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Smile, you’re on camera! – Hessische Polizei testet Bodycam

Am 29. Mai 2013 gepostet von Christian Wickert

Bodycam (Quelle: Videoscreenshot, rheinmain.tv)
Bodycam (Quelle: Videoscreenshot, rheinmain.tv)

Am Montag stellte der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) im Rahmen einer Pressekonferenz das Pilotprojekt „Bodycam – Mobile Videoüberwachung Alt-Sachsenhausen“ vor. Für die Projektdauer von einem Jahr werden Polizeibeamte  im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen patrouillieren – ausgestattet mit mobilen Kameras. Die sog. Bodycams sind auf der Schulter einer Weste angebracht. Auf Brust und Rücken der Weste ist der Hinweis „Videoüberwachung“ zu lesen. Die Kameras fertigen lediglich Bild- jedoch keine Tonaufnahmen an. Der Einsatz der mobilen Kameras ist laut Innenministerium nur anlassabhängig geplant. Eine ständige Videoüberwachung findet  nicht statt (siehe: Pressemitteilung zum Pilotprojekt Bodycam).

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Die Intention des Pilotprojektes sei es, „Beamtinnen und Beamten noch besser vor Angriffen zu schützen“, so der Innenminister in einem Interview (nachzulesen auf der Homepage des Innenministeriums).

Die Zahl der registrierten gewaltsamen Angriffe auf Polizeibeschäftigte habe im vergangenen Jahr zugenommen. 3.300 registrierte Übergriffe entsprächen einer Steigerung von + 8,9% gegenüber dem Vorjahr (ebd.).

Dabei setzt die hessische Landesregierung auf eine vermeintlich präventive Wirkung der Kameraüberwachung:

Bilder sagen mehr als Worte. Und in diesen Fällen sind die während der polizeilichen Maßnahmen unter strengen Auflagen gefertigten Videoaufzeichnungen ein sehr objektives Beweismittel. Potentielle Angreifer werden künftig zwei Mal überlegen, ob es sich wirklich lohnt einen Polizisten anzugreifen, wenn klar ist, dass die Aufnahmen vor Gericht landen können. (ebd.)

In dieser Argumentation lässt sich unschwer das zugrunde liegende Menschenbild eines rationalen Akteurs erkennen, der „zwei Mal überlegt“, bevor er illegale Handlungen vollführt. Bei den Angriffen auf Polizeibeamte wird es sich in der Regel jedoch um Affekttaten handeln, die von ihrem situativen, spontanen und emotionalen Charakter geprägt sind. Zudem werden die potentiellen, abzuschreckenden Täter im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen wohl nur selten nüchtern und ihr rationales Urteilsvermögen erheblich getrübt sein.

Neben diesen eher theoretischen Überlegungen stellen sich auch praktische Fragen:
Wie steht es um die Beweiskraft der Aufnahmen vor Gericht? Lässt das eingesetzte Kamerasystem eine nachträgliche Manipulation oder das Löschen der Aufnahmen zu?
In welchen Situationen werden die Kameras eingesetzt? Oder spannender: in welchen Situationen werden die Kameras bewusst ausgeschaltet?
Zieht diese neue staatliche Form der Überwachung eine Gegenbewegung im Sinne der Sousveillance nach sich? (Man denke beispielsweise an den Cop Recorder).

Überwachungskameras verhindern (in den allermeisten Fällen) keine Verbrechen. Vor allem angesichts des Einsatzszenarios erscheint die gewaltpräventive Wirkung der Bodycams nicht plausibel. Dass einer technischen Prävention mehr Erfolgsaussichten eingeräumt werden als der sozialen Kontrollfunktion (durch die bloße Polizeipräsenz), verwundert ebenso wie der Umstand, dass die Landesregierung der Gewalt gegen Polizeibeamte nichts anderes entgegen zu setzen hat als (noch mehr) Überwachungskameras.
Aus kriminologischer Sicht muss daher erheblicher Zweifel an den Erfolgsaussichten des Projektes Bodycam – Mobile Videoüberwachung Alt-Sachsenhausen geäußert werden.

Aus politischer Sicht wird das Projekt bereits jetzt als ein Erfolg gewertet. Selbst Mitgliedern der SPD Landtagsfraktion geht die Überwachung nicht weit genug; die PolizeibeamtInnen würden durch die fehlende Tonaufzeichnung nicht vor verbalen Attacken geschützt.
Und wenn das Jammern über zunehmende Gewalt gegen Polizisten bereitwillig von politischen VertreterInnen übernommen wird, dann ist – und alleine das ist sicher und bedarf weder Evaluation noch Überwachung – Wahlkampfjahr.

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Kategorie: Devianz und Kriminalität, Gewaltkriminalität, Kontrolle und Sanktionen, Polizei/ Policing, Recht und Gesetz, Überwachung, Video Stichworte: Bodycam, Hessen, Polizei, Videoüberwachung

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Christian Wickert schreibt

    1. Dezember 2013 um 10:29

    Im aktuellen Newsletter Polizeiwissenschaft (Nr. 169, Dezember 2013) wird von den ersten, positiven Evaluationsergebnissen des Modellversuchs berichtet:

    Im Newsletter Polizeiwissenschaft vom November 2013 berichteten wir über „Body Cams gegen Polizeigewalt“, eine neue Form von Techno-Prävention, die gegenwärtig in den USA mit gutem Erfolg getestet wird. Nachtragen können wir, dass seit Mai 2013 auch beim Polizeipräsidium Frankfurt ein
    Pilotversuch mit Body-Cams läuft. Das Projekt ist auf 12 Monate angelegt, und bereits nach einem knappen halben Jahr stellte der hessische Innenminister Boris Rhein fest, dass diese speziellen Kameras deeskalierend wirkten – im Versuchsgebiet Alt Sachsenhausen verringerte sich die Zahl der
    Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte von 14 auf acht, und die Einsatzbeamten beschrieben eine deutlich gestiegene Kooperationsbereitschaft der Problemklientel.
    Siehe
    http://www.fr-online.de/frankfurt/-body-cam–mit-koerperkamera-auf-der–zeil
    ,1472798,24873784.html und
    https://hmdis.hessen.de/presse/pressemitteilung/innenminister-boris-rhein-bo
    dy-cam-verhindert-gewalt-gegen-polizeibeamte

  2. RGW schreibt

    3. Mai 2014 um 19:55

    Auf der obigen Webseite gibt es für Interessenten die Gutachten aus England über die positiven Erfahrungen dort.
    Bereich: Bodycam news

  3. RGW schreibt

    3. Mai 2014 um 19:57

    Hat nicht funktioniert.

    Hier noch mal die Webseite: http://www.Bodycam.de

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