Mit seinem Kommentar zum zweiten Teil dieser kleinen Lübeck-Serie hatte Olav Guhs vor 14 Tagen aus eigener Erfahrung als Bediensteter der JVA ein Rätsel zu lösen versucht. Das Rätsel nämlich, wieso in einem Gefängnis trotz großzügiger Personalausstattung (in der Theorie) ein eklatanter Personalmangel (in der Praxis) herrschen kann.
Zur Erinnerung: das arme Bundesland S-H leistet sich den Luxus von 70 Bediensteten auf jeweils 100 Gefangene. Da können andere Bundesländer nur neidisch werden. Der Durchschnitt liegt bei 55 Bediensteten je 100 Gefangene. Die JVA Lübeck verfügt – in der Theorie – über einen der personalstärksten Allgemeinen Vollzugsdienste (AVD) und darüber hinaus über eine ebenfalls überdurchschnittliche Ausstattung mit Fachdiensten wie z.B. AnstaltspsychologInnen.
Trotzdem herrscht in der Praxis immer wieder Personalmangel: wenn die Gefangenen nach ihrer Arbeit in den Werkbetrieben Feierabend haben und zu Mitgefangenen auf die Zelle („Umschluss“) oder bei offenen Zellentüren in ihrem Gebäudeteil miteinander kommunizieren wollen („Aufschluss“), müssen sie oftmals allein in ihren Zellen bleiben („Einschluss“), weil nicht genug Personal da ist, um die Zellen auf- und zuzuschließen und aufzupassen, dass nichts passiert. Obwohl den Gefangenen diese minimalen Freiheiten eigentlich zustehen, werden sie ihnen wegen Personalmangels verweigert. So kommt es, dass das Leben für die Gefangenen in Lübeck sehr viel härter ist als anderswo – und das besonders an Wochenenden, wenn das Bedürfnis nach Kommunikation und Entspannung bei den Gefangenen besonders groß und die Zahl der Bediensteten besonders klein ist. Kein Wunder, dass der Ruf der Anstalt unter Gefangenen und Angehörigen nicht besonders gut ist („nur nicht nach Lübeck, in dieses KZ des Nordens!“).
Olav Guhs erklärt den chronischen Personalmangel in der JVA mit urlaubs- und krankheitsbedingten Abwesenheiten sowie mit externen Bewachungen, die viel Personal binden und häufig mehrere Tage dauern. Ungeklärt bleibt dann allerdings, wie es andere Anstalten mit einer schlechteren Personalausstattung dann schaffen, den Gefangenen die Bewegungsfreiheit zu gewähren, die ihnen zusteht. Auch anderswo gibt es ja Urlaube, Krankheiten und externe Bewachungen.
Des Rätsels Lösung muss also woanders zu suchen sein. Denkbar ist, dass der Krankenstand in Lübeck besonders hoch ist. Olav Guhs erwähnt die ständigen Wechselschichten und vielen Änderungen im Vollzug, die auch Veränderungen in den Aufgaben des AVD mit sich bringen. Doch von Wechselschichten und Änderungen sind auch andere Anstalten in anderen Bundesländern nicht verschont – und die kriegen es auf die Reihe. Woher also das Versagen der JVA Lübeck, was die Aufschlusszeiten für die Gefangenen und die Praktizierung von Lockerungen angeht?
Möglicherweise steckt der Teufel im Detail, und dieses Detail könnte „Dienstplan“ heißen. Der Dienstplan regelt, wer wann wo in der Anstalt arbeitet – und ist für die Lebensqualität von Bediensteten und Gefangenen gleichermaßen relevant. Nur dass er leider nicht beiden Gruppen gleichermaßen gerecht zu werden scheint. In Lübeck scheint er auf die Bedürfnisse der Bediensteten zugeschnitten zu sein, nicht auf die Bedürfnisse der Gefangenen. Die Gefangenen würden von einem Dienstplan profitieren, der viel Personal für die Abendstunden und für die Wochenenden vorsieht. Morgens und werktags brauchen sie nicht so viel Personal, da sind sie in den Werkbetrieben und gehen ihrer Arbeit nach. Aber in ihrer Freizeit am Abend und an den Wochenenden ist das anders. Vielleicht ist es dieses Detail, in dem sich die JVA Lübeck von anderen, besser funktionierenden, unterscheidet. Denn hier, in Lübeck, scheint es so zu sein, dass der Dienstplan die konzentrierte Anwesenheit vieler Bediensteter während der Werktage und während der Arbeitszeit der Gefangenen vorsieht, entsprechend ausgedünnte Anwesenheiten des AVD aber dann, wenn er wirklich gebraucht würde. Eine der immer wieder zu hörenden Kritiken am AVD ist denn auch: sie sitzen zu fünft oder sechst in Aufenthaltsräumen und vertreiben sich die Zeit ohne Gefangenenkontakte, während die Gefangenen in den Betrieben der Anstalt sind – und machen Feierabend, wenn sie gebraucht würden, weil der Dienstplan es so vorsieht. Versuche von Anstaltsleitern, den Dienstplan auf die Bedürfnisse der Anstalt – und nicht nur die einer gutorganisierten Gruppe von Beschäftigten – auszurichten, sollen in der Vergangenheit wiederholt am entschlossenen Widerstand des GdP-dominierten Personalrats gescheitert sein („die Frühschichten lassen wir uns nicht nehmen, das ist unsere größte Errungenschaften!“).
