Was fasziniert uns an diesem Kriminellen, Musiker, Sektenführer und Auftragsmörder?
1 Einleitung
Next to Jack the Ripper, Manson is probably the most famous serial killer ever.
His name has become a metaphor for evil […] (Vincent Bugliosi, nach Wells 2009: 2)
Ist Charles Manson tatsächlich der berühmteste Serienkiller? Auf jeden Fall ist er einer der bekanntesten; aber was fasziniert uns an diesem ehemaligen Sektenführer, so dass viele Menschen von „the most evil person alive” (Wells 2009: 9) sprechen?

Dieser Blogbeitrag gibt mit Hilfe der Sensation Seeking-Theorie des Psychologen Marvin Zuckerman einen Einblick, warum manche von uns vom Bösen fasziniert sind und wie sich dies in der Causa Charles Manson widerspiegelt.
2 Charles Manson – der missverstandene Musiker?
Charles Manson1 hat viele Bezeichnungen: Massenmörder, Serienkiller, Sektenguru oder auch „mind controller“ (vgl. Wells 2009: 9). Doch wer verbirgt sich hinter dem in der Geschichte so populär gewordenen Namen?
![Charles Manson – 2009 veröffentlichtes Bild vom Corcoran State Prision, USA By California Department of Corrections and Rehabilitation [Public domain], via Wikimedia Commons](https://criminologia.de/wp-content/uploads/2013/10/Manson-March-2009.jpg)
By California Department of Corrections and Rehabilitation [Public domain], via Wikimedia Commons
Bei seiner Verhaftung 1961 bezeichnete er sich selbst als Satanist und Scientologe. Vom FBI beschlagnahmte Unterlagen zeigten, dass Charles Manson mehrere Kurse bei Scientology belegt hatte, bevor er 1967 seine eigene „Familie“ gründete. Er hatte sich eine Menge scientologischer Phrasen, Neologismen und Praktiken angeeignet, die er „erfolgreich“ für seine eigenen Zwecke einsetzte, u. a. um den Geist seiner Jünger neu zu gestalten (vgl. Nordhausen/von Billerbeck 2008: 67; vgl. Bugliosi 1974: 195).
2.1 Sektenführer und Musiker
Bereits während seiner Haftstrafe von 1961 bis 1967 wurden bei ihm „various fanatical interests“ (Bugliosi 1974: 197) sowohl von Mithäftlingen als auch von Gefängnisangestellten bemerkt. Zu den bereits bekannten Obsessionen für Scientology und seiner Gitarre kam 1964 der Fanatismus für die Beatles zum Vorschein (siehe Phänomen der Beatlemania). Er war jedoch kein fanatischer Fan im eigentlichen Sinn, sondern stellte mehrfach fest, dass er, wenn er die Chance gehabt hätte, viel größer und berühmter geworden wäre als die Beatles. Aus diesem Grund fängt er noch im Gefängnis an exzessiv Musik zu machen und schreibt zwischen 80 und 90 Songs im Jahr 1966. Seine größte Hoffnung – und auch seine feste Überzeugung – ist ein Plattenvertrag und der nachfolgende Ruhm als Star. Nach seiner Entlassung am 21. Mai 1967 fuhr er nach San Francisco3, wo die Manson-Family „geboren“ wurde (vgl. Bugliosi 1974: 197). Seine erste Anhängerin fand er auf dem Campus der Universität Berkley, wo er mit seiner Gitarre spielte: Mary Brunner. In Venice schaffte er es, Lynn Fromme von sich zu überzeugen. Er fand sie weinend in der Nähe von Venice Beach, nachdem sie aufgrund eines Streites mit ihrem Vater aus dem Haus geworfen worden war (vgl. Sanders 2002: 13). Dieses Schema zieht sich durch seine Anhängerschaft. Charles Manson war charismatisch genug, junge Frauen (zwischen 15 und 20 Jahren), die aus schwierigen Verhältnissen kamen, an sich zu binden. Alle seine Anhänger waren jünger als er und ebenfalls auf der Suche nach einer Familie und auf der Flucht vor den damaligen gesellschaftlichen Zwängen. Auf der Suche nach einem Plattenvertrag zog die Manson-Family Ende 1967 nach Los Angeles, wo Charles Manson einige prominente Bewunderer um sich und seine Mädchen scharren konnte, darunter Dennis Wilson (Schlagzeuger bei den Beach Boys) und Neil Young (vgl. Wells 2009: 4).
