Alle haben auf die Revision verzichtet. In einigen Wochen wird ein langjähriger Manager des Fußballklubs Bayern München in die historisch stark vorbelastete Anstalt Landsberg am Lech einrücken.
Aber sollte er das wirklich?
Prof. Dr. Wolfgang Deppert meint: nein, das sollte er nicht. Er benötigt keine Resozialisierung, er ist nicht gemeingefährlich, er ist kein probates Subjekt für den Strafvollzug.
Hier seine Argumentation:
Nach meinem rechtsphilosophischen Verständnis hätte Herr Hoeneß „nur“ mit einer Geldstrafe bestraft werden dürfen, weil er die Bedingungen für eine Strafe, wie sie in den ersten Paragraphen der Länder-Strafvollzugsgesetze festgelegt sind, nicht erfüllt. Da heißt es etwa in den §§ 2 bis 5 im Bayrischen StVG:
Art. 2 Aufgaben des Vollzugs
Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Er soll die Gefangenen befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Behandlungsauftrag).Art. 3 Behandlung im Vollzug
Die Behandlung umfasst alle Maßnahmen, die geeignet sind, auf eine künftige deliktfreie Lebensführung hinzuwirken. Sie dient der Verhütung weiterer Straftaten und dem Opferschutz. Die Behandlung beinhaltet insbesondere schulische und berufliche Bildung, Arbeit, psychologische und sozialpädagogische Maßnahmen, seelsorgerische Betreuung und Freizeitgestaltung. Art und Umfang der Behandlung orientieren sich an den für die Tat ursächlichen Defiziten der Gefangenen.Art. 4 Schutz der Allgemeinheit
Der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten wird durch eine sichere Unterbringung und sorgfältige Beaufsichtigung der Gefangenen, eine gründliche Prüfung vollzugsöffnender Maßnahmen sowie geeignete Behandlungsmaßnahmen gewährleistet.Art. 5 Gestaltung des Vollzugs
Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.
Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.
Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.Da nun Herr Hoeneß in keiner Weise zu resozialisieren ist und von ihm keinerlei Gefahr auf die Bevölkerung ausgeht, so daß man ihn wegsperren müßte, kann es auch keine dem Gesetz entsprechende Behandlung und Gestaltung des Vollzugs geben. Also ist das StVG nicht anwendbar und die Gefängsnisstrafe für Steuersünder dann sinnlos, wenn der Strafbegriff des StVG’es nicht anwendbar ist. Wenn dennoch eine Gefängsnisstrafe verhängt wird, dann ist dies eine Verletzung der Würde, was nach § 1 GG zu verbieten ist. Von rechtsphilosophischer Seite ergibt sich damit die Konsequenz, daß die entsprechenden Strafgesetze der Abgabenordnung gemäß AO 1977 §370 staatsschädigend und mithin Unrecht sind, weil nicht eindeutig bestimmt ist, in welchen Fällen keine Gefängsstrafen, sondern nur Geldstrafen verhängt werden dürfen, was leider im Gesetz nicht angegeben ist.
Dies alles regt mich ziemlich auf, da ich genau weiß, wie schlecht die Ausbildung unserer Juristen an den Universitäten insbesondere in Rechtsphilosophie ist, daß sie nicht einmal wissen, daß in derartig kritischen Fällen des Verdachts ungerechter Gesetze Gerechtigkeitsformeln zu verwenden sind, damit die Richter nicht ihren Richtereid verletzen. Das ist für mein Dafürhalten im Fall Hoeneß geschehen, und ich bin nun als vereidigter Beamter, der vom Staat auch als Rechtsphilosoph alimentiert wird, in ziemlicher Gewissensnot.
Dieses Argument stammt aus einer e-mail, aber Herr Deppert hat nichts dagegen, es zu veröffentlichen. Warum auch? Weil niemand sonst auf diese Idee gekommen ist? Ich finde: er hat Recht.
Hoeneß wäre mit einer saftigen Geldstrafe gerecht gestraft. Alle anderen Steuersünder ebenfalls. Ein Gefängnis bräuchte man für ihn und seinesgleichen schon gar nicht. Für gewaltlose Delikte sollte die staatliche Gewalt der Freiheitsberaubung tabu sein.
Bildquelle: Harald Bischoff (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Prof. Dr. Wolfgang Deppert ist ja kein Jurist und muss deshalb auch nicht wissen, dass sich die Regeln zur Strafzumessung nicht in den Strafvollzugsgesetzen finden, sondern im StGB (und dort anders lauten, als er sich das offenbar vorstellt). Das Gericht hingegen muss das wissen und originelle Vorschläge wie den von Herrn Prof. Deppert daher leider unbeachtet lassen.
Bin beim Lesen des Artikels fast inkontinent vor Lachen geworden. Danke und Grüße 🙂
Trifft es zu, dass sich hinter dem Blogautor „Sebastian“ Prof. Dr. iur. Sebastian Scheerer, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kriminologische Sozialforschung verbirgt? Wenn ja, bin ich wirklich schockiert. Gewisse juristische Grundkenntnisse wie etwa die Bindung der Gerichte an demokratisch legitimierte Gesetze – auch solche zur Strafbarkeit der Steuerhinterziehung – sollte man selbst als abgefallener Jurist und nunmehriger Kriminologe nicht verleugnen.