Die Ära des Rock’n’Roll
Die Anfangszeit des Rock’n’Roll war eine „Ära des kalten Kriegs, eine Zeit der konservativen Restaurierungen des amerikanischen Kapitalismus, seines scheinbar grenzenlosen ökonomischen Wachstums (…) (einer) (…) chauvinistische Glorifizierung des ‚American way of life‘ (…) (und der) heimgekehrten Kriegsveteranen (…)“ (Wicke 1987: Rock Around the Clock), die nur noch ihre Ruhe haben wollten (vgl. ebd.). Politisch und auch gesellschaftlich herrschte die Angst vor Spionage, „(…) Kongreßausschüssen (…) fliegenden Untertassen und Kommunisten samt ihren Freunden und Kollegen und vor jedem der sie um Feuer bat oder nach der Uhrzeit fragte (…)“ (Malamud 1970: 260 nach: Wicke 1987).
Die amerikanische Jugend war erfüllt von „kultureller Leere, sozialer Starre, de(m) Konservatismus im Nachkriegsamerika. Konformismus wurde zum Grundzug des Sozialverhaltens (…)“ (ebd.). Elternhaus und Schule versuchten, die Konformität und die amerikanischen Werte zu vermitteln und in den Jugendlichen zu verfestigen, um so einen sozialen Aufstieg ihrer Kinder erreichen oder durchsetzen zu können (vgl. ebd.). Immer mehr Kinder strebten auf die High School, die somit zum Sinnbild von Anpassungs- und Leistungsdruck und dem „American way of life“ (ebd.) und zugleich aber auch Motor für das Aufkommen des Rock’n’Roll wurde (vgl.ebd.). Der Rock’n’Roll wurde zum Ausdruck einer Generation, die sich gegen den Konformitätsdruck, die Gleichschaltung und den Willen der Eltern wehren wollte. Anstatt auf die Worte der Eltern zu hören, wurde bewusst die „(…) vulgäre, lärmende Rock’n’Roll (…)“(ebd.) Musik gehört.
Rock’n’Roll war hingegen nichts Neues.1 Es handelte sich dabei um „(…) Musikformen, die (…) schon existierten und sich auch kaum veränderten, den Rhythm & Blues der Afroamerikaner (…) und die Country Musik aus dem ländlichen Süden. Neu daran war nur die Bezeichnung (…)“ (ebd.) des Rock’n’Roll! Statt Frank Sinatra hörte man nun also Fats Domino (vgl. ebd.). Ein wichtiger Aspekt bei der Verbreitung des Rock’n’Rolll war das Radio, über das die Jugendlichen Zugang zu der Musik bekamen. Es wurde Musik ausgewählt, die „(…) rebellisch und provozierend wirkte, sinnliches Vergnügen vermittelte und sich in ihre Welt aus Partys, Rendenzvouz (sic!), protzigen Autofahrten, Träumen und Sehnsüchten einordnen ließ (…)“ (ebd.). Und besonders die Musik von Elvis Presley traf genau den Nerv der Generation. Was war aber so provokant an dem Auftreten Elvis Presleys, dass die Gesellschaft befürchtete, ihre Jugend würde von diesem Mann und seiner Musik verdorben werden?
