Der nachfolgende Artikel wurde am 07. Dezember unter der dem Titel „Virtueller Leichenschänder?“ auf avameo veröffentlicht. Autor ist der Absolvent des Weiterbildenden Masterstudiengangs Kriminologie der Universität Hamburg und Co-Autor von “Gamecrime und Metacrime – Strafrechtlich relevante Handlungen im Zusammenhang mit virtuellen Welten” Thomas-Gabriel Rüdiger. Die Veröffentlichung auf Criminologia erfolgt mit Einverständnis des Autoren.
Eine annähernd grenzenlose Freiheit in virtuellen Welten kennt man eigentlich nur von Online-Spielen und Lebenssimulationen. Spiele wie Fallout 3, Grand Theft Auto oder auch die Elder Scrolls Reihe haben in der Vergangenheit den Versuch unternommen, diese Freiheit – mit teilweise beachtlichen Erfolgen – auch in ein Singleplayer Erlebnis einzubinden.
Eine Stärke virtueller Welten im Verhältnis zu Singleplayergames ist dabei die Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen – bzw. mit deren Avataren. Dabei kann es – ähnlich wie in jedem Gesellschaftssystem – aufgrund der Vielfältigkeit der Interaktionsmöglichkeiten auch zu sozial abweichenden Handlungen kommen.
Gerade World of Warcraft-Spieler können z.B. ein Lied von Account-Hacking, Betrugshandlungen und Phishing-Angriffen singen. Auch der Umgangston, der in virtuellen Welten von Beleidigungen, über Volksverhetzungen bis hin zu Bedrohungen reicht – die teilweise auch von strafrechtlicher Relevanz sind – wird sicherlich nicht von jedem Nutzer begrüßt.
In Metaversen, wie Second Life, kam und kommt es auch immer wieder zu virtuellen Handlungen mit sexuellem Bezug, die zumindest fragwürdig sind. Man denke nur an die Diskussion über „sexual children age play“, die Darstellungen (echter) tierpornografischer Abbildungen oder auch die Verknüpfung von schwersten Gewaltdarstellungen mit sexuellen Komponenten beim sog. „dolcett plays“. Sicherlich gibt es dabei Menschen, die so etwas aus reiner Neugier ausprobieren oder “einfach, weil man es kann”.
Dabei liegt die Betonung jedoch auf dem Ausprobieren: Wer sich einmal länger in den entsprechenden Räumen aufhält, wird üblicherweise feststellen, dass man immer wieder dieselben Avatare (Residents) antrifft. Man kann davon ausgehen, dass ein neuer Reiz am Anfang noch in kurzen Intervallen ausreicht, um ein Bedürfnis zu befriedigen. Je häufiger man diesen Reiz jedoch erlebt, umso intensiver muss er werden, um die Befriedigung zu erreichen. Dies ist der Punkt, wo sich der normale Neugierige von dem trennt, der ein Bedürfnis befriedigen möchte.
Um wirklich zu erkennen, wo hier die Grenze in virtuellen Welten verläuft, bedürfte es aber bisher noch nicht vorliegender wissenschaftlicher Untersuchungen.
Was passiert aber, wenn nun ein etwas – zumindest bizarr anmutendes Verhalten – auf ein Openworldgame wie das neue Skyrim, dem neuesten Teil der Rollenspielserie Elder Scrolls (für PC, Ps3 und Xbox), trifft? Das kann man recht anschaulich in dem von dem Nutzer „Symixable“ in Youtube eingestellten Video betrachten:
https://www.youtube.com/watch?v=JHvx0l_tVEw
In Skyrim wird man zeitweise von männlichen oder weiblichen NPCs (Non-Playing-Charakters) begleitet. Symixable scheint nun alle weiblichen Charaktere gesucht, geköpft und – für ihn entsprechend – „künstlerisch“ in seinem Haus platziert zu haben. Das Köpfen in Skyrim kann nur schwer gesteuert werden, vielmehr ist es ein Zufallseffekt in Form eines sog. Finishmoves und bedarf zudem der Verwendung einer speziellen Waffenkombination (z.B. zwei Schwerter). Alleine der zeitliche Aufwand also, der für die Suche, das Köpfen und das in Pose bringen notwendig war, ist schon enorm (man kann mindestens von 10 Stunden ausgehen). Interessant ist, dass alle „Opfer“ weiblich waren, soweit möglich entkleidet wurden und in fast lebensnahen Posen platziert wurden.
Auch das „Trophyboard“ (Regal mit den Köpfen) regt zum Nachdenken an. Zudem erinnert das Video unweigerlich an den Leichenschänder aus Nischni Nowgorod. Ob und wenn ja, was uns das Video über das Seelenleben des „Produzenten“ aussagt, muss mangels weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen jeder für sich selbst entscheiden. Darüber nachzudenken, lohnt sich aber sicherlich.
Ein Beitrag von Thomas-Gabriel Rüdiger, M.A.
Der Autor ist studierter Kriminologe und erforscht gegenwärtig insbesondere kriminelle Handlungen in virtuellen Welten (Game- und Metacrime).
twuertz schreibt
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Titel unseres Blogs ein Fragezeichen verwendet haben( „Virtueller Leichenschänder?“. Es handelt sich erstens nicht um Leichen, sonder um ein paar Pixel, und zweitens ist es erstmal eine „abweichende Handlung“, deren Motivation ungeklärt ist.
Liebe Grüße,
Tobias
Christian Wickert schreibt
Hallo Tobias, ich habe das Fragezeichen ergänzt. Herzlichen Dank für den Hinweis,
Christian
Achim schreibt
Eine von mehreren Fragen, die sich hier für mich stellt:
Köpft (und schändet?) der Spieler die virtuellen Leichen, weil a) es nicht die Realität ist oder weil b) es in „dieser“ Realität keine oder keine echten strafrechtlichen Sanktionen zu befürchten gibt?
derdiewahlhatte schreibt
Skyrim ist ein Game was dich vor die Wahl stellt.
Leider ist das bei dem meisten Spielen nicht möglich
da Sie einen in eine Handlung zwingen. Wer will kann das Game auch als Pazifist spielen. Es fragt sich aber was im Netz für mehr Aufsehen sorgt.
Wer Herrausfordrungen sucht wird feststellen das die
Pazifiste Spieleweise am schwehrsten zu spielen ist und nicht das sammeln von Köpfen.
Wie im realen Leben ist Zerstörung immer einfacher als
erschaffen und bewahren.
mfg 🙂
http://www.areagames.de/artikel/detail/The-Elder-Scrolls-V-Skyrim-Stufe-35-erreichen-ohne-zu-toeten-Pazifist-zeigt-wie-es-geht/117263