Während der DFB gerade das Thema Hate Speech für sich entdeckt hat und sich an der Causa Dietmar Hopp abarbeitet, werden anderenorts die Grenzen des guten Geschmacks und der Kunstfreiheit anhand frauenverachtender Textzeilen in deutschsprachigen Raptexten ausgelotet.
Anlass ist die Kampagne #UNHATEWOMEN von Terre des Femmes. Ziel der Aktion ist es, auf Hasskriminalität und verbale Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Weitere Hintergrundinformationen sind unter https://www.unhate-women.com/de/ zu finden.
Ein einminütiger Filmclip stellt dabei das Herzstück der Kampagne dar. Der Clip zeigt Frauen, die gewaltverherrlichende und frauenverachtende Textzeilen erfolgreicher deutscher Rapper verlesen. Ohne Beats und Instrumentals und die sonst übliche Videoclip-Ästhetik offenbaren die Texte ihre frauenverachtende Qualität.
Musik im Allgemeinen und Rap im Besonderen haben stets die Grenzen des Sagbaren touchiert und teilweise verschoben (man denke beispielsweise an sexuelle Anspielungen im R&B der 1950er Jahre, politische Protestlieder der späten 1960er, Rap im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung usf.).
In diesem Fall bestehen die Grenzen mit Fug und Recht – liedgewordene Missbrauchs- und Vergewaltigungsphantasien sind genauso wenig Ausdruck künstlerischer Freiheit oder Systemkritik wie antisemitische oder homophobe Äußerungen im Rechtsrock oder anderen Musikgenres.
An dieser Stelle ließe sich nun vortrefflich über das Frauenbild im Rap und der „Realness“ im (Gangsta-)Rap diskutieren. Dies ändert jedoch nichts am frauenverachtenden Charakter der Texte. Das theoretisch Sagbaren sollte nicht normative Richtschnur für das Gesagte sein. Dies schätzen im Übrigen auch die Redakteure der beiden bedeutensten Online-Plattformen für den deutschsprachigen Rap, Hip-Hop.de und Rap.de so ein:
Die Sprache im Rap war schon immer hart. Dieses Element des künstlerischen Spiels sollte nicht in Abrede gestellt werden. Da, wo sich der Witz jedoch nicht erschließt oder direkt im Hals stecken bleibt, ist es allzu richtig, den Finger in die Wunde zu legen. Diese Hate Speech kann fortan mit #unhatewoman ins Visier genommen werden. HipHop.de
Auch wenn Rap seit jeher davon lebt, die Grenzen der Kunstfreiheit auszutesten, sollte man sich die Frage stellen, ob frauenverachtende Inhalte ein Teil davon sein sollten. Dass das Gesetz das Rappen derartiger Zeilen ermöglicht, heißt nämlich nicht zwingend, dass eine solche auch vor Kritik gefeit ist – denn für das, was man von sich gibt, ist einzig und allein man selbst verantwortlich. Rap.de