Elvis,the Pelvis – Elvis in den Medien. Zwischen kreischenden Fans und gesellschaftlicher Angst
Elvis Presley wurde 1935 in Tulepo/Mississippi als Sohn eines Lastwagenfahrers geboren (vgl. Wicke 1987). Elvis war damit im Grunde selbst ein Sinnbild einer ganzen Generation: Er wuchs im verarmten kleinbürgerlichen Mittelstand in Memphis auf, ging zur High School (vgl. ebd.) und erlebte dort sowohl den Konformitätsdruck als auch „(…) die Trostlosigkeit der kleinbürgerlichen Alltagsrealität (…)“ (ebd.) mit. So gesehen war Elvis einer dieser Jugendlichen, also jemand aus ihrer Mitte, der gegen „ (…) Konformismus, den Normen und Regel der Disziplin an den High Schools (…)“ (ebd.) rebelliert und trotzdem seinen Weg gefunden hatte (vgl. ebd.). Die Jugendlichen wollten sich vom Rest der Gesellschaft abheben, sie wollten anders sein, wussten aber selbst nicht genau, wie sie nun sein wollten (vgl. ebd.). Und Elvis stillte genau dieses Verlangen nach Andersartigkeit, nach Rebellion, nach Flucht aus der erdrückenden Gesellschaft um sie herum, nach Anpassungslosigkeit und Freiheit (vgl. ebd.). Wichtig ist jedoch auch zu sagen, dass sie die Regeln der Gesellschaft, gegen die sie rebellierten, aber im Grunde gar nicht in Frage stellten (vgl. ebd.). Als Elvis Presley im Jahr 1954 seine erste kommerzielle Schallplatte auf den Musikmarkt brachte, war er für sie jemand, der den Sprung in das Musikgeschäft und somit den sozialen Aufstieg, geschafft hatte (vgl. ebd.). Gesellschaftlicher, schulischer und elterlicher Druck, Sanktionen und Erziehungsmaßnahmen waren das Ergebnis dieses Fluchtversuchs der Jugendlichen der 1950er Jahre.
Die gesellschaftlichen Reaktionen auf Elvis Presley waren jedoch vielseitig. Auf der einen Seite setzte eine Kommerzialisierung des Musikers Elvis Presley ein. Auf der anderen Seite wurde Elvis, besonders durch die Medien, als eine Bedrohung für Amerika angesehen (vgl. Wicke 1987): Rock’n’Roll sollte ein Versuch der Kommunisten sein, Amerika, mit Hilfe der Jugend zu unterwandern (vgl. Schmidt 1983: 156 in: Wicke 1987). Es erfolgten regelrechte Anti-Rock’n’Roll Kampagnen.
Mediale und gesellschaftliche Reaktionen in Amerika und Deutschland auf Elvis
Die Musik Elvis Presleys wurde von der Nachkriegswelt, besonders Amerika und Deutschland, als provokant und gefährlich eingestuft. Es wurde ihr sogar unterstellt „(…) voller sinnlicher, jugendgefährdender Impulse (…)“ (Rumpf 2004:45) zu sein. Rock’n’Roll wurde als Krankheit, als „(…) Tanzwut (…)“ (ebd.: 45) angesehen, da die Jugendlichen mit einer extremen Intensität, die für die Nachkriegszeit untypisch und unbekannt war, reagierten. Die Musik von Elvis und seine Auftritte sorgten für Massenhysterie und Ohnmachtsanfälle bei den Frauen. Der Spiegel aus dem Jahr 1956 berichtete im Hinblick auf Hysterie der Fans, dass sich die Fans auf den Konzerten von Elvis bewusst entladen würden (vgl.ebd.: 51) und „(…) Symptome ‚kollektiver erotischer Eruptionen‘ seien festzustellen“ (Spiegel 50/1956 nach: Rumpf 2004: 51) und man ginge sogar soweit, die Hysterie um Elvis als eine „ ‚Presley-Krankheit‘ (…) ‚Presley-Psychose‘ oder ‚Presley-Fieber‘ (…)“ (ebd.: in: Rumpf 2004: 51) zu bezeichnen. Rock’n’Roll sei somit krankmachend und würde die Sitte und auch die Jugendlichen, besonders die Mädchen und jungen Frauen, verderben (vgl. Rumpf 2004: 51). Wie kam es aber dazu, dass Elvis zu einem Verführer ganzer Heerscharen von jungen Frauen und Mädchen wurde?
Elvis als Provokateur
Am 5. Juni 1956 trat Elvis in der in der Milton Berle Show auf und sorgte für Furore. Elvis stellte dort seinen Song ‚Hound Dog‘ vor. Elvis trug einen Anzug und die Haare zu einer Tolle frisiert. Er stand mit gespreizten Beinen dort und bewegte die Hüften rhythmisch zur Musik (vgl. YouTube).
