In einer gemeinsamen Stellungnahme haben sich Kriminolog*innen, Strafrechtsprofessor*innen und Forensiker*innen gegen die weitere Verschärfung des sog. Sexualstrafrechts ausgesprochen.
Der Initiator der Stellungnahme heißt Michael Stiels-Glenn und betreibt eine Praxis für Supervision und Psychotherapie. Er verfügt über langjährige Berufserfahrung mit Sexualstraftätern (und anderen Menschen).
Er warnt vor einer isolierten Debatte um Kinderpornografie. Hier seine 9 Thesen, die er ursprünglich gar nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen hatte und die hier nun mit seiner ausdrücklichen Genehmigung wiedergegeben werden:
1. Was wir in der Debatte um Kinderpornographie brauchen:
Wir brauchen keine isolierte Debatte um Kinderpornographie! Es gibt eine ebenso unsinnige wie unzutreffende Gleichsetzung von Pädophilie mit Kinderpornographie im Internet. Die stimmt empirisch schon nicht: Zwar hat fast jeder Missbrauchstäter auch einmal Bilder heruntergeladen. Aber umgekehrt laden viele Kinderbilder herunter, die niemals bei einem realen sexuellen Missbrauch an Kindern landen. (Eine ähnliche Argumentation kennt man ja aus der Drogenpolitik: Haschisch als Einstiegsdroge.) Wer Bilder aus dem Internet herunterlädt, zeigt oft Symptome, die an Sucht erinnern: Zwang zur Dosissteigerung bei nachlassender Befriedigung, Vernachlässigung von anderen Interessen, Entzugssymptome, wenn Internetzugang nicht möglich ist. Sexuelle Sucht taucht noch nicht in den Klassifikationssystemen auf, ist aber wahrscheinlicher. (Hierzu Munding in Hahn/Stiels-Glenn: Ambulante Täterarbeit, Bonn 2010).
Strukturierte Pädophile finden die Bilder aus dem Internet oft eklig; diese Tätergruppe findet man viel eher in Foren und Chat-rooms, wo sie (oft unter falschem Namen und falscher Altersangabe) reale Kontakte zu Kindern/Jugendlichen knüpfen wollen.
Kinderpornographie wird aber oft in Verbindung mit Begriffen wie „Internationale Pädophilen-Netzwerke“, Kinderporno-Ringe, usw. genannt, also einem hysterisierenden Kontext, der mit dem kriminologischen Wissen wenig zu tun hat.
2. Die Debatte um Kinderpornographie und Pädophile ist verbunden mit einer Ikonisierung und Dramatisierung kindlicher Opfer: Die Namen der (über Jahrzehnte nicht anwachsenden Zahl) kindlicher Opfer von sexuellen Tötungsdelikten gehen wie Ikonen durch die Medien und sind auch bei den Praktikern „eingebrannt“. Die in meinem ersten Diskussionsentwurf genannten Axiome: „Sexueller Missbrauch ist das schlimmste, was einem Menschen zustoßen kann.“ „Die Opfer leiden lebenslang unter den Folgen.“ „Täter lügen immer, Opfer nie.“ „Sexualstraftäter schlagen immer wieder zu.“ sind so unzutreffend wie hartnäckig. Und selbst Experten, die das im internen Diskurs sofort einräumen und eigene Beispiele dazu nennen können, erklären, das könne man der Öffentlichkeit nicht verkaufen. Und wer immer nach einem Rückfall – spektakulär medial inszeniert – mit dem Rückfall in Verbindung gebracht wird, wird scharf attackiert. Herr Prof. Nedopil kann hierzu einige Beispiele über KollegInnen berichten.
