Am gestrigen Sonntagnachmittag zur besten Kaffeekränzchen-Zeit war es soweit: die Lübecker Nachrichten (LN) meldeten in ihrer Online-Ausgabe, dass nicht weniger als drei Fraktionen im Kieler Landtag den Kopf der Anstaltsleiterin des Lübecker Gefängnisses forderten.
Das Ungewöhnlichste an der Aktion von CDU, FDP und Piraten war die Form. Denn die drei Fraktionen hatten sich zu einer gemeinsamen Erklärung durchgerungen. Nicht gerade selbstverständlich angesichts ihrer sonst recht unterschiedlichen Haltungen zur Strafvollzugspolitik.
Adressatin der Forderung nach einer vorläufigen Suspendierung der Anstaltsleiterin von ihren Amtsgeschäften ist die Justizministerin des Landes Schleswig-Holstein, Anke Spoorendonk. Die dem kleinen Südschleswigschen Wählerverband SSW (auch als Sydslesvigsk Vælgerforening bekannt) angehörende Ministerin hatte sich erst am 7. Januar in einer Pressekonferenz demonstrativ hinter Leitung und Personal der Anstalt gestellt: nach ihrer Kenntnis sei in Lübeck bei der Geiselnahme vom Heiligabend 2014 „alles richtig gelaufen“.
Die Ministerin stand aber wohl offenbar auch nach Pressekonferenz und Landtagssitzung weiterhin unter Druck. Jedenfalls erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Günther am Sonntag, es bestehe kein Zweifel daran, dass eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Anstalt gegeben sei: innerhalb der Mitarbeiterschaft herrsche offenbar eine hohe Verunsicherung. Die Ministerin müsse handeln, die Anstaltsleiterin müsse zumindest vorläufig gehen. Sonst, so darf man wohl ergänzen, müsse sich wohl die Ministerin selbst Sorgen um ihren Posten in der Regierung machen. Solche Dilemmata kennt man aus der natural history von politischen Skandalen: ist ein gewisser Punkt erst einmal erreicht, dann bedarf es zur Beendigung der Angelegenheit eines Opfers. Irgend jemand muss zurücktreten: das kann eine ganze Regierung, ein Minister oder eine Ministerin, das kann aber auch ein Ministerialbeamter oder eine Anstaltsleiterin sein. Je nach Geschick und Noblesse versucht man auch gerne, die hochgeschätzte eigene Haut zu retten und lieber eine Etage tiefer ein sog. Bauernopfer zu organisieren, damit die Jäger endlich Ruhe geben …..