferenzierung von Recht, Moral und Politik oder lediglich eine Transformation im Sinne eines Form- und Inhaltswandels von Recht? Wie verhalten sich die theoretischen Visionen einer emanzipatorischen Befreiung von der Rechtsform, zu den empirisch beobachtbaren Tendenzen der Marginalisierung rechtsförmiger Konfliktbearbeitung?
Wissenschaftler*innen aller Disziplinen sind eingeladen, ihre empirischen Forschungsergebnisse und theoretischen Perspektiven im Kontext des Generalthemas zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Die Konferenz ist in mehrere thematische Stränge (Tracks) gegliedert. Grundsätzlich kann jedes Thema mit interdisziplinärem Rechtsbezug innerhalb eines thematisch passenden Tracks oder im Track „General Papers“ eingereicht werden. Beiträge, die inhaltlich Bezug auf das Konferenzthema nehmen, haben bei gleicher Qualität bessere Chancen, berücksichtigt zu werden. Vorschläge für Vorträge oder ganze Panels/Sessions (mit bis zu vier Vorträgen) können ab sofort eingereicht werden. Wir freuen uns besonders über international/vergleichend zusammengesetzte Panels. Außerdem sind wir offen für alternative Formate in allen Tracks, etwa Buchpräsentationen, „author meets critics“, Roundtables, „Fishbowls“ mit kurzen Statements von Forschenden zu einem Thema aus der Perspektive ihrer Arbeiten, Interviews oder Kurzdiskussionen mit Gästen (moderiert oder als „Heisser Stuhl“), Filmvorführungen oder künstlerische Interventionen.
Vorschläge (maximaler Umfang 1500 Zeichen) können ausschließlich online über unser Konferenzverwaltungssystem eingereicht werden. Der Einsendeschluss ist der 28.02.2018.
Mehr Informationen zur Konferenz finden Sie auf der Webseite www.recht-und-gesellschaft.info/basel2018, bei Facebook unter facebook.com/rechtssoziologiebasel2018 und bei Twitter unter dem Hashtag #rsozbasel2018. Bei Fragen können Sie sich jederzeit unter rechtssoziologie-basel2018-ius@unibas.ch an uns wenden.
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