Elvis Presley at the Milton Berle Show (5. June 1965): „Hound Dog“
Nach diesem Auftritt entschied sich der Entertainer Ed Sullivan, der Elvis für seine Ed Sullivan Show eingeladen hatte, Elvis nur oberhalb der Hüfte im Fernsehen zu zeigen (vgl. Doll 2009: 76f.). Die Gemüter der Nachkriegsgesellschaft und auch der Medien hatten sich über den Auftritt Elvis Presleys erregt und sahen in ihm „(…) einen gewissenlosen Verführer (…)“ (Rumpf 2004: 46). Rock’n’Roll sei demnach „(…) aufpeitschende Musik, die körperlich enthemmt und fanatisiert (…)“ (ebd.: 48) und Elvis Hüftbewegungen würden an die Bewegungen einer „(…) Entkleidungstänzerin (…)“ (ebd.: 48) erinnern. In den Augen der Medienberichterstattung und wohl auch der amerikanischen und deutschen Gesellschaft sei Elvis eine „(…) kranke bis komische, obszöne und primitive Figur (…)“ (ebd.: 49) deren Botschaft „(…) Enthemmung und sexuelle Freizügigkeit (…)“ (ebd.: 49) wäre. Elvis bekam relativ schnell aufgrund seiner Hüftbewegung, die einem sexuellen Akt ähneln sollte, eine Reihe von Spitznamen und Zuschreibungen, darunter „Elvis, the Pelvis“ (ebd.: 49), „(…) männliche Atombombe (…), er ‚singt, wie Marilyn Monroe geht‘; biete ‚Hüftgezitter‘“ (ebd.:50).
Der Countrysänger Bob Luman beschrieb Elvis wie folgt:
Dieser Bursche kam raus mit roten Hosen, einem grünen Umhang und Socken in gelb (sic!); und er hatte dieses höhnische Grinsen auf seinem Gesicht. Er stand bestimmt fünf Minuten hinter dem Mikrophon, bevor er irgend etwas (sic!) tat. Dann schlug er einen Akkord auf seiner Gitarre an, und dabei gingen gleich zwei Saiten drauf. (…) Da stand er nun, zwei Saiten baumelten herunter, und er hatte noch immer nichts gemacht. Die High School-Mädchen kreischten, fielen in Ohnmacht, rannten nach vorn zur Bühne, und dann fing er an, seine Hüften ganz langsam zu bewegen, so als ob er nicht seine Gitarre, sondern ein Mädchen da hätte. Das war Elvis, als er ungefähr neunzehn war und in Kilgore, Texas, spielte. (Guralnick in: Milles 1980: 19f.)
Fazit
Zusammenfassend können die Gründe genannt werden, was die Gesellschaft so provozierend und gefährlich an Elvis Presley und dem Rock’n’Roll empfunden hat:
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Rassentrennung in den USA
In Amerika wurden schwarze Amerikaner diskriminiert und benachteiligt. Diese Diskriminierung zeigte sich in einer Rassentrennung bei Wohnraum, Schulen, Restaurantbesuchen, beim Einkaufen und auch in der Öffentlichkeit, wie dem Busfahren (vgl. Zahn 1953 in: Nathans 2008). Die ersten Reihen des Busses wurden weißen Amerikanern zugesprochen, der hintere Teil den schwarzen Amerikanern. Betrat ein weißer Amerikaner einen Bus, so musste ihm ein schwarzer Amerikaner Platz machen. Rosa Parks, eine schwarze Amerikanerin, verweigerte dieses und wurde deswegen verhaftet. 1956 wurde die Rassentrennung in Bussen verboten (vgl. Opper 2006: 250ff.) Rosa Parks und Martin Luther King setzten sich für die Bürgerrechte schwarzer Amerikaner ein und riefen die Organisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) ins Leben. Dieses Rassenproblem wurde auch auf dem Rücken von Elvis Presley und des Rock’n’Roll ausgefochten. (Dazu später mehr unter Punkt 4.).
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Elvis wuchs in Memphis auf.