Im Sommer 1968 machte Dennis Wilson Charles Manson mit dem Musikproduzenten Terry Melcher bekannt. Während der nächsten Monate versuchte Manson unablässig seine Aufmerksamkeit zu bekommen, da Melcher ihn zu einem großen Star machen sollte. Im Sommer 1968 nahm Manson seine ersten Songs im Studio der Beach Boys auf. Das Verhalten der Family stieß zunehmend auf Ablehnung4 durch Dennis Wilson. Der Streit eskaliert als die Beach Boys das Lied „Cease to Exit“ von Charles Manson für ihr nächstes Album verwendeten und dafür in „Cease to Resist“ umschrieben, ohne ihn als Autor zu nennen, woraufhin sich die Family ein neues Zuhause auf der Spahn Ranch suchte (vgl. Sanders 2002: 35, 60, 64ff.).
Als am 22. November 1968 das sogenannte „White Album“ der Beatles erschien, glaubte Manson, darin eine speziell an ihn adressierte Botschaften zu hören. Während die Beatles wahrscheinlich nicht mehr in dem vertraglich festgelegtem Album gesehen haben, als für das Projekt verschiedenste Songs zu sammeln, wurde jede Nuance dahingehend interpretiert, dass sie irgendeine Bedeutung hätte. Charles Manson fehlinterpretierte das Album und vor allem den Song „Helter Skelter“ und formte daraus die verdrehte Ideologie der Family (vgl. Wells 2009: 6; vgl. auch unten: Liedtext „Helter Skelter“).
Er nannte sich selbst Christus oder Satan und predigte seinen Jüngern „Helter Skelter“. Das beinhaltete die verwirrte Logik, dass es einen Rassenkrieg zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung Amerikas geben würde, ausgelöst von ihm und seiner Familie durch die Tötung irgendwelcher „reichen weißen Schweine“ (Greene 1992: 18). Manson war überzeugt, die Schuld für die Morde würde der schwarzen Bevölkerung angelastet werden, worauf die Weißen zur Lynchjustiz gegen diese aufrufen würden, was wiederum den Widerstand der Schwarzen zur Folge hätte. Das Endergebnis wäre schließlich ein regelrechter blutiger Rassenkrieg, den nach Mansons Überzeugung die Schwarzen gewinnen würden (vgl. Greene 1992: 17-18): „Doch weil die Schwarzen sich selbst nicht führen könnten, würden sie ihn, Charles Manson, zu ihrem ‚Messias‘ machen. Das auf solche Weise zwischen Schwarzen und Weißen eingefädelte ‚Armageddon‘ wäre das eigentliche ‚Helter Skelter‘, um das es Manson und seinen Jüngern ging und das sie in jenem Beatles-Song des Weißen Albums wiederfanden“ (Greene 1992: 18).
2.2 Sektenführer und Auftragsmörder
Beruhend auf ihrer „Helter Skelter-Ideologie“ plante Charles Manson die mörderische Zukunft5 der Family. Der erste von der Familie verübte Mord (Juli 1969) an Gary Hinman hatte jedoch noch nichts mit der fanatischen Ideologie zu tun. Der Drogenlieferant der Familie, der auch einige Mitglieder zeitweise bei sich beherbergte, wurde wegen eines gescheiterten Drogendeals von der Manson-Family über zwei Tage gefoltert und schließlich im Auftrag von Charles Manson getötet (vgl. Bugliosi 1974: 102ff.).
