Criminologia

das deutschsprachige Kriminologie Blog

  • Startseite
  • Blogansicht
  • Studium
    • Was ist Kriminologie?
    • Kriminologiestudium in Hamburg
    • Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis
    • Zeitleiste zur Geschichte der Kriminologie
    • Kriminologische Lehrbücher
    • Aktuelle Journal-Artikel
    • Hinweise zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit
    • Prison Song Project
    • Rezensionen
  • Linkportal
  • Veranstaltungen
  • Kontakt

Polizei schwänzt Festspielauftakt zum 1. Mai

Am 1. Mai 2012 gepostet von Christian Wickert

Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel in den frühen Morgenstunden am 1. Mai 2012

Was wäre Romeo ohne Tybalt, Sherlock Holmes ohne Professor Moriarty und Harry Potter ohne Voldemort? Jedes Drama entfaltet seine Spannung aus dem Konflikt zwischen Protagonist und Antagonist. Fehlt einer dieser Pole bleibt das Schauspiel eine monologische Selbstdarstellung.

Am gestrigen Abend, dem 30. April – Walpurgisnacht – 2012, lockten fast sommerliche Temperaturen einige Hunderte Besucherinnen und Besucher in die Cafés und Bars im Hamburger Schanzenviertel rund um die Rote Flora. Ganz vereinzelt fanden sich Personen unter den Besuchern, die in schwarzen Kapuzenpullis gekleidet waren und eine Vorahnung auf das boten, was unter Umständen hätte folgen können: eine erneute Auflage der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Protestlern und der Polizei rund um den Tag der Arbeit.

Das Drama fiel jedoch aus. Denn Polizisten suchte man gestern Abend im Schanzenviertel vergeblich. Gegen 1 Uhr nachts waren einige der Akteure der Warterei überdrüssig und begannen das Schauspiel, indem sie einen Müllhaufen auf der Straße vor der Roten Flora aufschichteten und entzündeten. Das umherstehende Publikum quittierte den Beginn des ersten Aktes mit anfeuernden „Jetzt geht’s los!“-Rufen. Die Polizei schien jedoch ihren Einsatz verpasst zu haben; nicht einmal der brennende Müllhaufen  lockte die Ordnungskräfte hinter dem Vorhang hervor. Der aus den Vorjahren gewohnte Aufzug in Kampfmontur mit Wasserwerfern blieb aus. Das Publikum wurde schließlich ungeduldig und versuchte mit einem Sprechchor („Wo sind die Bullen?“), die Polizei doch noch aus der Reserve zu locken.

Doch alles Rufen war gestern Abend vergeblich – die Polizei hatte ihren Auftritt schlicht geschwänzt und war nicht zum Festplatz erschienen. Somit war der erste auch der letzte Akt des Abends und endete mit dem Abgang eines Laiendarstellers von der Bühne, der etwas hektisch seinen gegenüber der Roten Flora geparkten BMW entfernte.

Die Selbstdarstellung der Protestler fand ein schnelles und überaus harmloses Ende: das Feuer wurde von den enttäuschten Wartenden gelöscht und die Straße wieder freigeräumt (siehe auch hier).

Ob das Warten auf den zweiten Akt unter Beteiligung aller Akteure am heutigen 1. Mai ebenso vergeblich ist, wie das Warten auf Godot,  steht zum Zeitpunkt, da dieser Beitrag verfasst wird, noch nicht fest. Eindeutig hingegen ist, dass die Krawalle um den 1. Mai im Wesentlichen ein hochstilisiertes Schauspiel sind, dessen Inszenierung ganz wesentlich von der Rolle der Polizei abhängt.

  • twittern 
  • teilen 
  • E-Mail 



Verwandte Artikel

Protest und Kreativität – Bonuskarte Gefahrengebiet Pressemitteilung der Kritischen PolizistInnen: „Rote Flora, Politik und Polizei“ zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Hamburg seit dem 21.12.2013 Polizei außer Kontrolle Wider das Gutmenschentum: Til Schweigers erster Tatort Krawall und Kommerz – Wattebäuschchenschmeißen am 1. Mai

Kategorie: Devianz und Kriminalität, Gewaltkriminalität, Polizei/ Policing, Recht und Gesetz Stichworte: 1. Mai, Hamburg, Protest, Schanzenviertel