Memphis war ein Umschlagpunkt für Musik. Es gab dort eine „(…) eigenständige lokale Bluesentwicklung, die bis weit in die zwanziger Jahre zurückreichte, eine ausgeprägte Gospeltradition in den schwarzen Kirchen und eine reichhaltige Auswahl an Country Musik im ungehobelten Hillbilly-Stil. In Memphis stand die erste von schwarzen betriebene Radiostation der USA, machten namenhafte Bluesmusiker wie Howlin‘Wolf und Sonny Boy Williamson eigene Sendungen um lokalen Rundfunk“ (Wicke 1987). Man könnte also sagen, dass Elvis zwischen den Schwarzen und ihren Musikeinflüssen aufgewachsen ist und ein Fan dieser Musik war:
The colored folks been singing it and playing it just like I’m doing now, man, for more years than I know (…) I got it from them. Down in Tupelo, Mississippi, I used to hear old Arthur Crudup bang his box the way I do now, and I said if I ever got to the place where I could feel all old Arthur felt, I’d be a music man like nobody ever saw (…).
(Farley 06.07.2004: Time Magazine)
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Sein Tanzstil
Elvis provozierte mit seinem Tanzstil, besonders mit der Bewegung seiner Hüften. Elvis setzte seinen Tanzstil gekonnt dazu ein, um die weiblichen Fans bei seinen Auftritten zum Kreischen zu bewegen:
(…) he moved across the stage, shaking his shoulders and swinging his legs. Certain moves were obviously designed to elicit screams and yelps from the girls in the audience, and Elivis’s smiles proved that he was delighted at his explosive effect on his female fans (…) He teased the women with his provocative moves, they screamed for more (…).
(Doll 2009:76)
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Die Musik Elvis Presleys
Da Elvis in Memphis aufgewachsen ist und ein ganzes Repertoire an Musikeinflüssen miterlebt hat (Siehe Punkt 4), machte sich auch in seinem Musikgeschmack bemerkbar. Elvis coverte die Songs ‚Hound Dog‘ von ‚Willie Mae ‚Big Mama‘ Thornton‘ (vgl. Songlexikon) und ‚That‘s allright Mama‘ von dem Künstler ‚Arthur ‚Big Boy‘ Crudup‘ (vgl. Farley 06.07.2004: Time Magazine). Ebenso von schwarzen Amerikanern, wie, Little Richard (‚Tutti Frutti‘), Arthur ‚Big Boy‘ Crudup (‚My Baby Left Me‘), Big Joe Turner (‚Shake, Rattle and Roll‘) und Ray Charles (‚I Got a Woman‘) (vgl. Doll 2009: 71ff.). Aber auch Songs von weißen Amerikanern, wie von Carl Perkins (‚Blue Suede Shoes,‘) coverte Elvis (vgl. ebd.: 71). Er nahm aber auch Musik- oder Songdemos an, die ihm Musiker und Songwriter, wie Otis Blackwell (‚Don‘t be cruel‘), zukommen ließen, damit er ihre Songs sang (vgl. Doll 2009: 73).
Big Mama Thornton – Hound Dog (1952)
Interessant ist, dass Elvis keinen seiner Songs selbst geschrieben hat (vgl. Harrison 2003: 107). Dieses gab er in einem Telefoninterview mit Keith Sherriff vom 3. Januar 1959 zu:
Keith Sherriff : Some people saying you wrote your latest hit ‚I Got Stung.‘ Did you, Elvis?
Elvis: No. I never wrote a song myself. I probably could’ve if I sat down and tried hard enough but I never had the urge (…)
(Osborne 2000: 103).
Elvis sang also die Musik der schwarzen Amerikaner, da sowohl ‚Big Mama Thornton‘ als auch ‚Arthur ‚Big Boy‘ Crudup‘ und viele mehr (siehe Coversongs oben) afroamerikanischer Herkunft waren. Elvis brachte die Musik der schwarzen Amerikaner in die Welt der weißen Amerikaner (vgl. Wicke 1993: Vom Umgang mit Popmusik. Popmusik als Medium im Klang). Wicke sagt aus, „(…) Die bis dahin sorgfältig getrennt gehaltenen Sparten von (weißem) Pop, (afroamerikanischem) Rhythm & Blues und (ländlicher) Country Music scheinen auf dem durch Presleys Hound Dog markierten Höhepunkt der Rock’n’Roll-Welle ihre Bedeutung verloren zu haben (…)“ (Wicke 1993) und deutet darauf hin, dass Presley die Klangwelten zwischen schwarzen und weißen Amerikanern verbunden habe.