![Bild 3: Schauspielerin Sharon Tate (1943-1969) By Sharon_tate_still.jpg: Studio publicity still.The original uploader was Wikiwatcher1 at English Wikipediaderivative work: MachoCarioca (This file was derived from:Sharon_tate_still.jpg) [Public domain], via Wikimedia Commons](https://criminologia.de/wp-content/uploads/2013/10/Sharon_Tate.jpg)
By Sharon_tate_still.jpg: Studio publicity still.The original uploader was Wikiwatcher1 at English Wikipediaderivative work: MachoCarioca (This file was derived from:Sharon_tate_still.jpg) [Public domain], via Wikimedia Commons
Eine Nacht später wurde das Unternehmerpaar Leno und Rosemary LaBianca Opfer der Sektenmitglieder Charles Watson, Patricia Krenwinkel und Leslie van Houten. Dem Toten war das Wort „War“ in den Bauch geritzt worden. Am Tatort hinterließen sie die mit Blut geschriebenen Wörter „Death to Pigs“ und das falsch geschriebene „Healter Skelter“. Charles Manson hatte beide Mordbefehle an seine Familienmitglieder gegeben (vgl. Greene 1992: 9, vgl. Bugliosi 1974: 334ff.).
Am 24. Juni 1970 begann die als Tate-LaBianca-Prozess in die Geschichte eingegangene Verhandlung gegen die Manson-Familienmitglieder Charles Manson, Leslie van Houten, Patricia Krenwinkel und Susan Atkins in Los Angeles (vgl. Bugliosi 1974: 421). Am 19. April 1971, nach neuneinhalb Monaten und einem Prozess der Superlativen, sprach das Gericht – den Ausführungen des Staatsanwaltes Vincent Bugliosi folgend – die vier Angeklagten schuldig und verurteilte sie zum Tode (vgl. Bugliosi 1974: 620ff.). Als im Jahr 1972 in Kalifornien die Todesstrafe offiziell abgeschafft wurde, wurden die Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt (vgl. Greene 1992: 10).
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![Bild 4: Corcoran State Prison, Kalifornien, USA See page for author [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons](https://criminologia.de/wp-content/uploads/2013/10/CSP_Corcoran.jpg)
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3 Sensation Seeking – Erklärungsmöglichkeit für die Faszination des Bösen
Sensation Seeking – die Suche nach Nervenkitzel – ist ein Ansatz der Persönlichkeitsforschung des Psychologen Marvin Zuckerman (vgl. Friedman/Schustack 2004: 202). Seine Ausgangsidee war, dass Personen verschiedene systematische interindividuelle Bedürfnisse nach Stimulation haben. Wie stark die einzelnen Personen nach dieser Stimulation suchen, hängt von ihrem hedonischen Tonus ab, also dem Punkt an dem man sich wohlfühlt (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.). „Die Persönlichkeitseigenschaft Sensation Seeking bezieht sich demnach auf die Tendenz, neue verschiedenartige, komplexe und intensive Eindrücke zu bekommen oder Erfahrungen zu machen und dafür auch Risiken in Kauf zu nehmen“ (Amelang et al. 2006: 328). Folgende vier Faktoren9 bilden den Trait des Sensation Seeking: Thrill and Adventure Seeking, Experience Seeking, Disinhibition und Boredom Susceptibility (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.).
Die vier Faktoren des Sensation Seeking kommen bei der Betrachtung, warum uns Charles Manson fasziniert, mehr oder weniger stark, einzeln oder gebündelt, und nicht immer klar trennbar, aber meist deutlich zum Vorschein10.
3.1 Thrill and Adventure Seeking
Hierbei handelt es sich um den Wunsch bzw. die Neigung Spannung und Abenteuer durch riskante, aufregende Aktivitäten (z. B. schnelles Fahren, riskante Sportarten wie Fallschirmspringen, etc.) zu erleben (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.; Friedman/Schustack 2004: 203ff.). Im Fall von Charles Manson sieht man das vor allem an seinen Besuchern und „Fans“. Im Internet finden sich zahlreiche Jünger und Verehrer. Zu jedem noch so geringen Anlass oder Jahrestag wird er von Journalisten und Rechtsanwälten interviewt (vgl. Greene 1992: 10). Ein Besuch bei Charles Manson in der Sicherheitszelle des Cocoran-Gefängnisses in Kalifornien ist für viele eine aufregende und bis zu einem gewissen Punkt auch riskante Erfahrung. Die israelische Journalistin Michal Welles, hat Manson über 20 Jahre immer wieder im Gefängnis besucht und 2011 eine Art „Autobiographie“ veröffentlicht: Charles Manson – Meine letzten Worte: Grausame Innenansichten. „In ihrer Einleitung schreibt sie von ‚Charlie‘, sie lässt sich mit ihm fotografieren wie ein Fan mit einem Rockstar, sogar ihre beiden kleinen Töchter nahm sie zu einigen Sitzungen bei Manson mit“ (vgl. spiegel.de 2011).
3.2 Disinhibition
Im Fall der Disinhibition wird versucht Stimulation durch bestimmte soziale Aktivitäten (z. B. wilde ausufernde Parties), Enthemmungen (z. B. soziales Trinken) oder sexuell ausschweifende Kontakte zu erreichen. (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.; Friedman/Schustack 2004: 203ff.). Dieser Faktor zeigte sich vor allem bei seinen Anhängern. Die Mitglieder seiner Familie waren für wilde Parties bekannt. Enthemmung durch Alkohol und Drogenkonsum stand an der Tagesordnung. Das Motto der 1960er „Make Love Not War“ wurde vor allem von Charles Manson ausgelebt und entwickelte sich zu einer Art eigenständigem Mythos der Familie (vgl. Sanders 2002: 38). Aber auch heute berufen sich noch viele Gruppen auf den ehemaligen Sektenführer, von Satanisten bis hin zu den Neo-Nazi-Skinheads (vgl. sueddeutsche.de 2010).
3.3 Boredom Susceptibility
Gegenüber bekannten sich wiederholenden Erfahrungen jeglicher Art (z. B. Routinearbeiten) oder auch gegenüber als langweilig empfundenen Menschen zeigt sich Intoleranz, die sich durch Abneigungen dieser monotonen Situationen und Ruhelosigkeit bemerkbar macht (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.; Friedman/Schustack 2004: 203ff.). Boredom Susceptibility ist wohl die Eigenschaft, die am wenigsten offensichtlich ist. Vor allem der Kultführer selbst wird von Vertrauten immer wieder als ruhelos beschrieben. Monotone Situationen, die Charles Manson langweilten, endeten meist in Wutanfällen. Während diesen prügelte er auch auf seine Familienmitglieder ein. Sein bevorzugtes Prügelopfer war die 13-jährige Dianne Lake: weil sie nicht unterwürfig genug war, schlug er ihr u. a. mit einem Stuhlbein auf den Kopf und würgte sie mit einem Elektrokabel (vgl. Bugliosi 1974: 275). Außerdem versuchte er mit Angst und Aggressionen seine „Mädchen“ bei sich zu behalten (vgl. Greene 1992: 169). „Seine Drohung, ihnen die Brüste abzuschneiden, war eine besonders beliebte Form seiner Aggression“ (Greene 1992: 169).
3.4 Experience Seeking
Experience Seeking ist wohl der häufigste und offensichtlichste Faktor bei der Frage nach der Faszination mit dem Bösen. Dies ist die Neigung neue Erfahrungen und Eindrücke zu erleben und äußert sich durch Reisen in exotische Länder, Vorlieben für ungewöhnliche Kunst oder nonkonformistische Lebensweisen oder Drogenkonsum sowie auch durch den Umgang mit sozial auffälligen oder randständigen Gruppen (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.; Friedman/Schustack 2004: 203ff.). Letzter Punkt zeigt sich vor allem in der Tatsache, dass Manson heute als eine Art Pop-Ikone der Gegenkultur betrachtet wird. Er wird fast als Held gefeiert und obwohl er schon über 40 Jahre in einer Sicherheitszelle sitzt, bekommt er immer noch täglich Wäschekörbe voll Fanpost (vgl. Greene 1992: 10).
Eine Verschmelzung von Kontakt zu randständigen Gruppen und „ungewöhnlicher Kunst“ wird vor allem in der Musik deutlich. Oftmals werden Textzeilen oder gar ganze Lieder von Charles Manson gecovert. Marilyn Manson, der sich für seinen Bühnennamen schon Charles Manson zum Vorbild genommen hat, hat sich für seinen Song „My Monkey“ auf dem Album „Portrait of an American Family“ bei dem Lied „Mechanical Man“ (veröffentlicht auf „Lie“ 1970) bedient. In einem 1976 erschienen Film über die Manson-Family mit dem Titel „Helter Skelter – Die Nacht der langen Messer“11 werden mehrere Lieder vom Hauptdarsteller gecovert.
Das wohl bekannteste Cover eines Manson Songs stammt jedoch von der Band Guns N‘ Roses, veröffentlicht auf ihrem 1993er Album „The Spaghetti Incident?“. Als „hidden track“ wurde „Look at Your Game, Girl“ eingespielt, welches Charles Manson in den späten 1960ern aufgenommen hatte um seine Musikkarriere voranzutreiben. Über die Tatsache, dass Charles Manson mehrere Tausend Dollar als Tantiemen erhalten könnte, war die Öffentlichkeit entrüstet. Das Guns N‘ Roses Album debütierte auf Platz 4 der Billboard’s Charts und verkaufte mehr als 190.000 Kopien, bevor die Kontroverse aufkam. Charles Manson hätte somit Anspruch auf $ 60.000 pro Millionen verkaufter Alben. In einem Statement der Band hieß es, dass sie sich nicht bewusst waren, dass Charles Manson davon profitieren konnte und wehrten sich gegen die unterstellte Glorifizierung der Manson Family (vgl. nytimes.com, 12.12.1993). Ende 1993 wurde bekannt, dass Bartek Frykowski, Sohn des ermordeten Voytek Frykowski, die Tantiemen in Höhe von $ 62.000 pro Millionen verkaufte Kopien erhalten wird. 1971 gewann Bartek Frykowski einen Rechtsstreit gegen Charles Manson, der ihm die Rechte an diesen Tantiemen zusprach (vgl. nytimes.com, 26.12.1993).
Heute gibt es regelrecht eine Vermarktung der Marke „Charles Manson“. Milliarden Dollar werden an Filmen, Fernsehreportagen und Zeitungsberichten über ihn verdient. Sein Konterfei wird auf Freizeithemden, T-Shirts12, Duftmitteln, Zigaretten, Waschmitteln und Sammelposter gedruckt (vgl. Greene 1992: 211). Zu den Standard-Tattoos US-amerikanischer Gangs gehören heute auch die mit blutgeschriebenen Botschaften an den Tatorten der Manson-Family. „Gerade in der Musik wimmelt es von Referenzen an den knapp über 1,60 Meter kleinen Verbrecher […]. Zahlreiche Rockgruppen darunter Guns N’ Roses und System of a Down, widmeten ihm Lieder, andere vertonten Texte von Manson“ (spiegel. de 2008).
4 Schlussbetrachtung: Vom Kultführer zur Kultfigur?
Warum hat sich gerade die Geschichte der Manson-Family so tief im kollektiven Wissen verankert, während andere (Serien-) Mörder so schnell in Vergessenheit geraten sind? Wer kann sich noch an die Mörder von John F. Kennedy und Martin Luther King jr. erinnern? Kaum ein Musiker hat diese politisch bedeutenden Morde vertont. Aber vielleicht lag es an dem Zeitpunkt der Mordserie, die so unbarmherzig das Ende der Hippie-Ära ankündigte.
Heute hat Charles Manson mehr Fans denn je. Sein Wunsch ein Star zu werden hat sich auf eine ironische Art und Weise erfüllt. Er ist zu einer „düsteren Ikone der Gegenkultur“ geworden (vgl. sueddeutsche.de 2010). Er hat bis heute keine Reue gezeigt und sieht sich immer noch als politischer Gefangener. Ein Gefangener, der „angeblich immer noch 250.000 Dollar im Jahr“ mit signierten Fotos, Bildern, Texten und verkauften Alben verdient (vgl. Bode 2009). Charles Manson ist heute, wie Ivor Davis schreibt, „a grotesque celebrity with a Twitter page“ (mit der Adresse “Helter Skelter”). Außerdem verfügt er über eine eigene MySpace-Seite (“No Name Maddox”; der Name der anfangs auf seiner Geburtsurkunde stand) (vgl. Davis 2009).
But outside the world has changed, and time has long overtaken the prisoner and his pretensions. The saga of the Family is a mad, wayward story that fulfilled no other purpose than to magnify the notoriety of Charles Manson.
(Wells 2009: 6)
5 Interessante Links
Charles Manson (1970): Look at Your Game, Girl (Youtube-Clip)
Guns N’ Roses (1993): Look at Your Game, Girl (Youtube-Clip)
https://www.youtube.com/watch?v=BXP6_2icLkk
Diane Sawyer (unbekannt): Charles Manson – Documentary (Youtube-Clip)
https://www.youtube.com/watch?v=v4qZB2ytq10
The Beatles – Helter Skelter vom White Album aka “The Beatles” (Youtube-Clip)
https://www.youtube.com/watch?v=5fvJEpdq8a8
Literatur
AMELANG, Manfred; BARTUSSEK, Dieter; STEMMLER, Gerhard; und HAGEMANN, Dirk (2006): Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.
BODE, Britta (2009): Wie Charles Manson zum Popstar werden konnte. http://www.welt.de/kultur/article4247945/Wie-Charles-Manson-zum-Popstar-werden-konnte.html (letzter Zugriff: 21.09.2013)
BUGLIOSI, Vincent; und GENTRY, Curt (1974): Helter Skelter. The Shocking Story of the Manson Murders. London: Arrow Books Limited.
FRIEDMAN, Howard S.; und SCHUSTACK, Miriam W. (2004): Persönlichkeitspsychologie und Differentielle Psychologie. 2., aktualisierte Auflage. München: Pearson Education Deutschland GmbH.
GREENE, Carol (1992): Der Fall Charles Manson: Mörder aus der Retorte. Wiesbaden: Dr. Böttiger Verlags-GmbH.
DAVIS, Ivor (2009): The Devil’s disciples: 40 years after his killing sprees, Charles Mansion is now a grotesque celebrity with a Twitter page. http://www.dailymail.co.uk/femail/article-1205141/The-Devils-disciples-40-years-killing-sprees-Charles-Manson-grotesque-celebrity-Twitter-page.html (letzter Zugriff: 21.09.2013)
McKINLEY, Jesse (New York Times 12.12.1993): Pop Music – A Song Slipped In Enriches A Killer. http://www.nytimes.com/1993/12/12/arts/pop-music-a-song-slipped-in-enriches-a-killer.html?src=pm (letzter Zugriff: 19.09.2013)
New York Times (26.12.1993): Victim’s Son Gets Manson Royalties. http://www.nytimes.com/1993/12/26/us/victim-s-son-gets-manson-royalties.html (letzter Zugriff: 19.09.2013)
NORDHAUSEN, Frank; und VON BILLERBECK, Liane (2008): Scientology. Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will. Berlin: Christoph Links Verlag.
PATALONG, Frank (2008): Charles Manson: Polizei will Mörder-Mythos endgültig begraben. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/charles-manson-polizei-will-moerder-mythos-endgueltig-begraben-a-552655.html (letzter Zugriff: 21.09.2013)
SANDERS, Ed (2002): The Family. USA: Da Capo Press.
Spiegel.de (11.04.2011): Kriminalfälle – Stimme aus der Hölle. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-77962954.html (letzter Zugriff: 20.09.2013)
Stern.de (2012): Antrag auf Freilassung abgelehnt. Keine Gnade für Charles Manson. http://www.stern.de/panorama/antrag-auf-freilassung-abgelehnt-keine-gnade-fuer-charles-manson-1812507.html (letzter Zugriff: 03.08.2013)
Sueddeutsche.de (17.05.2010): Charles Manson und Amerika. Vom Massenmörder zur Kultfigur. http://www.sueddeutsche.de/panorama/charles-manson-und-amerika-vom-massenmoerder-zur-kultfigur-1.154180 (letzter Zugriff: 21.09.2010)
WELLS, Simon (2009): Charles Manson – Coming Down Fast. London: Hodder & Stoughton.
Anhang
The Beatles (1968): Helter Skelter (Lyrics)
When I get to the bottom I go back to the top of the slide
Where I stop and I turn and I go for a ride
Till I get to the bottom and I see you again
Yeah yeah yeah heyDo you, don’t you want me to love you
I’m coming down fast but I’m miles above you
Tell me tell me tell me come on tell me the answer
Well you may be a lover but you ain’t no dancerNow helter skelter helter skelter
Helter skelter yeah
Ooh!Will you, won’t you want me to make you
I’m coming down fast but don’t let me break you
Tell me tell me tell me the answer
You may be a lover but you ain’t no dancerLook out helter skelter helter skelter
Helter skelter ooh
Look out, cos here she comesWhen I get to the bottom I go back to the top of the slide
And I stop and I turn and I go for a ride
And I get to the bottom and I see you again
Yeah yeah yeahWell do you, don’t you want me to make you
I’m coming down fast but don’t let me break you
Tell me tell me tell me the answer
You may be a lover but you ain’t no dancerLook out helter skelter helter skelter
Helter skelter
Look out helter skelterShe’s coming down fast
Yes she is
Yes she is coming down fast(My head is spinning, ooh…
Ha ha ha, ha ha ha, alrgiht!
I got blisters on my fingers!)
Quelle: http://www.azlyrics.com/lyrics/beatles/helterskelter.html
Für mehr Informationen zur Biographie und den Verbrechen der Manson-Family sowie den Prozess: BUGLIOSI, Vincent; und GENTRY, Curt (1974): Helter Skelter. The Shocking Story of the Manson Murders. London: Arrow Books Limited; sowie SANDERS, Ed (2002): The Family. USA: Da Capo Press. ↩
Colonel ist hierbei der Vorname und nicht wie fälschlicherweise oft angenommen ein militärischer Rang. ↩
San Francisco galt zu dieser Zeit (in den späten 1960ern) als Hippie-Hochburg. ↩
Die Family quartierte sich in Dennis Wilsons Haus ein, wo sie u. a. seine Kleidung als Allgemeingut ansahen und 10 seiner goldenen Platten an Dritte verkauften oder auch verschenkten. ↩
Anders als häufig angenommen gibt es keine Beweise dafür, dass Charles Manson jemals eigenhändig einen Menschen getötet hätte. Seine Mordaufträge konnten jedoch im Tate-La-Bianca-Prozess von Linda Kasabian bezeugt werden. ↩
Susan Atkins saß bis zu ihrem Tod 2009 im Gefängnis; Charles Watson und Patricia Krenwinkel sitzen bis heute im Gefängnis, Linda Kasabian sagte damals als Kronzeugin im Tate-LaBianca-Prozess aus. ↩
Terry Melcher (1942-2004), Sohn der Sängerin und Schauspielerin Doris Day, war Musikproduzent und Songwriter und musikalischer Direktor des Monterey Pop Festivals im Jahr 1967 (vgl. Sanders : 60). ↩
Gründe für die Ablehnung waren u. a., dass er wiederholt gegen die Gefängnisregeln verstoßen habe (z. B. durch den Besitz handgefertigter Waffen), sich selbst immer noch als politischen Gefangenen sieht und keine Reue für seine Tagen zeige (vgl. stern.de). ↩
Von Zuckerman wird das Ein-plus-vier-Modell vertreten, d. h. er geht davon aus, dass die vier oben genannten Faktoren Primärfaktoren (im Sinne spezieller Aspekte) sind und das allgemeine Sensation Seeking als Sekundärfaktor aufzufassen ist (vgl. Amelang et al. 2006: 328ff.). ↩
Die folgenden Beobachtungen stellen nur eine Vermutung dar, dass dieser Trait bei bestimmten Personen stärker ausgeprägt ist. Klarheit, ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur der von Marvin Zuckerman für diesen Trait entwickelte Fragebogen bringen. ↩
Der Film beruht auf dem Buch des damaligen Staatsanwaltes Vincent Bugliosi. Für nähere Informationen: http://www.imdb.com/title/tt0074621/ ↩
siehe auch Warenangebot von Amazon: http://www.amazon.de/s/ref=sr_nr_n_11?rh=n%3A1981507031%2Ck%3ACharles+Manson&keywords=Charles+Manson&ie=UTF8&qid=1379758497&rnid=1703609031 ↩
Eigentlich zeigt die Manson-Geschichte vor allem eines: das Furchtbare des Gehorsams (und die Furchtbarkeit der Abstraktion) sowie die gewaltsamen Einschreibungen, die soziale Hierarchien (nicht nur) bei denen hinterlassen können, die nicht zu den Etablierten gehören.
Mir erschließt sich nicht so recht der Erklärungswert der Thesen von Zuckerman, aber vielleicht muss man sich da mehr damit beschäftigen. Mir scheint, dass (nach einem gängigen Schema) dort, wo es spannend wird, ein Sprung zu einer biologistisch konnotierten Tautologie erfolgt.