In allen Organisationen gibt es Leistungsträger und weniger motivierte oder weniger fähig Mitarbeiter: das ist normal. Hier scheint es sich aber um ein informelles Machtzentrum eigener Art zu handeln, in dem sich Beschäftigte in einer Art Trotzhaltung zusammengefunden haben, um verbissen und mit allen Mitteln (von strategischen Krankschreibungen bis zu Intrigen gegen die Leitung der Organisation) eigene Gruppeninteressen zu verfolgen: auf Kosten von Gefangenenrechten und auf Kosten des Funktionierens der Gesamtanstalt. Diesen Privilegienschutz zu betreiben und sich gleichzeitig als überarbeitete Opfer eines objektiven Personalmangels und einer allzu liberalen Politik zu stilisieren – das ist womöglich das Geheimrezept der heimlichen Herrscher in diesem Gefängnis.
In der Wirtschaft ist in vielerlei Hinsicht mehr Flexibilität und Einsatz gefordert als im vergleichsweise ruhigen Staatsdienst. Bilden sich dort passiv-aggressive Reformbremser-Gruppen, dann kann das für ein Unternehmen katastrophal sein. Ein Siemens-Chef sprach einmal von einer „Lehmschicht“ in seinem Konzern, an der alle Umstrukturierungen scheitern könnten – und das Unternehmen selbst auch. Der Lehmschicht, so der Siemens-Chef, gehe es nicht mehr um das Unternehmen, sondern nur um die Sicherung der eigenen Privilegien innerhalb des Unternehmens – zu Lasten der anderen Gruppen, der Innovationsfähigkeit und des von der Organisation erwarteten Beitrags für die Belange der Allgemeinheit. Vielleicht ist es an der Zeit, den Betrieb „JVA Lübeck“ unter dem Gesichtspunkt der faktischen Herrschaft über den Dienstplan von unabhängigen kriminologischen Strafvollzugsexperten durchleuchten zu lassen. Das Paradox eklatanter Knappheit bei luxuriöser Ausstattung wäre dann vielleicht bald gelöst.
Ihre zahlen zweifel ich nicht an …
aber .
wenn man ausrechnet ..wie viele Verbrecher / Lumpen / oder ähnliches Geschmeiss
bei UNS hier in Deutschland einsitz/t/en ….
und
im gegensatz dazu die usa……
wo solch Abschaum mindestens 10 mal soviel eingebunkert ist…
dann verstehe ich auch ….warum uns die Ganoven soooo lieb haben ..
Ich war 38 Jahre Schöffe bei Jugend- und Erwachsenen- und allen – instanzen…
wenn ich daran denke …..
dass auf 10 Verurteilungen bestenfalls EINER mal rein ging in den Knast…
dann schaudert es mir noch heute …
und ich bin angewidert….wieviel Geld wir für die Knäste immer noch aufwenden
UND : !!! an Gehältern für die schwafelnden Richter / STA / Bewährungshelfer und
ähnlichem Abkassieren im Grunde für Nichts…
ceterum : Als nun alter Mann hat man doch die Scheu ..bei Dunkelheit allein auf die Strasse
zu gehen..
denn : w a s kostet es denn , einen alten Mann niederzutreten ??? hahaa : NICHTS …
außer vielleicht : 6 Monate auf Bewährung
grüsse aus kiel
Sollte es in der JVA Lübeck tatsächlich eine Lehmschicht geben, die eine an den Aufgaben und Zielen des Strafvollzuges ausgerichtete Dienstplanung verhindert?
Wie konnte eine solche Lehmschicht unbemerkt entstehen und warum wird sie nicht aufgebrochen?
Nach meinem Kenntnisstand gilt im Strafvollzug des Landes SH der sog. Abteilungsleitungsvollzug. Das bedeutet, dass der AVD nicht in einer eigenen Hierarchiesäule organisiert, sondern dezentral Vollzugsabteilungen zugeordet ist und der jeweiligen Abteilungsleitung untersteht. Die Führungsspanne dieser Abteilungsleitungen wird nicht mehr als 20 AVD betragen. Und bei 20 Untergebenen bemerkt man nicht, wenn sich eine Lehmschicht rausbildet?? Oder wollte man – noch schlimmer sollte man es nicht bemerken? Wird hier an einem Strang gezogen?