Ein ideologisch aufgeheizter Kinderschutz stellt Kinder romantisierend dar als schutzbedürftig (sind Kinder auch, aber sie haben auch Ressourcen und Kompetenzen), als sexuell rein und unschuldig (sind Kinder gar nicht – hier ist ein Vergleich zur Jugendschutzdebatte der 50er und 60er Jahren sehr aufschlussreich) und entsprechend als desinteressiert an Kontakten zu Erwachsenen. Ich unterstütze damit nicht die Argumente pädophiler Gruppen; aber gerade zum Ende der Latenzzeit – also heute ab dem 11./12. Lebensjahr sind gerade die Jungen hoch interessiert an allem, was mit Sex zu tun hat. In der Jugendhilfe weiß man um dieses Phänomen. Und in allen Kinderheimen gibt es sexuelle Aktivitäten unter Kindern und Jugendlichen. Das kann selbst die größte Wachsamkeit der Pädagogen nicht verhindern. Mehr Kontrolle sorgt hier für größere Findigkeit und besseres Verbergen. Diese Sexualität unter Kindern/Jugendlichen ist manchmal einvernehmlich, manchmal nicht. Mal werden jüngere bzw. schwächere Kinder ausgenutzt, überredet, auch gezwungen, mal suchen sie den Kontakt. Zugleich wird durch die Skandalisierung kindlicher/jugendlicher Sexualität in Heimen das Phänomen öffentlich geleugnet – bei Bekanntwerden droht der betreffenden Einrichtung eine sinkende Belegung durch die Jugendämter; Eltern skandalisieren solche Vorfälle häufig, weil sie „offene Rechnungen“ mit Jugendämtern und Heimen haben. Deshalb werden Kinder/Jugendliche, denen sexuelle Aktivitäten zugerechnet werden, in Spezialgruppen für sexuell grenzverletzende Kinder/Jugendliche „entsorgt“. Dort potenziert sich das Problem erneut, wobei mancherorts selbst strafunmündige Kinder härter angefasst werden als es das StGB und das StVollzG für Strafmündige erlaubt.
Hier setzte die Skandalisierung über die „Heimkinderskandale“ der vergangenen Jahre ein: ob katholische Internate und Kollegs, die Odenwald-Schule, aber auch ehemalige Landesjugendheime: überall entdeckte man Übergriffe. Während aber Misshandlungen, Freiheitsentzug und Angriffe auf die Menschenwürde von Kindern und Jugendlichen rasch wie3der in Vergessenheit gerieten, blieben die sexuellen Übergriffe öffentlich präsent, führten zu „Runden Tischen“, zu „Missbrauchsbeauftragten“ und zu Entschädigungsfonds. Die Opferfunktionäre äußern sich bei jedem Anlass und erklären, das Leid der Opfer sei gesellschaftlich nicht genügend präsent; es gebe weitere „Schutzlücken“, die geschlossen werden müssen (hierzu auch Sachsse über „die Macht der Opfer, 2013)
3. Ein weiterer Baustein in dem Problem-Cluster ist aus meiner Sicht der Wandel des Sexualstrafrechts hin zur „sexuellen Selbstbestimmung“. Was als positive Entwicklung weg von öffentlicher Pönalisierung von „Straftaten wider die Sittlichkeit“ zu werten war, ist auf einem Umweg erneut zur Moralisierung. Kinder und Jugendliche gelten als nicht zustimmungsfähig zu sexuellen Handlungen, wozu Entwicklungspsychologen und Sexualwissenschaftler einiges zu sagen hätten, weil die körperliche Reife sich nach vorne verlagert hat und auch das kognitive Wissen um Sexualität bei Kindern und Jugendlichen gewachsen ist. Parallel dazu stieg aber das „Schutzalter“ immer weiter. Und der Figur der sexuellen Selbstbestimmung liegt implizit ein Bild von Sexualität zugrunde, das einseitig und harmonisierend ist. Dass Sexualität immer auch aggressive, destruktive Elemente hat, dass sie ambivalent ist, dass es in der Sexualität auch um nicht-sexuelle Motive geht, was nicht immer förderlich und sozial verträglich ist, wird „vergessen“. Dass die Landesregierung Baden-Württemberg so angegriffen wurde, als sie das Thema „sexuelle Vielfalt“ auf den Lehrplan setzen wollte, zeigt deutlich, welche unterschwelligen Normvorstellungen bei vielen Bürgern vorhanden sind und wie über das Internet solche Stimmungslagen zur aggressiv aufgeladenen und verstärkten Kampagnen genutzt werden.