Weiter ist anzumerken, dass Elvis als Weißer die Musik der Schwarzen sang und sich die Gesellschaft, die noch immer ein Problem mit schwarzen Amerikanern hatte und diese diskriminierte, darüber empörte:
Der Skandal lag darin, daß hier ein Weißer den wohlbehüteten Kindern der weißen Mittelschichten an den High Schools und Colleges die Kultur des Bodensatzes der amerikanischen Gesellschaft, des afroamerikanischen Industrieproletariats in den Großstadtghettos, vorsetzte. Daß Presley mit seinem brüllendem Gesang, der nicht im mindesten kaschierten musikalischen Unbedarftheit sowie den anzüglichen Hüftbewegungen beim Singen das Gossenimage auch noch herauskehrte, mußte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Teenager in den von Wohlstandsboom und McCarthyismus geprägten repressiven fünfziger Jahren ausüben.
(Wicke 1993)
Rock’n’Roll war also ungestüme ‚Negermusik‘, wie das Time Magazin im Jahre 1955 empfand:
Rock’n’Roll basiert auf dem Negerblues, aber in einem Stil, der in böswilliger Absicht die primitiven Eigenschaften des Blues bewußt hervorkehrt. Die Ingredienzen: gnadenlos hämmernde Synkopierung — es klingt wie eine Ochsenpeitsche; ein cholerisch hupendes Saxophon, das eine Art Lockruf ausstößt; eine elektrische Gitarre, die derart laut aufgedreht ist, daß ihr Klang förmlich zerspringt und zerbirst; eine Vokalgruppe, die jeden anständigen Menschen erschauern läßt, sich in wilden Verrenkungen ergeht, während sie in Idioten-Manier völlig unsinnige oder schwachsinnige Phrasen kreischt.
(Time Magazine 18. 06.1955: 52 in: Wicke 1993)
Die New York Times sieht im März 1956 in Rock’n’Roll ebenfalls eine Bedrohung und erläutert es wie folgt: „Rock’n’Roll ist eine ansteckende Krankheit, die von den Negern ausgeht; eine Musikform, die die kannibalischen Instinkte früherer Stammesentwicklung freisetzt (…)“ (New York Times 11.03.1956: 11 in: Wicke 1993). Auch der North Alabama Citizens Council lehnt den Rock’n’Roll und schwarze Amerikaner ab, er erklärt der Zeitschrift Newsweek: „Rock’n’Roll ist Teil einer Kampagne der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People, Bürgerrechtsorganisation der Afroamerikaner — PW), um Negerkultur und Rassenmischung in Amerika durchzusetzen. (…) Diese Musik appelliert an die Instinkte des Menschen und setzt Animalismus und Vulgarität frei“ (Newsweek 23.04.1956: 17 in: Wicke 1993). Afroamerikanische Musik schaffte ihren Durchbruch erst, als sie von weißen Künstlern wie Elvis Presley und Bill Haley, gecovert wurde (vgl. Wicke 1993). In Amerika stand der Rock’n’Roll für Triebhaftigkeit und Enthemmung. Auch Europa empfand den Rock’n’Roll als verstörend und sah in ihm einen Werteverfall und eine Gefährdung für die Jugend (vgl. ebd.). Auch die Tanzbewegungen, die Elvis begleitend zur Musik machte, führten dazu, dass die Gesellschaft um die Moral, Sitte und Unschuld ihrer Jugend bangte. Elvis wurde durch die Medien zu einem Verführer, der junge Frauen und Mädchen allein durch Musik und Tanz zur Unsittlichkeit verführe und somit zu einem Verfall der (amerikanischen und deutschen) Werte beitrage.
Wicke trifft es in seinen folgenden Aussage sehr genau: „(…) Letztlich ist es nicht die Musik, worauf Jugendliche in kultureller Form reagieren, sondern sie reagieren auf das Bild, das sie von sich in der Öffentlichkeit finden. Die Musik vermittelt diesen Prozeß nur“ (Wicke 1993).
