Vor vier Jahren verhinderte Angela Merkel „mit brachialer Gewalt“ (Die Welt) ein Referendum der Griechen über den Rettungsschirm und die damit verbundenen – uneinlösbaren – Bedingungen, das der damalige Premier Papandreou von der PASOK seinem Volk versprochen hatte.
Hätten die Griechen sich doch damals nicht erpressen lassen! Dann hätte sich auch der Glaube nicht festsetzen können, dass die Gewählten letztlich doch immer nachgeben würden: nicht ihren Wählern, sondern der EU-Bürokratie, die von ihnen das Brechen der Versprechen als erste Gabe verlangen.
Der Respekt der EU vor der Demokratie hört da auf, wo die Interessen der großen Akteure – in diesem Falle; der Banken – beginnen.
Der neue Anlauf der Griechen zu einer Volksabstimmung wird auch nicht ihnen selbst überlassen: die EU-Granden wiegeln das griechische Volk auf, sich gegen ihre Regierung zu stellen. Wo sind dafür eigentlich die demokratietheoretischen Grundlagen?
Da müssen Interessen betroffen sein.
In Griechenland ist die Zahl der Suizide seit dem Beginn der Großen Krise immer wieder sprunghaft angestiegen – gelegentlich von einem Jahr zum anderen um bis zu 40%. Britische Forscher wie Martin McKee, Professor für Europäische Öffentliche Gesundheit an der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin, die die Folgen der Krise beobachteten und in der Fachzeitung «Lancet» dazu veröffentlichten, konstatierten schon während der ersten Krisenjahre eine exponentielle Zunahme von HIV-Erkrankungen (u.a. wegen der Streichung von Hilfsprogrammen für i.v. Gebraucher verbotener Substanzen). Hinzu kommen Ausbrüche von Malaria, Dengue- und West-Nil-Fieber in Griechenland. Davon hört man aber wenig in den deutschen Medien.
Geht ja auch nicht um Geld. Um unser Geld.
Heute nun erklärte Jean-Claude Juncker – einer der Gutmeinenden unter den EU-Bürokraten – in einer dramatischen Fernsehansprache den Griechen, dass es doch wenig sinnvoll sei, „aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begehen“.
Das kam nicht so gut an in einem Land, in dem während der Dauerkrise nun schon geschätzte Elftausend aus Elend und Verzweiflung Selbstmord begingen.
Die Enttäuschung in Brüssel ist groß darüber, dass der aktuelle Premier nicht (wie seine Vorgänger) nach der Wahl schleunigst alle seine Versprechen über Bord geworfen hatte. Warum verhielt er sich nicht wie sein Vorgänger Samaras?
Das hatte man noch nie erlebt. Das hatte man nicht erwartet. Das war einfach zuviel für diejenigen, die immer auf das Einhalten von Vereinbarungen drängen, aber nur die Verträge meinen, die ihnen nützen.