4. In Zeiten sinkender „gefühlter“ Einflusslosigkeit auf politische, ökonomische und soziale Prozesse scheint Sexualität als geeignetes Mittel und Thema, Zorn und Empörung zu verschieben, auszudrücken und hier erfolgreich zu agieren. Das ist der Unterschied zwischen der Reaktion auf Edathy und der auf Hoeneß oder dem ADAC-Skandal. Bei letzteren gibt es rasch Rufe zur Mäßigung, bei Edathy nicht.
5. Täter müssen die Möglichkeit haben, in Behandlung zu kommen; dies geht auch über gerichtliche Weisungen, über Zwang. Wer in der Täterbehandlung erfahren ist, weiß, dass es häufig gelingt, im Verlauf der Behandlung eine Eigenmotivation zu wecken.
6. Geschädigte brauchen ebenfalls die Möglichkeit zur Behandlung. Für beide Gruppen müssen ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Wer weiß, dass real vorhandene Initiativen vor Ort seit Jahren mit gedeckelten Zuschüssen bei wachsenden Kosten leben müssen, ärgert sich, dass trotz aller Fensterreden aus der Politik hier nicht die Finanzausstattung verbessert wird. Auch wenn das Projekt „Kein Täter werden“ der Berliner Charité wichtige Impulse gegeben hat – die dortige finanzielle Ausstattung ist gut und es leuchtet nicht ein, dass dort, an einer Stelle in Deutschland, Finanzmittel konzentriert werden, die in der Fläche fehlen. Denn nur wenige Männer mit dem Problem einer Pädophilie können wöchentlich durch halb Deutschland reisen, um an Therapiesitzungen teilzunehmen.
7. Seit 1998 ist das Sexualstrafrecht fast laufend verändert und verschärft worden in einem Dutzend von „Sondergesetzen“, als wenn es kein geltendes StGB gäbe. Dabei wurden Straftatbestände verschärft, neue hinzugefügt, Verjährungsfristen soweit verlängert, dass sexueller Missbrauch mittlerweile nur noch mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vergleichbar sind. Auch wurde das Institut der Nebenklage durch eine Serie von Sondergesetzen „zur Stärkung der Rechte der Opfer“ völlig verändert, wodurch das deutsche Strafrecht mittlerweile dem US-amerikanischen Parteienstrafrecht gleicht; parallel erfolgte im Übrigen keine einzige Ausweitung der Rechte von Angeklagten. Auch wenn es mit jedem neuen Einzelfall wieder eine Verschärfung im Sexualstrafrecht gibt, wird es zu neuen Delikten kommen – schon weil kein Täter im Moment der Tat an die Möglichkeit der Aufdeckung und der Strafverfolgung denkt. Und jede neue Tat und ihre mediale Rezeption sorgt dafür, dass weitere Gesetzeslücken und Schutzlücken markiert werden – eine Spirale ohne Ende, bei der das bisherige Strafrecht und Verfahrensrecht sich bis zur Unkenntlichkeit verändern und ein eigenes, fast ausgelagertes Sexualstrafrecht entsteht, dass mit dem Rest des Strafrechts nicht mehr in einer systematischen Verbindung steht.
8. Eine Verschärfung des Strafrechts verhindert also nicht neue Delikte; es erzeugt eher neue Verdeckungsstrategien und behindert den Zugang von Tätern und Gefährdeten zu Hilfemöglichkeiten, weil auch Therapeuten und Pädagogen weitreichende Offenlegungspflichten aufgedrückt bekommen haben.
