Wenn innerstädtische Grünflächen Einkaufspassagen und Parkhäusern weichen müssen, schlägt die Stunde der Garten-Guerillas. Die [Achtung: Wortspiel!] Graswurzelbewegung versteht sich auf „die heimliche Aussaat von Pflanzen als subtiles Mittel politischen Protests und zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum“ (siehe: Wikipedia zu Guerilla Gardening).
Verbreitet ist die heimliche Aussaat mittels sog. Seedbombs – einer Mischung aus Lehm, Kompost und Pflanzensaat, die zu kleinen Kügelchen geformt und getrocknet wird. Diese „Bomben“ lassen sich unbemerkt auf brachliegenden Flächen platzieren.
Guerilla Gardening ist kein ganz neues Phänomen. Seine Ursprünge hat diese Form der Rückeroberung des urbanen Raums in New York der 1970er Jahre. Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang die Masterarbeit „Eine Bestandsaufnahme zum globalen Phänomen Guerrilla Gardening anhand von Beispielen in New York, London und Berlin“ von Julia Jahnke (2007). Die Autorin verweist in Ihrer Arbeit auch auf den Ursprung der Kriegsmetaphorik, der sich die Bürgerbewegung bedient (Guerilla, Bomben, „taking back the streets“, Troops, Mission – siehe Links zum Thema). Im gesellschaftspolitischen Klima der Vietnam-Ära begannen New Yorker Bürger brachliegende Flächen zu begrünen, ohne zuvor Genehmigung bei der Stadtverwaltung einzuholen. Außenstehende Beobachter verglichen die machtpolitisch ungeordnete Position der Anwohner mit der der Guerilla-Kämpfer des Vietcongs und prägten so den Namen der Graswurzelbewegung (vgl. Jahnke, 2007: 39). Durch diese Form des zivilen Ungehorsams haben „die beteiligten Künstler, Feministen und Umweltaktivisten des New Yorks der 1970er Jahre […] das urbane Gärtnern auf eine neue Ebene gestellt, indem sie es in ihre aufkommenden politischen und emanzipatorischen Bewegungen auf kreative Weise integrierten“ (Jahnke, 2007: 40).
40 Jahre nach seiner Entstehung gewinnt die Bewegung neuen Schwung und erlebt zudem eine Kommerzialisierung und professionelle Vermarktung. Kim Karlsrud und Daniel Phillips, zwei Absolventen einer Kunst- und Designakademie, haben Anfang des Jahres die Firma GreenAid begründet und vertreiben Seedbombs aus ausgedienten Kaugummiautomaten. Auf Ihrer Webseite können die Saatbombenautomaten bestellt werden. Eine Landkarte informiert darüber, wo in den USA bereits Automaten aufgestellt wurden. Ihre innovative Geschäftsidee hat auch bereits die Medien veranlasst, über das Phänomen des Guerilla Gardening zu berichten (s.u.).
Aber auch deutsche Schrebergarten-Guerilleros können bei ihrer Revolution auf die Unterstützung kommerzieller Anbieter zurückgreifen. Für 8,50 Euro ist eine Tüte Graswurzelrevolution beim Versandhandel Manufactum bestellbar. Günstiger ist allerdings die eigene Produktion. Nachstehend findet sich eine „Bombenbau-Anleitung“.
Anleitung zur Herstellung von Seedbombs
https://vimeo.com/10244891
Weitere Links zum Thema
- urbanacker.net (Berlin)
- GuerillaGardening.org (London)
- Greenaid Fosters Johnny Appleseeds for the 21st-Centrury
- Los Angeles Guerrilla Gardening (LAGG)
- greenguerillas.org (New York)
- Richard Reynolds: Guerilla Gardening – Ein botanisches Manifest. Mit großem Handbuchteil zu Taktik, Ausrüstung und Wahl der botanischen Waffen. Orange-press, 2009
Wem selbstgebastelte Seedbombs zu mickrig erscheinen, kann auch zu Flower Grenades greifen – einem aus Ton geformten Korpus in Form einer Handgranate, gefüllt mit Pflanzensamen [via Nerdcore]
Für alle, die lieber schießen als „Bomben“ zu werfen, bietet FlowerShell mit Blumensaat gefüllte Gewehrmunition an. Das derartige Ausbringen der Pflanzensaat dürfte in deutschen Stadtparks und Gärten jedoch für einige Irritation sorgen.