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Das zweite Gesetz

Am 3. Oktober 2010 gepostet von Sebastian

Quelle: Flickr, Fabio Niewelt

Warum regen sich immer mehr Menschen über Stuttgart 21 auf? Die üblich Erklärung überzeugt nicht. Die übliche Erklärung lautet nämlich: es sei so vielen Demonstranten, die gegen das Fällen der Bäume demonstrieren wollten, so übel mitgespielt worden – deshalb seien die Menschen sauer und deshalb sei für die nächste Zeit nicht etwa mit einem Abschwellen der Gewalt, sondern mit immer mehr Unruhe, vielleicht sogar mit einer veritablen Regierungskrise zu rechnen.

Nun gut, diese Erklärung hat zwar ihre empirische Basis: immer klagten nach den letzten Konfrontationen nicht weniger als  400 der rund 5000 Demonstranten, die die Abholzung von Bäumen für den Bahnhof verhindern wollten, über Augenreizungen, auch gab es einige Platzwunden und Nasenbrüche.

Das könnte zwar die Besonderheit von S 21 erklären. Doch nur, wenn das ungewöhnlich wäre. Das ist es aber bekanntlich nicht. Siehe Schanzenfest in Hamburg. Augenreizungen?? Platzwunden ?? Schön wäre es, wenn es das nur wäre.  Wird mancher sagen. Denn national wie international pflegt sich die Staatsgewalt – in der Praxis: Polizeigewalt – nicht gerade mit Samthandschuhen Respekt zu verschaffen.

Das Besondere an S 21 ist denn auch nicht das Verhalten der Polizei, sondern einzig und allein die Besonderheit auf Seiten der Opfer. Die Polizei hat nicht  auf vermummte Radikalinskis eingesprüht und eingeschlagen, sondern auf sogenannte „Bürger“.

Wer nun glaubt, das sei ein sehr genereller Terminus, der selbstverständlich auch die vermummten Radikalinskis mit einschließe, liegt womöglich falsch. Denn wer in diesem Kontext „Bürger“ sagt und damit seiner Empörung Ausdruck verleiht, sagt damit implizit gleichzeitig: das ist etwas völlig anderes.

Und damit sind wir bei einer Entdeckung, die Peter MacNaughton-Smith  ( “The Second Code. Toward (or Away from) an Empiric Theory of Crime and Delinquency”. Deutsch in: Lüderssen, Klaus, und Sack, Fritz (eds.), Abweichendes Verhalten II. Die gesellschaftliche Reaktion auf Kriminalität. Frankfurt a.M. 1975: 197-212) im Jahre 1968 als den „second code“ bezeichnet hatte – sozusagen das zweite Gesetz, das neben dem ersten Gesetz, dem offiziell bekannt gemachten Gesetzeswortlaut, existiert: es ist das Gesetz in der Form seiner Anwendung.

Das zweite Gesetz sagt offenbar: die Polizei darf auch jenseits ihrer Befugnisse handeln. Sie darf das aber nicht ungestraft, wenn sie Mitglieder der respektablen Klassen jenseits ihrer Befugnisse gewalttätig behandelt.

Es ist vielleicht an der Zeit, sich mit Peter MacNaughton-Smith zu befassen.

Das zweite Gesetz funktioniert – und anlässlich von Stuttgart 21 werden der Innenminister des Landes B-W sowie dessen Polizei vielleicht noch bemerken, was es – auch für sie – bedeutet.

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Kategorie: Kriminalpolitik, Kriminologie allg., Polizei/ Policing, Recht und Gesetz, Sicherheitspolitk, Theorien Stichworte: Demonstration, MacNaughton-Smith, Polizei, Polizeigewalt, Schanzenviertel, Stuttgart

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Kommentare

  1. Andreas Prokop schreibt

    20. Oktober 2010 um 14:36

    Am Montag gabe es im DLF in der Sendung Kontrovers eine Diskussion zum Thema: „Stuttgart 21 – Vom Bahnprojekt zum Gesellschaftskonflikt“. Da hatte ein Anrufer, offenbar aus der Ex-DDR, es gewagt einen Vergleich zwischen ’89 und ’21 zu ziehen. Der Vertreter der CDU hat ihn sogleich zurechtgewiesen – damals, das war ein Unrechtsstaat und jetzt ist es eine Demokratie! Wenn man aber das Wort Demokratie als Wortspiel im Wittgensteinschen Sinne versteht, dann passt da so allerhand drunter.

    Da fällt mir auch die Anfangssequenz aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ ein – die Baupläne lagen doch schon lange aus, in einem alten Schrank in einem alten Keller auf Alpha-Centauri (oder so)…

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  1. Stuttgart21: Empörung über Polizeigewalt « fight fire with fire sagt:
    5. Oktober 2010 um 01:46 Uhr

    […] [Link] […]

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