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Rafael Behr schreibt

    3. Mai 2012 um 07:21

    Lieber Christian,
    die Polizei hat keineswegs ihren Auftritt verpasst, sondern stand hinter den Kulissen bereit. Viele junge Komparsen bereiteten sich für den Auftritt vor, der wieder aus einem mittelalterlichen Kampfschauspiel bestehen sollte. Zufällig war ich in der „Garderobe“ des Theaters in Alsterdorf, das man offiziell „PU“ (für Polizeiunterkunft) nennt. Ab 20.00 Uhd mussten die Mitspieler bereits präsent sein und es begann eine lange Zeit des Wartens und der Vorbereitung (Rüstung anlegen, Essen und Trinken verstauen, Rolle studieren). Es wurden Wetten abgeschlossen ob und wenn ja, wann man die Hauptbühne zu betreten hatte. Die Kostüme waren an- bzw. bereitgelegt, man bekam von der Regie nur spärliche Informationen über die Entwicklung des Schauspiels vor der Roten Flora und ganz langsam wurden die Schauspieler und Schauspielerinnen nervös, die die „Krieger“ spielen sollten. Als dann nach Mitternacht die Flammen auf der Hauptbühne größer wurden und die dortigen Schauspieler ihre Aggro-Texte riefen, erklang aus dem Lautsprecher des Inspizienten die Durchsage „Wir fahren mal los“. Und tatsächlich: Die Kolonne setze sich in Marsch, sehr diszipliniert, aber vollständig bereit, sofort auf die Hauptbühne zu gelangen und das jährliche Spektakel wieder mitzumachen. Einzelne Schauspieler kommentierten die Entwicklung mit den Worten „Jetzt halten sie uns wieder Stöckchen hin und warten, dass wir darüber springen“. Einige ergänzten in der Tat „Wir sollten einfach mal wegbleiben“. Und es passierte etwas für Verschwörungtstheoretiker vielleicht Unerwartetes, aber für humanistische Polizeiforscher Wunderbares: Der Regisseur entschied sich für eine Kammerspielbesetzung bis zum Schluss und nicht für Passionsspiele. Er hielt mit ruhiger Stimme die Schauspieler zurück und sagte immer wieder, „das beruhigt sich wieder“. Es schien so, als wolle er dem Publikum den Spaß vorenthalten und in der Tat: dieses zeigte sich leicht enttäuscht, wo man es sich doch in den Logen schon gemütlich gemacht hatte („Frauen und Kinder nach vorne, die wollen auch was sehen“). Von den Komparsen zeigte sich dagegen niemand richtig enttäuscht, als es dann gegen 2.00 Uhr hieß, „Ihr könnt wieder zurück in die Garderobe“ – die meisten mussten am nächsten Tag wieder in die Maske, um eine weitere Vorstellung des Stücks „1. Mai in Hamburg“ zu geben.

    Ach ja, Du fragst vielleicht, woher ich das alles weiß: ich war diesmal als „embedded scientist“ im 3. Zug der Hundertschaft, die nicht gekommen ist, aber sehr nah dran war.
    Für mich ein gelungenes Beispiel einer erfolgreichen „Normalitätskonstruktion“ und für die Durchbrechung eines Regelkreises. Merke: Auch wenn Du denkst, die Polizei hat verschlafen: sie ist immer sehr nah dran.

    Liebe Grüße
    Rafael

    PS: Übrigens: Birgit war auch da, auf einer wieder anderen Bühne ich hab‘ sie am Funk gehört – da hat sich glaube ich jemand über Feuer und Qualm beschwert. Oder warst Du das nicht?

  2. Christian Wickert schreibt

    3. Mai 2012 um 12:58

    Lieber Rafael,
    bitte verstehe mich nicht falsch: ich war und bin begeistert vom Kammerspiel und keineswegs ein Freund des Passionsspiels. Das Schauspiel widersprach lediglich den Sehgewohnheiten und ich habe mich über den Mut/ die Weitsicht (???) des Regisseurs gewundert. Dein Kommentar hat jetzt aber ein wenig Licht hinter die Kulissen geworfen. Vielen Dank.

Haupt-Sidebar

Datenschutz & Cookies: Diese Website verwendet Cookies. Wenn du die Website weiterhin nutzt, stimmst du der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen, beispielsweise zur Kontrolle von Cookies, findest du hier: Cookie-Richtlinie

Über uns

Criminologia ist ein Blog zu kriminologischen und kriminalpolitischen Themen, betrieben und gepflegt von (ehemaligen) Lehrenden und Studierenden des Instituts für kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg und Lehrenden an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Social Media

  • Pinterest
  • Twitter
  • Vimeo

kurz notiert …

Tweets von @Kriminologie

Neueste Beiträge

  • Krimschnack-Podcast zum Zusammenhang von Musik und Kriminalität
  • Rezension: Drug Use for Grown-Ups
  • Rezension: The Global Police State
  • Rezension: The politics of big data. Big data, big brother?
  • Krimschnack – der Kriminologie-Podcast aus Hamburg

Neueste Kommentare

  • Desireena Almoradie bei Restorative Justice Film „To Germany, With Love“
  • Martin Cichy bei Leidet das Vertrauen in den Rechtsstaat unter einer zu milden Justiz? Eine Diskussion
  • Eva Martin bei Leidet das Vertrauen in den Rechtsstaat unter einer zu milden Justiz? Eine Diskussion

Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis

Blog via E-Mail abonnieren

Gib Deine E-Mail-Adresse an, um diesen Blog zu abonnieren und Benachrichtigungen über neue Beiträge via E-Mail zu erhalten.

Veranstaltungen

  • ZiF-Arbeitsgruppe zum Thema "Krimmigration" (Teil 2 - Präsenzveranstaltung)
    • 12/10/2021
    • Bielefeld
  • weitere Veranstaltungen anzeigen

Partnerseiten

Kriminologische Sozialforschung (Universität Hamburg)

Institut für Kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg

Krimpedia

Krimpedia

Common Session Programme in Critical Criminology

Common Study Programme in Critical Criminology

Surveillance Studies Blog

Surveillance Studies

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

SozTheo | sozialwissenschaftliche Theorien

SozTheo Banner

Copyright © 2021 — Criminologia • Alle Rechte vorbehalten. • Impressum & Datenschutzerklärung

Anmelden