Vor 70 Jahren wurden bis zu 22.ooo polnische Menschen („die Elite“) dort in und bei Katyn getötet. Nun starb ein sehr kleiner Teil der heutigen Elite (bis zu 100 Menschen – viele Militärs) wiederum auf der Anreise nach und in der Nähe von Katyn. Die Schuld wird – und es wird von „Schuld“ ganz ausdrücklich gesprochen – dem Piloten gegeben: er habe sich den Aufforderungen der Fluglotsen „widersetzt“, nach Minsk oder Moskau auszuweichen.
Alle sind es zufrieden: es war kein CIA-Komplott und kein Komplott des russischen Geheimdienstes, der früher KGB hieß und nunmehr immer wieder umbenannt wird, was Spuren verdeckt. Auch FIS, das eingestrichene F, war schon einmal der offiziellen Name, ist es vielleicht sogar- die Kreml-Watchers werden es wissen – bis demnächst immer noch.
Es war also ein Pilotenfehler. Aber warum versucht ein Pilot drei- oder viermal einen Landeanflug, von dem alle abraten und der unter keinem guten meteorologischen Stern steht. Kein Pilot der Welt täte das, es sei denn, das Wetter wäre im Begriff, sich gerade zu bessern – was es nicht war.
Vielleicht war nicht der Pilot schuld. Vielleicht wollte er das, was er tat, nicht tun, weil er das, was er probierte, nur tun musste – getrieben, genötigt, gezwungen von seinem prominenten Gast.
Dieser Gast hatte schon damals, als er Georgiens starkem Mann helfen wollte, den Piloten zu einem Manöver zu zwingen versucht – was dieser damals verweigerte. Diesmal stand für den prominenten Gast, der die Reise zudem – trotz seiner höchst offiziösen Begleitung – als „privat“ deklariert hatte, mehr auf dem Spiel. Immerhin waren seine „relevanten anderen“ dabei: die größten Militärs, die Machos Polens. Nicht undenkbar, dass sich die Macho-Mechanik des Präsidenten diesmal mit mehr Vehemenz gegen den Untergebenen durchsetzte, dass also die Entscheidung zum Risiko nicht die ureigenste des Piloten war, sondern die des prominentesten Gastes an Bord.
Doch dann wäre nicht der Kleine, sondern der Große „schuld gewesen“ an diesem Unglück für die polnische Nation. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Hypothesen geduldet werden – wer sollte schon Interesse daran haben, einen großen Mann zu verkleinern? Dann doch lieber den namenlosen Piloten beschuldigen. Blame allocation ist eine Sache der Schicht.
Hallo Sebastian,
genau das ist auch meine Vermutung. Dass ein Pilot mit solchen Passagieren eigenmächtig so etwas entscheidet, ist so gut wie ausgeschossen. Aber das wird man wohl kaum in der öffentlichen Diskussion äußern, schon aus Pietätsgründen. Mal sehen, ob der Flugschreiber da was klarstellen kann (und ob das dann veröffentlicht wird). Aber – wie es ja auch schon Kant gesehen bzw. befürwortet hat -: Wir schreiben der Natur unsere Gesetze vor und die Natur hat sich daran zu halten. Es ist also niemand umgekommen.
Die Vermutung wird vom Autoren dieses Beitrages geteilt: http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2010/04/polnischer-prasident-zwang-pilot-zur.html
Als Beleg führt er u.a. eine Aufnahme des Funkverkehrs zwischen Fluglotsen und Präsidentenmaschine an, auf der Kaczynski zu hören sein soll wie er sagt: „Der polnische Präsident kann landen, wo immer er will!“