Gibt es zu viel oder zu wenig Gefangene in Deutschland?
Das jedenfalls sind die Zahlen aus der Bild-Zeitung vom 4.12.09, Seite 12 – hier noch einmal für die Nicht-LeserInnen:
72.043 Menschen, davon 3816 (5,3%) Frauen, sitzen in deutschen Gefängnissen. In diesem Winter sind noch 7.139 Plätze frei. Erforderlich ist ein Wohnberechtigungsschein im Sinne des Strafgesetzbuchs (Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung o.ä.). Geboten werden Kost und Logis, ggf. auch Weiterbildung in legalen und illegalen Bereichen. Nicht umsonst gelten Gefängnisse als die Hochschulen des Verbrechens. Auch Jugendliche werden berücksichtigt. 5.930 (8,23%) der Gefangenen gehören zu dieser Gruppe – der Anteil der Mädchen ist allerdings gering (213 Mädchen). Ausnahmsweise bedarf es keines Strafurteils. Man kann auch in die Untersuchungshaft (11.178; davon 606 Frauen). Gewissermaßen Halbpension haben im offenen Vollzug 9.626 Personen. Nur 1.551 Insassen genießen die Sozialtherapie, aber nach einer Zeit der Rezession nunmehr immerhin 500 sind in der Sicherungsverwahrung. Eine besondere Gruppe: 652 Abschiebehäftlinge.
Und wer beaufsichtigt diese ganze Bevölkerung? Immerhin 37.180 Personen: 27.704 gehören zum sog. allgemeinen Vollzugsdienst, darunter 5.148 Frauen.
gonsior schreibt
Die Zahlen verwundern nicht. Frauen können sich mühelos an sämtlichen gesellschaftlichen Hürden vorbeivögeln. Anschließend präsentieren sie sich der staunenden Öffentlichkeit als „bessere Menschen“. Obwohl sie vor krimineller Energie fast überlaufen (Mobbing, Intrigen, Ehe aus niederen Beweggründen).
Herzliche Grüße
Christian Wickert schreibt
Lieber Gonsior,
die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen durch die Justiz ist ein viel beachtetes Thema der Kriminologie. Deinem pauschalen Urteil, Frauen würden sich an „gesellschaftlichen Hürden vorbeivögeln“ kann ich nicht zustimmen. Sicherlich existieren vor allem in Hinsicht auf die Anzeigebereitschaft und den polizeilichen Verfolgungsdruck geschlechterspezifische Unterschiede, die (deviante) Frauen bevorteilen. Diese Unterschiede erklären aber nur bedingt die Diskrepanz von Männern und Frauen im Strafvollzug.
Ich kann Dir hierzu einen Artikel des Kriminologen Wolfgang Heinz empfehlen: Heinz, Wolfgang (2002), „Frauenkriminalität“, in: „Bewährungshilfe „2/2002, 131 – 152.
Heinz zeigt, dass die Kriminalitätsbelastung von Frauen über alle Altersgruppen und alle Deliktsarten (einmal abgesehen vom einstigen Straftatbestand des Schwangerschaftsabbruches) geringer ist. D.h., wenn Frauen vor Gericht landen sind sie in der Regel strafrechtlich seltener vorbelastet als Männer und ihnen werden in der Regel weniger schwere Delikte zur Last gelegt (je schwerer das Delikt desto weniger Frauen finden sich in der Statistik). Die Kriminalitätsbelastung von Frauen hat in den vergangenen Jahren zwar zugenommen – allerdings sind Gewaltdelikte nach wie vor ein überwiegend männliches Phänomen.
Die geschlechterspezifische Diskrepanz, die ein Vergleich von Tatverdächtigen und Verurteilten aufweist, ist zurückzuführen auf die Faktoren Deliktsart, Deliktsschwere und Vorstrafenbelastung.
Die – in Relation zu einer männlichen Vergleichsgruppe – geringe Anzahl an Frauen in Haft alleine auf einen Bias – verursacht durch eine unterschiedliche Anzeigenbereitschaft und die polizeiliche Registrierung zurückzuführen, fasst daher mit Sicherheit zu kurz.
Kurzum: Richter haben gute Gründe, seltener Haftstrafen gegen Frauen zu verhängen und lassen sich nicht vorgaukeln, „bessere Menschen“ vor sich stehen zu haben.
Besten Gruß
Christian