9. Wir brauchen also keine weitere Verschärfung im Sexualstrafrecht. Was wir brauchen: dass Strafverfolgungsbehörden sich an die geltenden Gesetze halten, die ja auch Schutzmöglichkeiten für einen Beschuldigten/Angeschuldigten/Angeklagten beinhalten, dessen Täterschaft bis zum Urteil nicht bewiesen ist. Wir brauchen den Diskurs untereinander, zwischen Fachleuten aus unterschiedlichen Disziplinen mit unterschiedlichen Perspektiven, auch mit konflikthaftem Nebeneinander und Gegeneinander der Sichtweisen. Wir brauchen eine Beruhigung und Versachlichung der Debatten.
Clemens M. Hürten schreibt
Punkt 2 des Beitrags kann ich nicht unkommentiert hinnehmen! Ich stimme keinesfalls mit diesen Aussagen überein, obwohl ich glaube, eine ziemlich freie Einstellung im Themenfeld Nacktheit, Erotik, Sexualität und Nackt-Bilder zu haben.
Die Grenze, die niemals überschritten werden darf, liegt sehr trennscharf dort, wo die Würde eines Menschen verletzt wird! Das ist meine Maxime.
Kleine Kinder haben och nicht die Fähigkeit entwickelt, sich gegenüber würdeverletzenden Zugriffen von Erwachsenen mit der zuweilen nötigen Durchsetzungskraft zu wehren. Daher besteht hier ein besonderes Schutzbedürfnis. Ich glaube, dass dieses Schutzbedürfnis nur sehr schlecht durch Gesetze geregelt werden kann. Bestes schlechte Beispiel ist das erst 1997 in Kraft getretene Verbot körperlicher Bestrafung von Kindern durch ihre Erzieher, Lehrer usw.
In einem meiner Vorträge (im Jahr 2012) fragte ich ins Publikum, wer denn der Meinung sei, dass „ein Klapps zur rechten zeit noch niemandem geschadet habe”, war ich entsetzt, als rund 20% der Zuhörer zustimmte!
Was wir brauchen, ist ein Unterrichtsfach, in dem Kinder lernen, wie man Beziehungen kooperativ und konstruktiv aufbaut und gestaltet, wie man mit sich selbst und anderen wertschätzend und fürsorglich umgeht (auf allen Ebenen incl. der Sexualität) und auch, wie man seinen künftigen Kindern eine förderliche, warmherzige Elternschaft bieten kann.
Solch ein Unterricht, das während der gesamten Schulzeit angeboten werden muss und den verquasten „Religionsunterricht” rigoros ersetzen sollte, würde massiv psychisch stärkend wirken. Psychische Probleme in unserer Gesellschaft würden generell abnehmen und auch das Weitergeben von psychischem Leid von Generation zu Generation würde durchbrochen werden können.
Wer unter solcher Anleitung eine konstruktive und die Würde anderer Menschen respektierende eigene Sexualität entwickeln kann, wird sich kaum für sexuelle Gewalt interessieren. das wäre die beste Prävention und wir würden keine zusätzlichen Gesetze benötigen! Im Übrigen schrecken Gesetze kaum ab und greifen daher erst dann, wenn die Tat bereits geschehen ist. Gesetze beheben nie die Ursachen, sondern wirken auf die Symptome.
Ich habe Klienten erlebt, die sexuelle Gewalt in sehr jungen Jahren erleiden mussten. Wenn ich dann den Satzteil lese „Ikonisierung und Dramatisierung kindlicher Opfer”, dann könnt ich nur noch kotzen!!! Und die später nachgeschobene (sinngemäß zusammengefasst wiedergegebene) Rechtfertigung, dass ältere Kinder und Jugendliche ihre Sexualität evtl. auch zusammen mit Erwachsenen entdecken, greift ebenaflls nicht.
