Call for Papers für einen gemeinsamen Schwerpunkt von juridikum – zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft und Kriminologisches Journal (KrimJ)
In jüngerer Vergangenheit wurde vielfach thematisiert, dass die Konstitution von und der Umgang mit Recht in hohem Maße symbolisch qualifiziert sind. Insbesondere die politische Prozessierung und Darstellung von Recht wurde auf die Frage hin beleuchtet, ob bzw in welchem Maße eine symbolische Ebene zum Tragen kommt, die instrumentelle Effekte möglicherweise überlagert. Unter anderem das Strafrecht scheint vorrangig expressiven Zielsetzungen zu dienen, hinter denen der faktisch erwartbare Nutzen einer Rechtspraxis zurücksteht. Die Inszenierung von Reform- und Strafbereitschaft diene mehr der politischen Selbstdarstellung als dem empirisch überprüfbaren, konturierten Rechts(güter)schutz.
Obgleich die Kategorie des „symbolischen Rechts“ somit einen durchaus tauglichen Ansatzpunkt für kritische rechtswissenschaftliche Diskurse darstellen kann, wird an derartigen Thesen aus sozialwissenschaftlicher Sicht mitunter kritisch moniert, dass sie die Dichotomisierung einer gleichsam „echten“ versus einer „nur“ symbolischen Realität behaupten. Politisches Handeln werde diskreditiert, während ihm eine evidenzorientierte, objektive Welt juristischen Handelns gegenübergestellt werde. Um eine derartige Polarisierung zu vermeiden, gehen einige „klassische“ und neuere sozial- und kulturwissenschaftliche Positionen von einer prinzipiellen symbolischen Qualität von Recht aus. Die Unterscheidung von Inszenierung und „realer“ Rechtsreform und -anwendung wird obsolet, wenn Recht per se auf die „gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann) bezogen wird. Es wird damit als Modus verstanden, Wirklichkeit herzustellen, indem Beziehungen konstituiert und Realitäten erfahrbar gemacht werden. Zahlreiche Positionen, die an den „cultural turn“ der Sozialwissenschaften anschließen, folgen einer entsprechenden Sichtweise. Die Idee einer symbolischen Qualität des Rechts wird damit neu ausgerichtet und gleichsam radikalisiert, da ein nichtsymbolischer Umgang mit Recht ausgeschlossen wird.
An diesen Befund schließt die Kooperation der Zeitschriften „juridikum“ und „Kriminologisches Journal“ an. Es wird die Grundfrage nach der symbolischen Qualität von Recht, Rechtssetzung und Rechtsanwendung in den Mittelpunkt gerückt und dazu aufgerufen, das jeweils zugrunde gelegte Verständnis von Recht und dessen symbolischer Qualitäten offen zu legen. Nur auf dieser Basis kann angemessen darüber diskutiert werden, was es bedeutet, von symbolischen Bezügen in rechtlichen Kontexten auszugehen.
Diese Problematik wird in beiden Zeitschriften diskutiert und mit Blick auf verschiedene Rechtsbereiche ausbuchstabiert. Das Strafrecht bildet dabei nur einen Anwendungsfall neben anderen, denn es geht grundlegend um die Frage, was es bedeutet, dem Recht eine symbolische Dimension bzw Existenz zuzuschreiben.
Beispielhaft seien etwa für das juridikum folgende mögliche Themenbereiche angeführt:
- Allgemein Grundrechtseingriffe, die offensichtlich „ungeeignet“ sind, bestimmte Ziele überhaupt erreichen zu können – und damit verfassungs- und menschenrechtlich problematisch erscheinen
- „Burka“ und Kopftuch-Verbote, „Integrationsverpflichtungen“
- Strafverschärfungen, die mit dem „Kinderschutz“ legitimiert werden
- Kriminalisierung politischen Protests über Vorbereitungsdelikte (zB für Österreich: § 278a StGB)
- Symbolisch aufgeladene Konzepte von „Binnenmarkt“ im Europarecht
- Symbolische Dimensionen des Rechtsinstituts „Ehe“, die deren „Formenzwang“ erklären könnten
Die Texte werden in einem einheitlichen Konzept und jeweils entweder im juridikum oder im Kriminologischen Journal abgedruckt. Deren jeweilige Ausgaben 4/2012 werden als gemeinsames Projekt zeitgleich im Dezember 2012 erscheinen. Auch englischsprachige Texte können berücksichtigt werden.
Wir rufen zur Verbreitung dieses Calls auf und ersuchen um Zusendung von Abstracts
im Umfang von 150 bis 300 Wörtern bis zum 1. März 2012 an walter.fuchs@irks.at,
andrea.kretschmann@uni-bielefeld.de und mail:ilse.koza@univie.ac.at