Vor knapp einem Jahr konnte ich mich anlässlich der Vorstellung der PKS für den Berichtszeitraum 2008 auf ein Zitat des damaligen Bundesinnenministers, Dr. Wolfgang Schäuble, berufen und titulieren “Deutschland ist ein sicheres Land”. Konsequenterweise hätte ich dieses Jahr anlässlich der in der vergangenen Woche veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik 2009 titulieren können, dass Deutschland noch sicherer geworden sei.
Die Gesamtzahl der registrierten Delikte ist erneut – das sechste Jahr in Folge – gesunken und liegt bei 6.054.330 bekannt gewordenen Straftaten. Gegenüber dem Berichtszeitraum des letzten Jahres bedeutet dies einen Rückgang um 1% (oder knapp 60.000 Fälle). Dieser positive Trend hat auch Bestand unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung. Die sog. Häufigkeitszahl (also Tat/ 100.000 Einwohner) ging von 7.436 auf 7.383 Fälle zurück.
In der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums wird darüber hinaus noch die gestiegene Aufklärungsquote (also all jene Fälle, in denen die Polizei mindestens einen Tatverdächtigen ermitteln konnte) betont.
Bei diesen durchweg positiven Meldungen verwundert es kaum, dass das mediale Echo auf den Tätigkeitsbericht der Polizei dieses Jahr deutlich leiser ausfiel. (Das dieser Eindruck wahrscheinlich so nicht ganz stimmig ist, kann auf dem Beck-Blog nachgelesen werden – siehe Kommentar #1) Ganz anders beispielsweise vor zwei Jahren als die Veröffentlichung der PKS 2007 mit den Kommunalwahlen in Hessen und dem Angriff zweier Jugendlicher auf einen Pensionär in der Münchner U-Bahn zusammenfiel.
Dabei gibt es durchaus Positives zu berichten. Am auffälligsten ist sicherlich der Rückgang bei den jugendlichen (14-18 Jahre) Tatverdächtigen: wurden 2008 noch 265.771 jugendliche Tatverdächtige ermittelt, so sank diese Zahl 2009 auf 254.205. Diese Entwicklung ist auch hinsichtlich jugendlicher Gewalttäter zu beobachten: wurden 2008 noch 43.574 Jugendliche Tatverdächtige bei Gewaltdelikten ermittelt, so sank diese Zahl im Berichtszeitraum 2009 auf 39.722.
Hierzu äußert sich Bundesminister de Maizière folgendermaßen:
Der erneute Rückgang der Fallzahlen der Kinder- und Jugendkriminalität gibt Hoffnung, dass die bereits im Vorjahr festgestellte Trendwende im Hinblick auf die Gewaltbereitschaft Jugendlicher anhält. Bei der Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität sind alle an Erziehung, Sozialisation und Bildung beteiligten gesellschaftlichen Akteure gefordert, um Ursachen wie eine instabile Familiensituation, dem Wunsch nach einem die finanziellen Möglichkeiten übersteigenden Lebensstil, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder negativen Medieneinflüssen entgegen zu wirken.
Diese rückläufige Entwicklung jugendlicher (Gewalt-)Kriminalität steht vermutlich konträr zum öffentlichen Bewusstsein. Auch 2009/2010 waren/sind es immer wieder brutale Einzeltaten Jugendlicher, die für öffentliches Aufsehen sorgten (wie zuletzt beispielsweise der Hamburger „Intensivtäter“ Elias A., der einen Jugendlichen auf einem Bahnsteig mit einem Messer erstach).
Verstärkt wird dieser Eindruck durch eine immer wieder aufkommende Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. Dass diese Anpassung des Jugend- an das Erwachsenenstrafrecht wider der kriminologischen Vernunft ist, hat sich leider bislang weder bei der Mehrzahl der Gesetzgeber noch in der breiten Öffentlichkeit durchgesetzt. Die Diskrepanz zwischen der statistisch sinkenden Viktimisierungswahrscheinlichkeit und einer medial angefachten Viktimisierungsfurcht lässt sich nicht ohne weiteres auflösen; hier bedarf es noch erheblicher Bemühungen seitens einer aufgeklärten Fachöffentlichkeit, um die vorherrschenden irrationalen – aber durchaus nachvollziehbaren – Ängste abzubauen und Sachverhalte ins rechte Licht zu rücken. Hierbei können Kriminalstatistiken (aufgrund der vielen Beschränkungen, die mit diesen der Statistik geschuldeten Vereinfachungen einhergehen) alleine sicherlich nur eine kleine Rolle spielen.
Neben vielen positiven Trends ist ein Anstieg der registrierten Kriminalität vor allem in Bereichen festzustellen, in denen das „Tatmittel Internet“ oder aber Computer bei der Tatbegehung von Relevanz sind (überwiegend Betrugsdelikte) sowie einzelnen Diebstahldelikten (hier vor allem der schwere Diebstahl von Pkw).
Die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums anlässlich der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik findet sich hier.
Die Kriminalstatistiken der vergangenen Jahre sowie weitere Veröffentlichungen zu einzelnen Tätergruppen und Deliktsbereichen finden sich auf der Internetseite des Bundeskriminalamtes.