Sechs Straßen treffen hier aufeinander, bilden einen markanten Knotenpunkt in Eppendorf, der nun kürzlich in den Blickpunkt medialer Aufmerksamkeit rückte. Unzählige Male habe ich diese Kreuzung passiert, mit dem Fahrrad zumeist auf dem Hin- oder Rückweg zum und vom Hamburger Flughafen. Dort hatte ich zur Finanzierung meines Kriminologiestudiums gejobbt. Manchmal musste ich auch schieben – wenn ich mir mal wieder einen Platten eingefahren hatte.
Nun befindet sich dort Ecke Eppendorfer Baum/Lehmweg ein Arrangement, das beklommen macht. Blumen, Kerzen, Bilder und Handgeschriebenes umkränzen einen kleinen Baum mit Bänken darum. Dort konnte man zuvor unbeschwert seinen Cappuccino oder Latte Macchiato schlürfen, was nunmehr schwerfallen dürfte.
Am vergangenen Samstag gegen 19 Uhr sind dort 4 Menschen gestorben, prominente Hamburger – der Tatort-Kommissar Dietmar Mues und seine Frau Sibylle, der Sozialwissenschaftler Günther Amendt, der erst kürzlich eine Bob-Dylan-Biographie veröffentlicht hat und die Bildhauerin Angela Kurrer. Sie hatten an einer Ampel gewartet.
Ein 38-jähriger war bei Rot auf die Kreuzung gefahren und mit einem Auto kollidiert, das mit weiteren Prominenten besetzt war – dem Schauspielerehepaar Striebeck. Die Eheleute Striebeck überlebten zum Glück leicht verletzt, wie auch der Fahrer des Unglückswagens, der über die Kreuzung geschleudert wurde und Günther Amendt unter sich begrub. Der hatte sich auch mit Drogen und Drogenpolitik beschäftigt – nun wurde THC im Blut des Menschen gefunden, der Amendts Tod verursacht hatte. So konnte denn der Boulevard schnell zu einem Fazit kommen: ‚Kiffer tötete vier prominente Hamburger bei Autounfall’, oder so ähnlich.
Mir hat sich da aber ein anderer Gedanke aufgedrängt: gehört nicht zu unserer Zeit, was der Soziologe Hartmut Rosa mit dem Begriff der Beschleunigung expliziert hat, das rastlose Dahineilen, immer weiter ohne Ruhepunkt, ohne Unterbrechung? Selbst der Urlaub ist noch Stress, wie ich bei meinem Lufthansa-Job gerade in der Ferienzeit bemerken konnte. Dann muss es sofort losgehen, in den Flieger Woandershin, es wird eingecheckt, während die Kinder noch in der Schule sind. Die werden dann schnell eingesackt und verschifft. Hauptsache, keine Unterbrechung – die dann vielleicht eine von der Schulmedizin mystifizierte und verdinglichte ‚Depression’ zur Folge haben könnte, die aber etwa Alain Ehrenberg (Das erschöpfte Selbst) als Zeitkrankheit einstufte.
Dann noch: verstärkt nicht eine ‚Kultur der Kontrolle’ (Garland) genau die Engpässe, die dann wieder im psychoanalytischen Sinne zu ‚Triebdurchbrüchen’ führen, gerade im Straßenverkehr?
Soweit ein paar Reflexionsbruchstücke zu diesem tragischen Ereignis. Der Fahrer hat bis zu 5 Jahren Haft zu erwarten. Zu fragen ist allerdings, ob die ganz und gar unverhältnismäßigen Kosten der Eile nicht schon so erdrückend sind, dass die Strafverfolgung die Tataufarbeitung eher behindert als fördert.