„Abhören unter Freunden – das geht gar nicht!“
Dieser Satz, den Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer 2013 angesichts der bekannt gewordenen Spionageaktivitäten des US-amerikanischen Geheimdienstes sagte, könnte Leitthema der gestern auf ARTE ausgestrahlten Dokumentation „Schattenwelt BND. Wie viel Geheimdienst braucht Deutschland?“ gelten.
Die beiden Autoren Rainald Becker, Chefredakteur der ARD, und der Dokumentarfilmer Christian Schulz dokumentieren in ihrem Beitrag – auch anhand von Gesprächen mit namhaften Interviewpartnern – die zumindest fragwürdigen Spionageaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes, die denen der US-amerikanischen Kollegen in wenig nachstehen und stellen die Frage, welche politische/ gesellschaftliche Kontrolle dem deutschen Geheimdienst entgegenzustellen ist. Sehr eindrücklich zeigen die Filmemacher auf, mit welchen Schwierigkeiten sich die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses bei ihrer Arbeit konfrontiert sehen und stellen auch die Frage nach dem grundsätzlichen Nutzen einer umfassenden staatlichen Kontrolle der elektronischen Kommunikation als Mittel im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Es liegt im Wesen eines Geheimdienstes, dass seine Arbeit im Verborgenen stattfindet. Und obwohl den Machern von „Schattenwelt BND“ u.a. Einblick in die BND-Abhörzentrale in Pullach und die noch im Bau befindliche neue BND-Zentrale in Berlin gewährt wird, bleiben am Ende der 90-minütigen Dokumentation viele Fragen ungeklärt. Klar wird lediglich, dass mit der Absetzung des ehemaligen Geheimdienst-Chefs, Gerhard Schindler, alle vorsichtigen Reformbemühungen und politische Kontrollbestrebungen bis auf Weiteres gescheitert sind.
Der wirklich sehenswerte Beitrag, der m.E. ein heißer Anwärter für den Surveillance-Studies-Preis für Journalisten 2017 ist, wird am Freitag, den 29. Juli ab 9:20 Uhr wiederholt und steht darüber hinaus in der ARTE-Mediathek zur Verfügung.
Programmankündigung „Schattenwelt BND“ auf ARTE
Es ist eine gigantische Geheimbehörde, ein Dienst, der vollkommen im Verborgenen operiert: Der Bundesnachrichtendienst (BND) setzt Tausende Beamte mit falschen Namen und falschen Pässen ein, um an fremde Staatsgeheimnisse zu kommen und an Informationen, die in keiner Zeitung zu lesen sind: Wie kämpft der sogenannte Islamische Staat? Was sind Putins Pläne? Was kommt als nächstes auf Deutschland zu? Solche Fragen sollen die Agenten für das Kanzleramt beantworten. Ihre Aufklärungsaufträge erhalten sie aus dem Verteidigungsministerium, aus dem Auswärtigen Amt oder aus anderen Ministerien. Die Spione sind der sechste Sinn der Regierung.
Aber der BND steckt tief in einer Vertrauenskrise. Ein Abhörskandal nach dem anderen erschüttert den Dienst. Nichts und niemand scheint vor der Neugier der Spione sicher zu sein: Ohne jeden Anlass wurden E-Mails und Telefonate deutscher Bürger überwacht. Die deutschen Agenten haben ihren US-Kollegen von der NSA geholfen, Firmen in Deutschland auszuspähen, sie haben Hillary Clinton und Kofi Annan abgehört und sogar vor deutschen Diplomaten nicht halt gemacht. Der Dienst ist aus dem Ruder gelaufen. Gerhard Schindler war der erste BND-Präsident, der zugab, dass sein Dienst zu weit gegangen ist.
Musste er deshalb gehen? Wer bändigt diesen Spionagebetrieb mit seinen gewaltigen Abhöranlagen und seinem Datenhunger? Was leistet der BND? Welche Rolle spielt er für die Politik und wo sollen die Grenzen für den Geheimdienst sein? Diesen Fragen gehen die Autoren nach und erhalten aufschlussreiche Antworten.
Markus Kompa schreibt
Ich war auch angenehm überrascht, denn Mit-Autor Reinald Becker ist eher für reaktionäre Positionen bekannt.