Ich kann mich sehr genau an meine sexuelle Entwicklung erinnern und ich hätte mich geekelt und geschämt, wenn sich da Erwachsene eingemischt hätten. Meine Erinnerung wird bestätigt durch Aussagen meiner Klienten, die zwei bis drei Generationen später aufwuchsen und ebenfalls Einmischungen von Erwachsenen in ihre pubertär-sexuelle Entwicklungsphase stets als übergriffig oder manipulativ empfunden haben. Jemand greift in die Intimsphäre ein und verletzt so die Würde!
Für mich gibt es in diesem Bereich keine Diskussion und Null-Toleranz! Denn ich sehe die psychischen Schäden, die durch sexuelle Gewalt entstehen und an denen die Betroffenen auch im Erwachsenenalter leiden, sodass sie dann zu mir in die Therapie kommen.
Und noch etwas gibt es dazu zu sagen:
Immer wird das Wort „Missbrauch” verwendet. Ich habe erkannt: Es gibt keinen MISSbrauch von Menschen, denn dann müsste es auch einen GEbrauch geben! – Man kann Gegenstände gebrauchen, aber niemals Menschen. Ge- oder Missbrauch verletzt immer die Würde des Menschen!
Aber es gibt psychische, körperliche und sexuelle Gewalt, wobei körperliche Gewalt immer auch psychische Gewalt einschließt. Sexuelle Gewalt ist die massivste Gewalt, weil auf der psychischen Ebene etwas Gutes (liebevolle Zuwendung) zur Gewalt pervertiert und dies auf der körperlichen Ebene ebenfalls geschieht. Und zusätzlich ist das Eindringen in den Körper eines anderen oder das Eindringen in die Intimsphäre eine völlige Entwertung des Opfers.
Die Folterknechte haben dies weltweit schon immer genutzt!
Unter diesen Gesichtspunkten empöre ich mich über die Aussagen:
„Ein ideologisch aufgeheizter Kinderschutz stellt Kinder romantisierend dar als schutzbedürftig (sind Kinder auch, aber sie haben auch Ressourcen und Kompetenzen), als sexuell rein und unschuldig”.
Hier wäre dringend Nachhilfeunterricht in Entwicklungspsychologie erforderlich!
Im Alter bis zu ca. 5 Jahren hat kein Kind die nötigen Fähigkeiten, sich gegen meist psychologisch raffinierte Manipulationen Erwachsener zur Verletzung ihrer Intimsphäre zu schützen und abzugrenzen.
Und im Jugendlichen-Alter bietet die innere Unsicherheit im Umgang mit der eigenen Sexualität und der gleichzeitig erlebten Geilheit eine ideale Voraussetzung für raffinierte Manipulationen Erwachsener.
Diese Ansicht habe ich aus der Zusammenarbeit mit Klienten und im Rückblick auf meine eigenen lebenserfahrungen gewonnen. Eine Jugenschutzdebatte aus den 50er und 60er Jahren interessiert mich da einen Scheissdreck und ist für mich völlig irrelevant.
Viel interessanter empfinde ich, dass z.B. ein fortschrittliches Aufklärungsbuch wie „Zeig mal!”, das seinerzeit quer durch alle Institutionen einschließlich der katholischen Kirche hochgelobt worden ist, heutzutage mit Sicherheit unter „Kinderpornografie” fallen würde. Auch heute bewundere ich noch die herausragenden fotografisch-künstlerischen Leistungen des Fotografen Will McBride.
Heute leben wir anscheinend wieder in der Steinzeit: Die GrünRote Landesregierung BadenWürttembergs will in den Schulen dazu beitragen, dass Kinder eine unvoreingenommenere Einstellung gegenüber Menschen mit besonderer sexueller Orientierung entwickeln können. Das Protestgeschrei der „Mittelalterlichen” ist ohrenbetäubend!
Ich bitte darum, bei Diskussionen um derartig diffizile und vielschichtige Themen nicht in den gleichen Fehler zu fallen, den die Medien ständig begehen, nämlich Dinge plakativ und unzulässig zu vereinfachen.
