Im Deutschlandfunk wird heute 9:30 Uhr in der Reihe Essay und Diskurs ein Essay über die Pädophilie-Debatte ausgestrahlt. Er kann danach auf der Website nachgehört werden (www.deutschlandradio.de).
Ja, wer sind denn diese Kinder?
Die Pädophilie-Debatte und der schöne Schein
Von Ulf Erdmann Ziegler
[Editiert am 15.09.2014] Der Direktlink zum Podcast der Sendung lautet:Der Maler Balthus fotografierte Kinder, die das Folkwang Museum nicht ausstellen will, weil es rechtliche Konsequenzen fürchtet. Eine hedonistisch entgrenzte Gesellschaft übt sich in Entrüstung. Leutseligen Beifall bekommt eine Politikerin, die fordert, dass man „Kinder noch besser schützen müsse“. Der Justizminister arbeitet an einer Lex Edathy. Woher eigentlich kommt die Idee von der Reinheit des Kindes, und stimmt es, dass Jean-Jacques Rousseau dieses Kind, das der Natur so innig verbunden sei, vor 200 Jahren erfunden hat?
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/09/14/dlf_20140914_0931_b410e1a7.mp3
Ein m.M.n. sehr guter Essay, ueber dessen Inhalt und den sich aus den dort angefuehrten Tatsachen, Schlussfolgerungen und Extrapolationen ergebenden Konsequenzen vor Allem in ihren Handlungen dem Buerger verantwortliche Menschen sowie saemtliche Medien’gestalter‘ – und sebstverstaendlich der Buerger als ‚Traeger‘ des Mainstreams – intensiv und ‚intelligent‘ nachdenken sollten…soweit ihnen das ueberhaupt noch moeglich ist.
Guter Essay, vor allem die letzten 5-10 Minuten. Ich frage mich nur:
1. Wenn das Kind kein 100% unschuldiges und reines Wesen ist (das glaube ich natürlich auch nicht), was ist es eigentlich dann? So ganz „traut“ sich der Autor ja dann doch nicht, anzusprechen, was er denkt – allenfalls am Beispiel der rumänischen Jugendlichen – nämlich, dass Kinder oder Jugendliche mitunter „freiwillig“ (was auch immer das bedeutet) an sexuellen Verhaltensweisen, sogar mit Erwachsenen, teilnähmen, also manchmal überhaupt nicht „rein“ seien.
Wenn wir demnach also keine Engelchen haben, was haben wir eigentlich dann? Teufelchen?
Bei dieser Pädophilie-Diskussion frage ich mich manchmal, ob es diese „Fälle“, von denen alle sprechen (oder sich aber noch öfter nicht mal trauen, zu sprechen, sondern nur davon denken), nämlich den Fällen von Kindern, die sagen: „Ja ich möchte mit diesem Erwachsenen Sex haben“ und diesen Satz niemals bereuen, überhaupt gibt. Und wenn ja, was es bedeuten würde, solche Kinder zu haben. Denn gibt es diese Fälle nicht oder kaum, ist ein Teil der Diskussion doch hinfällig – nämlich der, ob pädophile Handlungen (nicht: Neigungen) irgendwann irgendwo straffrei sein sollten.
2. Ganz anders sieht es mit der Verbreitung oder sich selbst zugänglich Machens von Nackbildern von Kindern aus. Hier wird eine ganz neue Grenze überschritten, die meines Erachtens schon beim Besitz von Kinderpronographie sehr sehr früh gezogen ist!
Woher wissen wir eigentlich so genau, dass die Frauen (oder Männer), von denen es Nacktbilder gibt, diese freiwillig aufgenommen haben oder wollen, dass sie gesehen werden?
Und wieso ist der Besitz von Hardcore-Pornos ok, wo doch zu vermuten ist, dass (analag zum Problem der Prostitution) die Pornodarsteller dies entweder unfreiwiliig oder quasi freiwillig (prekäre finanzielle Situation z.B.) tun?
Diesen Unterschied soll mit mal der Justizminister erklären.
Sehr guter Sendebeitrag vom Deutschlandfunk – danke für die Veröffentlichung auf diesem Weblog. Übrigens soll der Gesetzentwurf am kommenden Mittwoch das Bundeskabinett passieren….
Es ist bemerkenswert, dass Kinder hauptsächlich dann „geschützt“ werden müssen, wenn es um Sex geht. Eine rationale Diskussion darüber ist nicht möglich.
Geht es darum, dass man Jungen die Vorhaut amputiert, dann darf man nicht nur darüber diskutieren, sondern es gibt auch noch ein Gesetz als Dreingabe, dass dies uneingeschränkt erlaubt.