Der Verdacht drängt sich auf. Findet sich nicht auch der ein oder die andere von der Lehmschicht gut bedient? Und noch ein weit schlimmerer Verdacht steht im Raum: Es gibt Rückendeckung von ganz oben. Wie sollte sonst die Pressemitteilung der GdP vom 09.01.2015 mit der Überschrift: „Staatssekretär muss bleiben“ (wohl gemerkt nicht „Ministerin muss bleiben“) zu verstehen sein? Ausdrücklich wird die menschliche Seite des Staatssekretärs gelobt und die gute Zusammenarbeit mit der GdP. Ihm wird bescheinigt „…..das er die Dinge benennt, abstellt und nicht sofort zur Tagesordnung übergeht…..“ Es wird also öffentlich die Erwartung formuliert, der Staatssekretär werde in der JV Lübeck aufräumen. Das damit das Agieren der Lehmschicht gemeint sein soll, ist nicht sehr wahrscheinlich. Vielmehr steht zu befürchten, dass der Staatssekretär Schluss mit den unbequemen Veränderungen in der JVA Lübeck machen soll und wird. Nach der Pressemitteilung hegt die GdP zumindest ein großes Vertrauen, dass mit Hilfe des Staatssekretärs alles beim alten bleibt. Woraus nährt sich dieses staatszersetzende Vertrauen? Gibt es eine geheime Kumpanei zwischen Politik und Gewerkschaft? Geht diese Kumpanei soweit, die eigenen Ministerin zu opfern?
Es ist was faul im Staate Schleswig-Holstein
Ich stimme damit überein, dass sich andere Bundesländer ebenfalls im Strukturwandel zum Strfvollzug befinden. Es ist nur so, das mit der Übernahme der Leitung durch Frau Mauruschat, erhebliche Veränderungsanregungen stattfanden. Da muss man sich mal vor Augen halten, dass die JVa Lübeck das Gefängnis mit der höchsten Sicherheitseinstufung in SH ist und es wurden in den vergangenen Jahren Millionen in das Sicherheitssystem investiert. Diese JVA befindet sich damit einhergehend in einem extremen, baulichen Strukturwandel. Nunmehr ist es letzlich ja das Justizministerium in SH, die sich eine extreme Liberalisierung des Vollzuges wünschen und umsgesetzt haben möchten.
Wenn hier von Rechten des Aufschlusses gesprochen wird, so ist es lediglich das Gewohnheitsrecht, keinesfalls das gesetzliche. Und genau darum geht es. Das Gewohnheitsrecht soll weiterhin bestand haben. Darüber hinaus sollen die Gefangenen durch ein zusätzliches Angebot von Gesprächsgruppen, Freizeitgestaltung und familienfreundlichem Vollzug „resozialisiet werden“. Das ist gemein hin eine sehr schöne Idee….Doch welche Straftäter hat Lübeck denn? Es sind Gewohnheitstäter, die bereits oft schon in Ihrer Jugend dissozial geprägt waren und ein Unrechtsbewußtsein schlecht entwickelt haben oder es im Laufe Ihrer „Knastkarriere“ abgelegt haben. Es ist eine gute Idee, diesen Menschen einen geordneten Tagesablauf und die übernahme von sozialer Verantwortung zu vermitteln. Das funktioniert fremdgesteuert bestimmt auch gut. Aber in EIgenverantwortung nach der Verbüßung der Strafe werden doch schnell wieder alte Muster gelebt. Da muss doch wieder Geld rangeschafft werden…Und der gewohnte Lebensstil ist alle Male besser, als von vorne zu beginnen.
Andere Vollzugsanstalten schaffen das den Tagesablauf durch ein Schichtsystem mit 3×8 Stunden. Damit wird der Aufschluß verlängert. Die Bediensteten haben aber nicht mehr frei, sondern eine höhere Anzahl an Überstunden, weil die Anzahl der Bediensteten ja immer gleich hoch ist, egal wie lange die jeweilige Schicht dauert. Lübeck hat durch den Regelvollzug von Langstrafen ein besonders problematisches Klientel, was einfach intensiver als in anderen Vollzugseinrichtungen behandelt werden muss. Dazu kommen die logistischen Schwierigkeiten durch bauliche Maßnahmen und die Änderungsforderungen des Vollzuges im Allgemeinen. Das alles führt eben zu einer erheblichen Belastung des Personals. Die Beamten unterliegem einem höherem Streß. Das führt zwangsläufig zu erhöhtem Ausfall von Personal. Die Vergangenheit hat gezeigt, das die Gewaltbereitschaft in Lübeck offensichtlich auch höher ist, als in anderen Vollzugseinrichtungen. Es bedarf sicherlich einer Anpassung der Strukturen. Ich denke, dass das Justizministerium hier Maßnahmen zur Anpassung ergreifen muss, damit die Bevölkerung weiterhin sicher ist, die Bediensteten auch geschützt ihren Dienst verrichten können und der Vollzug liberaler werden kann.