Die kriminologische Relevanz von Kleinanzeigen auf Ebay beschränkt sich im Allgemeinen vermutlich auf die Bedeutung der Auktionsplattform als Umschlagplatz von Hehlerware. Gestern wurde ich jedoch auf eine Anzeige der etwas anderen Art aufmerksam gemacht.
Wild West in Sachsen-Anhalt – Bürgerwehr sucht Verstärkung
Die Ermittlungsgesellschaft Sachsen-Anhalt, so der Name der Bürgerwehr, die sich professionell mit eigenem Logo in Anlehnung an das Landeswappen gibt, arbeite
energisch an allen „Ecken und Kanten“ um unsere Leistungsfähigkeiten zu verbessern und die Kriminalität groß möglich in Grenzen zu halten.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden den potentiellen Neumitgliedern in der Anzeige gesellige „Vereinsmeierei“ folgende Aufgaben offeriert:
*Befragungen / Umfragen
*Analyse und anlegen (sic!) von Statistiken
*Dynamische Kontrollen, „Streifen“
*Kontrolle des öffentlichen Raum´s (sic!)
*Öffentliche Präsenz
*Verhinderung von Straftaten
*Unterstützung hilfebedürftiger Personen
Man gibt sich professionell bei Ermittlungsgesellschaft Sachsen-Anhalt: nicht nur, dass man den Neumitgliedern eine schicke Uniform und den Titel eines Ermittlungsleutnants in Aussicht stellt, sondern ganz modern und zeitgemäß pflegt man eine eigene Webseite, auf der zu entnehmen ist, dass eine Registrierung im Vereinsregister geplant sei.
Ob und inwieweit die Arbeit der Vigilanten parteipolitisch motiviert ist, erschließt sich mir nicht. Der laut Impressum für die Inhalte der Webseite verantwortliche Philipp Kramer scheint ein vielseitig interessierter junger Mann zu sein, der auf gute Fragen schlaue Antworten zu liefern weiß, Reisenden seine Couch zur Übernachtung bereitstellt und – man höre und staune – offensichtlich Bilder von Frauenfüßen anfertigt und verkauft (zumindest taucht er auch hier als Verantwortlicher im Impressum auf).
Das Auftreten der Ermittlungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mutet nicht nur wegen des doch recht ungewöhnlichen Weges der Mitgliederakquise und der katastrophalen Rechtschreibung seltsam an. Auch inhaltlich ließe sich am Vereinsprogramm Kritik üben. Zwar ist die Polizei in Sachsen-Anhalt offensichtlich von einem Stellenabbau betroffen, allerdings bleibt es schleierhaft, was mit den „rückläufigen Sicherheitsständen“ gemeint ist und wo diese vermutet werden.
Ein Blick auf die PKS 2012 Sachsen-Anhalts zeigt auf jeden Fall, dass die im Hellfeld aufgedeckte Kriminalität sich auf dem drittniedrigsten Stand seit 2003 befindet. Dies betrifft sowohl die absoluten Fallzahlen als auch die Entwicklung der Straßenkriminalität (siehe Grafiken).
Vermutlich würde die Polizei in Sachsen-Anhalt gerne auf die Unterstützung der selbsternannten Ordnungshüter verzichten.
Damit die Freizeit ohne die geplanten abendliche dynamische Kontrollgänge sinnvoll gefüllt ist, ließe sich vielleicht die Leistungsfähigkeit der Ausdrucks- und Rechtschreibfähigkeiten erhöhen, um weitere Ausrutscher „groß möglich in Grenzen zu halten“.
Quelle des Titelbilds: Für den Autor, siehe [GFDL oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons