Dieser Blogeintrag beschäftigt sich mit Gewaltdarstellungen im Musikbereich Metal. Es geht darum, wie Gewalt dargestellt wird und welche Funktionen eben diese für die Konsumenten dieses Musikstils hat. Die gewaltvollen Texte und CD Cover werden anhand eines Beispiels der Death Metal Band Cannibal Corpse verdeutlicht.
Die Musikrichtung Heavy Metal entstand Anfang der 1970er Jahre aus dem Bluesrock und Hard Rock. In den 80er Jahren teilte sich der Heavy Metal in verschiedene Subgenres ein, worunter unter anderem Thrash Metal, Hair Metal, Power Metal, Black Metal und Death Metal fallen. Letzteres soll für diesen Blogeintrag von besonderer Bedeutung sein, denn im Death Metal werden Themen wie Tod, Krankheit, Krieg, Folter, Horror und gesellschaftliche Unzulänglichkeiten häufig angesprochen.
Arten der Gewaltdarstellung
Die gewaltvollen Themen werden nicht nur in der musikalischen und textlichen Form präsentiert, sondern auch gegenständlich umgesetzt. Es bedarf oft auch einer Art Verbildlichung der Gewalt, was man anhand von Alben-Covern oft gut erkennen kann (vgl. Eckel 2011). Diese sind oft geprägt von Splatter- und Horrormotiven. Auch auf Merchandising Produkten, wie Pullovern und T-Shirts finden sich diese Motive wieder. Bei der dargestellten Gewalt handelt es sich oft um eine Überschreitung von Normen und Werten „…indem das Böse und die Bestialität des Menschen als seine inneren Abgründe thematisiert werden“ (Eckel 2011: 65). Gerade dadurch, dass die Themen meist jenseits der Vorstellungskraft liegen, bedarf es einer visuellen Darstellung, um der Gewalt noch einmal Nachdruck zu verleihen.
Die in der Musik behandelten und wiederkehrenden Themen hat Deena Weinstein in ihrem Buch „Heavy Metal – The Music and its Culture“ (2000) einer genaueren Analyse unterzogen. Dabei fand sie zwei thematische Schwerpunkte. Zum einen die „Dionysian Themes“ wozu vergangene und fantastische Welten gehören aber auch der Metal als Party mit Sex und Drogen. Die andere Kategorie sind die „Themes of Chaos“ worunter Gewalt, Tod, Folter, Zerstörung, Hass, Krieg, Kritik an Religion und sozialen Missständen fallen. Interessant für diesen Blogeintrag ist lediglich der zweite Themenblock.
Funktionen der Gewaltdarstellung
Die Darstellung von Gewalt kann zwei Funktionen haben: Zum einen können, laut einigen psychologischen Studien, gewaltdarstellende Medien aggressives Verhalten im wahren Leben fördern (vgl. Kosic 2011). Dabei handelt es sich um die Stimulationsthese welche aussagt, dass aggressive Handlungen durch bestimmte mediale Gewalt und unter bestimmten persönlichkeitsspezifischen und situativen Bedingungen verstärkt werden. Zu den persönlichkeitsspezifischen Bedingungen gehören zum Beispiel Frustration und als Beispiel für reine situative Bedingungen kann ein aggressionsauslösender Reiz angesehen werden (vgl. Bartinic & Appel 2008). Andere Studien hingegen behaupten, dass aggressive Musik bei der Aggressionsbewältigung hilfreich ist und sozusagen eine Art Ventil darstellt. „Metal-Fans berichten zudem, ihr emotionales Erleben werde von der Musik angesprochen“ und „[…] dass viele Fans durch das Hören von (extremen) Metal aggressive Emotionen eine Stimme geben und dadurch frustrierende Erfahrungen entschärfen können (Kosic 2011: 116). Damit wird die Karthasisthese angesprochen, welche besagt, dass jeder Mensch über einen Aggressionstrieb verfügt, der gelegentlich auch ausgelebt werden muss. Nicht unbedingt in Form von realen aggressiven Handlungen, aber in diesem Sinne in Form der Musik. Diese These gilt als eine der ältesten zur Wirkung von Gewalt und geht bereits auf Aristoteles zurück (vgl. Bartinic & Appel 2008).
Beispiel
Als ein Beispiel für die inhaltliche Gewaltdarstellung dient das Lied „Hammer Smashed Face“ der US-amerikanischen Death Metal Band Cannibal Corpse. Die Band an sich hat schon immer für viel Furore gesorgt. Aufgrund ihrer aggressiven Texte sind Auftritte und Alben in einigen Ländern zum Teil oder komplett verboten. In Deutschland wurden die ersten drei Alben indiziert und gegen das Album „Butchered at Birth“ besteht ein Beschlagnahmebeschluss. Bei den darauf folgenden Alben wurden neue Cover gestaltet, um so einer weiteren Indizierung entgegenzuwirken. Aus Jugendschutzgründen enthalten die Booklets in Deutschland auch keine Songtexte mehr.
Cannibal Corpse – Hammer Smashed Face
Lyrics – Hammer Smashed Face
There’s something inside me
It’s, it’s coming out,
I feel like killing you
Let loose the anger, held back too long
My blood runs coldThrough my anatomy, dwells another being
Rooted in my cortex, a servant to its bidding
Brutality now becomes my appetite
Violence is now a way of lifeThe sledge my tool to torture
As it pounds down on your forehead
Eyes bulging from their sockets
With every swing of my malletI smash your fucking head in, until brains seep in
Through the cracks, blood does leak
Distorted beauty, catastrophe
Steaming slop, splattered all over me
Lifeless body, slouching dead Lecherous abscess
Where you once had a headAvoiding the prophecy of my new found lust
You will never live again, soon your life will end
I’ll see you die at my feet, eternally I smash your face
facial bones collapse as I crack your skull in halfCrushing, cranial, contents
Draining the snot, I rip out the eyes
Squeezing them in my hands nerves are incised
Peeling the flesh off the bottom of my weaponInvoluntarily pulpifying facial regions
Suffer, and then you die Torture, pulverized
At one with my sixth sense, I feel free
To kill as I please, no one can stop me
Created to kill, the carnage continuesViolently reshaping human facial tissue
Brutality becomes my appetite
Violence is now a way of life
The sledge my tool to torture
As it pounds down on your foreheadQuelle: http://www.metrolyrics.com/hammer-smashed-face-lyrics-cannibal-corpse.html
Analyse
Die Musik an sich ist sehr schnell und klingt brutal, darüber hinaus finden oft abrupte Tempowechsel statt. Der Text ist aufgrund des gutturalen Gesangs, auch Growlen oder Grunzen genannt, oft schwer verständlich. Beschäftigt man sich länger mit der Art von Gesang, fängt man an den Text zu verstehen. Der Gesangstil, welcher sehr tief ist und aggressiv klingt, soll auf diese Art und Weise die Brutalität der Texte passend widerspiegeln. Beim Death Metal stehen jedoch die Instrumente meist mehr im Vordergrund als der Gesang.
Der Song handelt, wie der Titel auch schon sagt, von einem Gesicht, das mit Hilfe eines Hammers zertrümmert wird. Der Text wurde in der Ich-Form geschrieben und es wird deutlich, dass die Person Hass und Wut empfindet, welche lang zurückgehalten wurde. Dann werden Gewaltfantasien sehr detailliert geschildert mit Aussagen wie „Die Augen werden aus ihren Höhlen gedrückt“ oder „Gesichtsknochen brechen, als ich deinen Schädel entzwei stoße“. Der Person bereitet es Freude und sie genießt es, dem Opfer Gewalt zuzufügen: „Brutalität wird nun zu meinem Begehren, Gewalt ist nun eine Lebensweise, der Hammer mein Werkzeug der Folter, als er auf deine Stirn hinabstößt“. Es ist weiterhin kein tieferer Sinn in dem Text zu erkennen, außer der reinen Darstellung gewaltvoller Szenen, die den Zuhörer wahrscheinlich schocken soll.
Die Band selbst betrachtet die Gewaltdarstellungen in ihrer Musik mit ganz anderen Augen. Cannibal Corpse Bassist Alex Webster berichtet, auf die Frage nach der Motivation nach über 20 Jahren auch noch solche Texte zu verfassen:
Diese Texte passen einfach enorm gut zu einer extremen Musikform wie dem Death Metal. Es gibt dabei keine versteckte Botschaft. Und selbst wenn es eine gibt, würde ich diese niemals verraten. Das macht einen Text doch aus, dass man beim Lesen die eigene Vorstellungskraft benutzen kann und dadurch jeder Leser eine eigene Erfahrung mit dem Text macht.
(Gorr 2011)Diese Aussagen unterstützen die These, dass selbst erlebte negative Erfahrungen mithilfe der Musik verarbeitet werden können.
Auch der folgende Auszug aus einem Interview macht noch einmal deutlich, wie die Band selbst zu ihren Texten steht:
Interviewer: „Gut, nächste Frage: es gibt vielleicht ein paar kranke Typen, die zum Beispiel eure Texte für real halten oder diese in die Realität umsetzen. Wenn so etwas passieren würde, würdest du dich irgendwie schuldig fühlen oder vielleicht darüber nachdenken, andere Texte zu schreiben?“
Webster: „Ich wäre sicher nicht glücklich, wenn so etwas passieren würde. Aber die meisten Leute wissen eben, daß das Ganze nur Unterhaltung ist, wie ein Buch oder ein Film. Es kann aber schon mal vorkommen, daß Leute, die Cannibal Corpse mögen, gewaltsame Taten begehen, aber ich glaube eher, daß das dann Zufall wäre. Jedenfalls fordern wir nicht zu Gewalt auf, wir schreiben einfach gerne Songs über Gewalt, wir machen ja auch brutale Musik. Wenn man Musik macht, dann macht man etwas positives, und wir nehmen all diese negativen Sachen, wie zum Beispiel Gewalt und Aggression, und verwandeln es in etwas Positives. Wir verwenden negative Emotionen und machen daraus positive Musik sozusagen. Es ist nun mal böse Musik und deswegen sollen natürlich auch die Texte so sein“ (Goerk: 1999).
Die Künstler sehen ihre Musik lediglich als Unterhaltung. Und auch hier unterstreicht Webster wieder, dass solch böse klingende Musik, auch einfach böse Texte benötigt und keinerlei Aufforderung zu Gewalttaten sein soll.
Fazit
In kaum einer anderen Musikrichtung wird Gewalt in solch einer drastischen Form musikalisch, wie auch visuell dargestellt wie im Death Metal. Die Darstellung hat laut einigen Studien die Funktion des Aggressivitätsabbaus, wobei es sich um die Karthasisthese handelt. Andere Studien hingegen behaupten, solche Musik würde die Aggressivität nur noch weiter fördern und angesprochen wird dabei die Stimulationsthese. Diese beiden Thesen stehen im Widerspruch zueinander und fraglich ist, welche zutreffender ist. Die Auswirkungen von Gewalt in den Medien sind wahrscheinlich auf jedes Individuum unterschiedlich und jeder hört die Musik aus einem anderen Grund. Die Künstler selbst, zumindest hier als Beispiel Cannibal Corpse, sehen ihre Musik mehr als eine Art von Unterhaltung und nicht als eine Aufforderung zur Gewalt.
Literatur
Batinic, Bernad und Markus Appel, 2008: Medienpsychologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag
Eckel, Julia: Kutte & Co – Zur textilen SchriftBildlichkeit des Heavy Metals. S. 55 – 70 in: Nohr, Rolf. F. und Schwaab, Herbert (Hg.), 2011: Metal Matters – Heavy Metal als Kultur und Welt. Münster: Lit Verlag.
Goerk, 1999: Cannibal Corpse Interview mit Alex Webster. Empfangen 03.07.2013 unter: http://vampster.com/artikel/show/657_CANNIBAL-CORPSE-Interview-mit-Alex-Webster,-November-1999_Interview_.html
Gorr, Dorian, 2011: Musik still geschaltet – Musikzensur in Deutschland. Empfangen 03.07.2013 unter: http://www.metal-mirror.de/cms/archiv/magazin-2-12/hauptartikel-musik-still-geschaltet-musikzensur-in-deutschland/
Kosic, Tomislava: Heavy Metal als kulturelles System nach der Dichten Beschreibung von Clifford Geertz. S. 109 – 124 in: Nohr, Rolf. F. und Schwaab, Herbert (Hg.), 2011: Metal Matters – Heavy Metal als Kultur und Welt. Münster: Lit Verlag.
Weinstein, Deena, 2000: Heavy Metal: The Music and its Culture. Cambridge: Da Capo Press.