In Kooperation mit dem Surveillance Studies Blog veröffentlicht Criminologia Rezensionen von Büchern aus den Bereichen Überwachung & Kontrolle und Kriminologie.
Weitere Rezensionen finden sich hier.
Titel: |
Watched! Surveillance and Photography |
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HerausgeberInnen: | Hasselblad Found. C/O Berlin, Galleri Image, Kunsthal Aarhus, Valand Academy | |
Jahr: | 2016 | |
Verlag: | Buchhandlung Walther König | |
ISBN: | 978-3-86335-959-1 |
Eine Rezension eines Kunstbandes zu schreiben ist immer reizvoll, aber wissenschaftlich vielleicht nicht so ergiebig, außer der Kunstband an sich ist das Thema. Hier ist das Thema aber Überwachung, das Sujet ist die Fotografie und der Anlass ist eine entsprechende Ausstellung im C|O Berlin. Das vorliegende Buch ist also der Ausstellungsband und der ist großartig. Das hat mit den Bildern zu tun, mit der Kunst, aber eben auch mit deren Einbettung.
Überwachung und Fotografie gehen von je her eine fast logische, wenn nicht sogar historisch ko-evolutionäre Verbindung ein. Sich ein Bild von etwas machen, war sowohl Intention von Überwachung, als auch Kern der Fotografie – wie auch Dietmar Kammerer in seinem Eröffnungsvortrag zur Ausstellung in Berlin hervorhob. Es geht um Wahrheit, um Wahrhaftigkeit, darum die Welt zu dokumentieren, Wissen zu produzieren, nachzuhalten, auf eine beweiskräftiges Bild zu bannen. Dieser Beweis hat lange schon gelitten, wenn er denn in der Fotografie je schon in Reinform existiert haben sollte. Dennoch geht es im Kern beider Phänomene vor allem um Sichtbarkeit und um Sichtbarmachung. Das betrifft im übertragenen Sinn auch die Formen der Überwachung, die nicht Kamera-basiert sind, sondern z.B. auf Ausweispapieren basieren, oder auf chemischen Verfahren, mit denen sich DNA „sichtbar“ (vermeintlicherweise) machen lässt.
Und aus diesen Gründen ist der Ausstellungskatalog jenseits ästhetischer Gründe ein so wunderbarer Beitrag zum Thema Überwachung, weil hier mit anderen als rein textlichen Mitteln ein Eindruck von Beobachtung, Monitoring, Kontrolle, Festhalten, Sichtbarmachung, Unsichtbarkeit und Führung deutlich gemacht werden kann. Und in diesem speziellen Fall, weil die Abbildungen der Exponate von neun Texten begleitet werden, die weitere Gedanken zu dem Thema anbieten.
Die Exponate sind aufgeteilt in die Kapitel Screening, Controlling, Scanning, Tagging und Exposing – womit sie elementare Aspekte der Überwachung aufgreifen. Es ist nicht möglich alle Bilder zu kommentieren, oder auch nur eines hervorzuheben. Aber für alle ist es ein Genuß und intellektueller Gewinn in dem Buch zu blättern, sich anregen zu lassen, jenseits von Empirie, wissenschaftlicher Argumentation und sich als Forscher inspirieren zu lassen. Gerade die so enge Verbindung von Überwachung und Fotografie bietet sich an, um auf andere Weise zu denken. Und genau das gelingt hier in einer hervorragenden Form.
Die begleitenden Essays beziehen sich auf die Kunst, aber nicht unbedingt auf einzelne Bilder oder Werke. So diskutieren Hille Koskela und Liisa Mäkinen die lustvollen und verspielten Seiten der Überwachung, die sich u.a. in den Werken von Jill Magid finden lassen, von der auch die wundervolle Arbeit Evidence Locker ist, in der sie sich blind, nur von den Operateuren der CCTV Kameras durch Manchester führen lässt. Eine ästhetisch und intellekutell absolut faszinierende Arbeit. Peter Weibel denkt über Fotografie und die Verwaltung der Daten nach – und die Bezüge zu Überwachung sind auch unausgesprochen sofort deutlich. Shoshana Magnet, eine weitere Surveillance-Forscherin, widmet sich dem biometrischen Bild und nicht zuletzt der Aufsatz von Louise Wolthers zum Bild der Erde wie sehr Überwachung auch immer der Versuch ist, Welt begreifbar zu machen, jenseits eigener Erfahrungen (vgl. dazu auch Zurawski 2014).
Die Text in Verbindung mit den Bildern geben jede Menge Anreize über Überwachung nachzudenken, anders zu denken, neue Impulse und Perspektiven auszuprobieren – deshalb ist der Katalog absolut empfehlenswert. Ich bin mir sicher, dass ein Besuch der Ausstellungen in Berlin andere Eindrücke hinterlassen wird, aber gerade deshalb ist der Katalog so wichtig, weil damit auf andere Weise ein Beitrag zur Diskussion geliefert werden kann – sowohl für die etablierten Surveillance-Forscher, aber auch für die neuen in diesem Feld.
Nils Zurawski, Hamburg