In Kooperation mit dem Surveillance Studies Blog veröffentlicht Criminologia Rezensionen von Bücher aus den Bereichen Überwachung & Kontrolle und Kriminologie.
Weitere Rezensionen finden sich hier.
![]() |
Titel: | Comic Book Crime: Truth, Justice, and the American Way |
Autorinnen: | Nickie D. Phillips & Staci Strobl | |
Jahr: | 2013 | |
Reihe: | Alternative Criminology | |
Verlag: | NYU Press | |
ISBN: | 0814767885 |
„Comic Book Crime: Truth, Justice, and the American Way” ist Teil der Alternative Criminology Series der New York University Press und fachlich in der Cultural Criminology angesiedelt. Nickie D. Phillips, Associate Professor am St. Francis College in New York, und Staci Strobl, ebendort Associate Professor am John Jay College, untersuchen in ihrer Arbeit amerikanische Comicbücher, um dadurch das Verständnis der Amerikaner von „crime and justice” verstehen und nachvollziehen zu können. Erklärtes Ziel der beiden Autorinnen ist es, den/ die Leser/in für die Subkultur des Comics zu sensibilisieren. Sie schlussfolgern: „We suggest that the impact of comic books is greater than it may first appear” (226).
Aber von Anfang an: Phillips und Strobl unterteilen ihr Werk in zehn Kapitel. Mit Kapitelüberschriften wie „Aren’t we supposed to be the good guys?” oder „Take down the bad guys, save the girl” bedienen sie sich stilistisch einer Comic-Terminologie und untermalen ihre Ausführungen mit beispielhaften Erzählungen aus Comicbüchern.
Grundsätzlich analysieren Phillips und Strobl Comicbücher, die nach dem 11. September 2001 erschienen sind. Trotzdem erklären sie zuvor die Geschichte des Comicbuches in den USA vor 2001 und geben beispielsweise darüber Aufschluss, wie sich die Comic-Industrie durch den „Comics Code” seit 1954 selbst zensierte. Eine Veränderung dieser Eigenkontrolle, um staatlicher Aufsicht zuvor zukommen, zeichnen die späteren Ausführungen nach.
Weiterhin zeigen die Autorinnen in ihren historischen Analysen sehr deutlich die Parallelen zwischen Fiktion und Realität auf: wie sich beides gleichermaßen nach historischen Ereignissen ändert, wie zum Beispiel nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941. Dabei betrachten sie nicht nur die Veränderung der Superhelden, sondern auch die der Bösewichte und stellen dabei den in Comics immer wiederkehrenden Kampf zwischen ‚Gut’ und ‚Böse’ heraus. Die Autorinnen weisen auf die Einzigartigkeit des amerikanischen Comicbuches hin, nämlich den niemals endenden Kampf für ein Utopia. Daraus schließen sie, dass dies Ausdruck des Wunsches der Amerikaner nach Freiheit und Demokratie sei (vgl. 69).
Phillips und Strobl beschäftigen sich mit vielen kriminologisch relevanten Themenbereichen. So erläutern sie verschiedene Kriminalitätstheorien – von Lombrosos anthropologischer Kriminalitätstheorie bis zur Sozialen Desorganisation – und untersuchen die Konstruktion des ‚Bösen’ (beides in Kapitel 5: „That’s the trouble with a bad seed. Villians and the embodiment of evil”). Genauso wie sie sich mit für die Cultural Criminology wichtigen Aspekten wie Geschlecht, Sexualität, Ethnizität und den (auch historisch begründeten) dazugehörigen Vorurteilen in Comicbüchern sehr differenziert auseinandersetzen. Dabei stellen sie fest, dass der amerikanische Durchschnittssuperheld weiß, männlich und heterosexuell ist – nicht wirklich überraschend, allerdings gibt es auch Ausnahmen.
Leider findet die Methodik, die Phillips und Strobl für ihre Analyse benutzt haben, nur kurz in der Einleitung und im Anhang Erwähnung. Trotzdem oder gerade deswegen ist dieses Buch sicherlich nicht nur für Comicfans eine interessante Lektüre; es ist auch für sozialwissenschaftlich unerfahrene Leser/innen verständlich und interessant. So lässt sich das neunte Kapitel, „Apocalyptic Incapacitation: The ‚Maximum-Maximum’ response to crime”, auch als kurze Einführung in die Kriminologie lesen.
Bei Phillips‘ und Strobls Analysen fällt auf, dass sie den/die Comicbuch-Leser/in als kritisch und reflektiert porträtieren, der/die sich der Karikierung der Realität im Comicbuch sehr wohl bewusst ist und das Medium eben genau zu der genannten Auseinandersetzung mit Diversität nutzt.
Leider scheint diese Toleranz nur auf den/die Leser/in von Comicbüchern zuzutreffen, so beschreiben Phillips und Strobl in ihrem Fazit den American Way of Life mit den Worten: „we believe these books reflect a general and enduring American social conservatism and fear of crime that are palpable in many other media and reflect the larger social context” (221). Etwas verwirren kann, dass auf der anderen Seite Superhelden als „attacks on conservative values” (225) dienen. So lassen Phillips und Strobl den/die Leser/in am Ende doch ziemlich allein damit, ob Comicbücher nun eher dazu dienen, die konservativen amerikanischen Werte zu unterstützen oder sie herauszufordern.
Trotzdem – es ist den Autorinnen gelungen aufzuzeigen, dass Comicbücher (zumindest im amerikanischen Kontext) dazu geeignet sind, einen größeren sozialen Zusammenhang zu untersuchen und auch zu verstehen. Sie versöhnen mit dem vorgenannten Verwirrungsanlass, wenn sie feststellen, dass das Comicbuch wohl nicht ursächlich für den American Way of Life, sondern nur seine Reflexion sei.
Sarah Schirmer, Hamburg