Vor drei Monaten rief der gerade mal 17-jährige russische Programmierer Andrey Ternovskiy die Webseite www.chatroulette.com ins Leben. Die Webseite mauserte sich innerhalb kurzer Zeit zu dem Thema in unzähligen Blogs, bis zuletzt auch in den Onlineausgaben der etablierten Printmedien über den Hype berichtet wurde; dabei ist die Idee, die hinter Chatroulette steht äußerst simpel:
Über die Webseite werden nach einem Zufallsprinzip Menschen via Videochat verbunden. Sie können sich sehen, miteinander sprechen oder sich Textnachrichten schreiben oder aber nexten. So wird der Klick auf den „Next“-Button genannt, der mich von meinem augenblicklichen Gesprächspartner trennt und mich in Sekundenschnelle in ein anderes Wohnzimmer irgendwo auf der Welt beamt. Einen Zurück-Button sucht man vergeblich. ChatRoulette ist Glücksspiel, ich weiß nicht, mit wem ich verbunden werde und ist die Verbindung zu einem Gesprächspartner erst einmal getrennt, stehen die Chancen, ihn wiederzufinden, angesichts vieler Tausender Nutzer äußerst schlecht.
Wer Chatroulette bislang noch nicht kannte und jetzt neugierig geworden ist, sei gewarnt: es gibt eine nicht unbeträchtliche Anzahl an jungen Herren auf diesem Portal, die sich scheinbar keine Hosen leisten können. Mehr nackte Männer sieht man daher eigentlich nur in der Sauna. Ein Besuch der Seite vom Arbeitsplatz aus ist daher eher nicht empfohlen.
Was macht Chatroulette jetzt so beliebt? Nick Bilton, Autor vom New York Times Bits blog, sieht den Erfolg im hohen Maß an Anonymität begründet. Im Gegensatz zu sozialen Netzwerken, erfordert Chatroulette weder Nutzernamen noch Passworte. Die digitalen Spuren, die hinterlassen werden, sind flüchtig. Der allgegenwärtig überwachte Bürger, darf bei Chatroulette die Seiten wechseln und selbst zum Überwacher werden. Dem ist einerseits sicherlich zuzustimmen, andererseits sprechen eine kaum überschaubare Zahl von Videos auf YouTube (aktuell: 1.340 Suchtreffer), auf denen Chatroulette-Sitzungen aufgezeichnet wurden, gegen diese Anonymitätsthese. Im Gegenteil ließe sich in Bezug auf Chatroulette anführen, dass anders als bei Facebook & Co, keine Kontrolle über den Personenkreis stattfinden kann, mit dem Informationen geteilt werden. Vermutlich ist es dem oben abgebildeten asiatischen Herren nicht Recht, dass alle Welt jetzt von seiner Vorliebe für pinke Bikini-Oberteile erfahren hat (noch mehr obskure Gestalten aus dem Chatroulette Universum gibt es hier zu bestaunen).
Während weltweit tätige Unternehmen wie Google oder Facebook von Datenschützern mit Argusaugen beäugt werden und ihre kommerziellen Interessen und Geschäftsmodelle Argwohn erregen, punktet Chatroulette mit seiner Einfachheit. Mit Ausnahme einer unauffälligen Werbeeinblendung am unteren Seitenrand, ist die Seite minimalistisch gestaltet und auf den ersten Blick zu erfassen – weder Popups noch bunte Werbebanner lenken vom Menschenzoo ab, der hier auf dem Monitor erscheint. Neben der Einfachheit punktet Chatroulette durch seine Ergebnisoffenheit: es gibt weder Spielregeln noch eine Bedienungsanleitung und keine Einschränkungen. Der russische Programmierer Ternovskiy äußert sich gegenüber dem New York Times Bits blog:
Everyone finds his own way of using the site. Some think it is a game, others think it is a whole unknown world, others think it is a dating service.
I think it’s cool that such a simple concept can be useful for so many people.
Wer die ungefilterte Realität pubertierender Teenager und (zumeist männlicher) Twens erträgt, findet leicht Neugierde und Voyeurismus befriedigt. Der Mauszeiger auf dem „Next-Button“ verspricht die allgegenwärtige Kontrolle über das zu Sehende. Was die persönliche Geschmacksgrenze unterschreitet oder wer schlicht langweilt, dem droht der digitale Hausverweis per einfachem Mausklick – NEXT!
Abschließend sei noch auf das unten stehende Video hingewiesen, in dem der Filmemacher Casey Nestat einige kleinere Feldversuche im Chatroulette-Kosmos dokumentiert.
chat roulette from Casey Neistat on Vimeo.
Maximilian schreibt
Hallo,
ein wirklich gelungener Artikel.
Ist schon der Wahnsinn, was Chatroulette da für einen regelrechten Hype ausgelöst hat.
Ich probierte die Seite letztens auch aus und habe einen entsprechenden Artikel hierzu verfasst.
Wenn man die Teilnehmer mal analysiert,dann erkennt man, dass circa 80 Prozent aller männlichen Geschlechts sind.
Das sollte einem schon zu denken geben.
Auch stößt man circa jedem dritten auf pornographische Inhalte. Das ist dann doch ziemlich abstoßend.
Viele Grüße,
Maximilian
Frederick schreibt
@Maximilian:
Es gibt Chatroulette Alternativen, die noch nicht so überlaufen mit männlichen Perversen ist sind. Ich nutze zum Beispiel Chathopper (http://www.chathopper.com/), weil mir das Prinzip gefällt und dort einfach auch Leute sind, die Interesse daran haben, sich auch mal zu unterhalten.
Nino schreibt
ich geb maximilian recht..ich war natürlich neugierig und wollt mir das auch mal anschaun..aber da sind mir zu viele perverse unterwegs…was ich allerdings entdeckt habe ist http://www.chathopper.com/ fand ich irgendwie angenehmer. alles in allem echt unfassbar wie heutzutage kommuniziert wird. 😀
Hanna schreibt
Ich kann mich den Vorredner nur anschließen. Der Artikel ist super und auch ich bin von der Chatroulette Alternative http://www.chathopper.com/ einfach mehr überzeugt. Naja ist halt auch Geschmacksache.
Asmotin schreibt
Irgendwie schießen nur noch Chatroulette Klone aus dem Boden des Internets und alle eigentlich wegen, dem haarige Männerbäuche Thema. Hab jetzt auch mal viele dieser Dienste ausprobiert und bin dann bei http://www.hey-people.com hängen geblieben. Is vom Prinzip wie alle gleich und hat auch den ein oder anderen Männerbauch zu bieten; was ich da ganz gut finde ist die Freundschaft Möglichkeit, so kann man sich die guten Männlein und Weiblein rausfischen 😀
Marco schreibt
Der neueste Trend: Kostenloses, anonymes Chatten nach dem Chatroulette-Prinzip am Telefon: http://www.chatpartner-roulette.de
Der Vorteil: Man benötigt nur ein Telefon/Handy und wird von den zuvor beschriebenen „beharrten Männerbäuchen“ (visuell) verschont 😉