Clemens M. Hürten – Lebenslust jetzt! – Rottweil
Andreas Prokop schreibt
Ich glaube, dass die oberflächliche und isolierte Debatte über Kinderpornographie gerne von der Möglichkeit Gebrauch macht, projektiv das schlechte Gewissen auf Sündenböcke zu richten, das daraus resultiert oder resultieren müsste, dass Kindern in vielen anderen Bereichen überhaupt kein Schutz zukommt. Die meisten Gefahren dürften Kindern nämlich aus der Familie selbst erstehen – nicht nur in sexueller Hinsicht, auch was zum Beispiel die Vergewaltigung durch „Frühförderung“ und Medikalisierung betrifft. Kindliche Aggressionen dürften nicht selten auf sexuelle Übergriffe in der Familie zurückgehen, was dann aber, sekundiert durch eine (bezogen auf das Erfinden von immer mehr feigenblattartigen „Störungen“) inkontinente Psychiatrie und ihrem erbbiologischen Dogmatismus, psycho- und neurotechnisch skotomisiert wird. Deshalb sollte man sich die Krokodilstränen sparen.
Zum zweiten: wenn man über zu viel oder unangemessene Nähe spricht, sollte man auch die „bürgerliche Kälte“ nicht vergessen. Solche Auswüchse entstehen doch vor allem deshalb, weil die (Massen-)Gesellschaft Menschen, die nicht stromlinienförmig sind, ins innere Exil drängt.
Janine schreibt
Das Sexualstrafrecht hat dringend Nachbesserungsbedarf, man muss sich nur den Beitrag von Kontraste-Magazin ansehen:
http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-05-06-2014/vergewaltigungsopfer-fordern-neues-strafrecht.html
Andreas P. schreibt
Der Bericht veranlasst mich zu ein paar Gedanken: Sexuelle Übergriffe sind natürlich nicht zu billigen und unter Umständen traumatisch (was allerdings auch mit der Vorerfahrung zu tun hat). Aber die gerichtlich sanktionierte Zuerkennung eines Opferstatus (als masochistische Position) dürfte für die weitere Persönlichkeitsentwicklung der Betroffenen äußerst fatal sein, während die Fähigkeit zur Übernahme von Mitverantwortung die Persönlichkeit eher stärkt. Das Ich ist dann nicht mehr ohnmächtig einer bösen Welt ausgeliefert. Das kann aber nur dann gelingen, wenn die Aufarbeitung in einer demütigungsfreien Atmosphäre stattfindet, wie sie etwa von Christie oder Braithwaite für die gerichtliche Situation gefordert wird. Die Wut des „Opfers“ wegen des nichtbestraften „Täters“ kann dann auch heilsam sein, wenn sie nicht beim Ressentiment stehen bleibt.
Andrea Meier schreibt
Als Kinder- und Jugendpsychiaterin bin ich außerordentlich froh, dass sich meines Wissens erstmalig – mit Ausnahme der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung – Juristen und Fachpersonen öffentlich zu Wort melden, um gegen die Verschärfung des Sexualstrafrechts in Deutschland zu protestieren.
Die Kriminalisierung der Jugendsexualität soll auf US-amerikanischen Befehl auch in Europa installiert werden. In den USA werden heutzutage Jugendliche, die einvernehmliche sexuelle Kontakte zu anderen Jugendlichen hatten, zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Presse in Europa berichtet über dieses empörende Unrecht nicht – stattdessen werden uns immer wieder neue Geschichten über angebliche Kinderschänder aufgetischt.
Ein sehr lesenswertes und informatives Buch, um mehr über die aktuelle Situation in den USA und die Verschärfung des Sexualstrafrechts in Europa zu erfahren und insbesondere auch die Hintergründe zu verstehen, möchte ich jedem Interessierten empfehlen:
„Uncle Sam´s Sexualhölle erobert die Welt“ von Max Roth, erschienen im AHRIMAN-Verlag.