Die Songs von Elvis waren entgegen seinem Tanzstil und der Nähe zum afroamerikanischen Blues nicht provokant. Elvis sang von Liebe (‚Love me Tender‘), Herzschmerz (‚Heartbreak Hotel‘), Trennungen (‚Return To Sender‘), dem Tanzen und Feiern (‚Jail House Rock‘) und allen Angelegenheiten, die mit Liebe zu tun hatten. Der einzige gesellschaftskritische Song, den Elvis gesungen hat, war ‚In the Ghetto‘. In diesem Stück singt Elvis von dem Leben im Ghetto, der Armut der Ghetto-Bewohner, der Ignoranz der Bevölkerung gegenüber Ghetto-Bewohnern und dem Weg, den ein im Ghetto aufwachsender Jugendlicher einnehmen kann (Hinwendung zu Gewalt, Waffen und Diebstahl). Im Grunde kann man annehmen, dass Elvis sich mit diesem Stück für die schwarzen Amerikaner aussprach und auf die Ungerechtigkeit in der amerikanischen Bevölkerung hinweisen wollte, da im Ghetto hauptsächlich schwarze Amerikaner lebten (vgl. Elvis Presley 1969: In the Ghetto).
https://www.youtube.com/watch?v=3pl5HHpnO9M
Quellenverzeichnis
- Doll, Susan (2009): Elvis for Dummies, Wiley Publishing Inc., Indianapolis.
- Farley, Christopher John (06.07.2004): Elvis Rocks. But He `s Not The First, Time Magazine Entertainment, unter URL: http://www.time.com/time/arts/article/0,8599,661084,00.html, letzter Zugriff: 01.07.2013.
- Harrison, Jennifer (2003): Elvis as we knew him. Our Shared Life in a small Town in South Memphis, iUniverse Inc., Lincoln.
- Milles, J. (Hrsg.) (1980): The Rolling Stone Illustrated History of Rock & Roll, Random House/Rolling Stone Press, New York.
- Nathans, Eli (18.12.2008): Politische Kultur im kalten Krieg: Peter von Zahn über Rassismus in den USA, in: Aus Politik und Zeitgeschehen (APUZ) 1-2/2009, Bundeszentrale für politische Bildung, unter URL: http://www.bpb.de/apuz/32266/peter-von-zahn-ueber-rassismus-in-den-usa?p=all, letzter Zugriff: 01.07.2013.
- Opper, Rudi (2006): Kolumbus und die Sklaverei, Books on Demand GmbH, Norderstedt.
- Osborne, Jerry (2000): Elvis Word for Word, Orborne Enterprises.
- Presley, Elvis (1969): Songtext In The Ghetto.
- Rumpf, Wolfgang (2004): Pop & Kritik. Medien und Popkultur. Rock´n´Roll, Beat, Rock, Punk. Elvis Presley, Beatles/Stones, Queen/Sex Pistols in SPIEGEL, STERN & SOUNDS, LIT Verlag, Münster.
- SPIEGEL Nr. 50 (1956): Von Dixieland nach Kinseyland. Rock’n’Roll -Singer Elvis Presley. Elvis, the Pelvis, unter URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-1956-50.html, letzter Zugriff: 29.06.2013.
- Songlexikon, Hound Dog, unter URL: http://www.songlexikon.de/songs/hounddog, letzter Zugriff: 01.07.2013.
- Time Magazine (18.06.1955).
- Wicke, Peter (1987/1990): Rockmusik. Zur Ästhetik und Soziologie eines Massenmediums. Rock Around the Clock. Der Aufbruch, Reclam, Leipzig, unter URL: http://www2.hu-berlin.de/fpm/textpool/texte/wicke_zur-aesthetik-und-soziologie-eines-massenmediums_04.htm#a1, letzter Zugriff: 29.06.2013.
- Wicke, Peter (1993): Vom Umgang mit Popmusik. Popmusik als Medium im Klang, Verlag Volk und Wissen, Berlin, unter URL: http://www2.hu-berlin.de/fpm/textpool/texte/wicke_popmusik-als-medium-in-klang.html, letzter Zugriff: 01.07.2013.
Einen guten Überblick über die Ursprünge des Rock’n’Roll in der Rhythm & Blues Musik afroamerikanischer Künstler vermittelt die zweiteilige Sampler-Reihe Early Black Rock ’n‘ Roll (Light in the Attic Records), Teil 1 (Roll your Moneymaker, 1948-1958), Teil 2 (I Smell a Rat, 1949-1959). ↩