Und während alles, was auch nur Kinderpornografie sei könnte, umfassend von der Herstellung über den Besitz bis hin zur Verbreitung massiv mit Strafe bedroht ist, sind gleichzeitig Textilerzeugnisse, die von Kindern in Indien unter menschenunwürdigen Sklavenbedingungen hergestellt wurden, an jeder Ecke in Deutschland frei verkäuflich. So viel zum Thema Menschenwürde, das seltsamerweise in Bezug auf Kinder meistens nur dann eine Rolle spielt, wenn es um Sexualität geht.
Woher die irrige Annahme vom reinen, unschuldigen Kind kommt, kann ich auch nicht sagen. Aber man muss sich nur einmal alte Filme wie „Der Herr der Fliegen“ ansehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass die Unschuld und Reinheit von Kindern eine pure Fiktion ist, vielleicht sogar eine Projektion Erwachsener, die ihrer eigenen Kindheit nachtrauern. Bezeichnend ist ein Artikel in der Huffington Post:
Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit sich eine Mutter wünscht, dass ihre Söhne bis zum 25. Lebensjahr nicht einmal an Sex denken sollten. Während bei ihren Jungen wahrscheinlich alles in Ordnung ist, wenn sie spätestens mit dem 13. Lebensjahr an fast nichts anderes als an Sex denken, muss man sich bei der Mutter fragen, ob sie noch alle beisammen hat in ihrem Oberstübchen.
Nichtsdestotrotz ist es genau diese Sichtweise ein Übel der heutigen Zeit, das man als lächerliche Marotte abtun könnte, wenn sich nicht genau hinter dieser Einstellung die gesamten Verschärfungen im Sexualstrafrecht der letzten 25 Jahre zusammenfassen ließen: Beim Kind wird von sexueller Selbstbestimmung gesprochen und meinen tut man sexuelle Enthaltsamkeit. Dies geht inzwischen so weit, dass man selbst 17-jährige Jugendliche gerne in diesem Gesichtspunkt als Kinder behandeln würde und man jede sexuelle Aktivität von Kindern und Jugendlichen nur noch mit strafrechtlichen oder pathologischen Mitteln begegnet.
Ein Videobeitrag auf Youtube macht deutlich wie unentspannt unser Verhältnis hierzulande zu sexuellen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen ist und das obwohl wir uns mit Sicherheit als eine der sexuell freizügigsten Gesellschaften auf dieser Erde bezeichnen würden.
Doch die meisten dürften über diesen Beitrag den Kopf schütteln: Was Kinder in Kolumbien sexuell so treiben
Der Beitrag ist auf Englisch. So um Minute 7 herum wird die Frage beantwortet, womit sich Jungen dort die Zeit vertreiben und anscheinend tun sie dies mit einer Selbstverständlichkeit, die das Filmteam fassungslos machte.
Hierzulande würden diese Kinder als krank oder pervers gelten oder als beides. Dort scheint es normal.
Das führt zur Ausgangsfrage zurück: Wer sind denn diese unschuldigen und reinen Kinder? Ich kenne sie nicht. Und jeder der mit Kindern zu tun hat kenn sie ebenfalls nicht. Es sind seltsamerweise immer die Kinder der anderen, die so rein und unschuldig sind, dass sie immer und überall geschützt werden müssten. Die eigenen Kinder werden dagegen von vielen Eltern auch gerne härter angefasst, wie 150 tote, durch Misshandlung gestorbene Kinder jedes Jahr in Deutschland belegen.
Und genauso wie die Zahl der bei Sexualverbrechen getöteten Kinder konstant bei weniger als 5 pro Jahr liegt, liegt die Zahl, der durch ihre Eltern durch Misshandlung getöteten Kinder bei 150.
Eine erregte Medienberichterstattung findet aber fast ausschließlich um die 5 durch Sexualverbrechen getöteten Kinder statt. Die anderen toten Kinder sind offenbar die Aufregung nicht wert. Oder kann man sich insgeheim in Eltern einfühlen, die ihr Kind aus Wut oder Hilflosigkeit tot prügeln? Vielleicht weil man selbst schon ein solches Verlangen hatte, während ein sexuelles Verlangen gegenüber Kindern für die meisten nicht nachvollziehbar ist und daher als besonders verabscheuungs- und strafwürdig empfunden wird?
Richtet die Mehrheit der sexuell Normalen deswegen mit unnachgiebiger Härte über die Minderheit der sexuell Abartigen, weil sie Ablass für ihre eigene Gewalttätigkeit gegenüber Kindern begehrt?
Eine Antwort darauf habe ich nicht. Ich weiß nur, dass ich als Kind nicht rein war und unschuldig war ich auch nicht. Erwachsene, die das über mich gesagt hätten, wäre für mich unwissende Idioten gewesen und ich hätte mich über sie kaputt gelacht.