Am 16. Oktober wurden zum zehnten Mal die deutschen Big-Brother-Awards vergeben. Der diesjährige Oscar für Datenkraken im Bereich Politik wurde Familienministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen zugesprochen. Zu der Begründung heißt es hierzu in der Laudatio von Alvar Freude:
Sie hat innerhalb der letzten zwölf Monate ein System zur Inhaltskontrolle im Internet vorangetrieben, das zu einer Technik von orwellschen Ausmaßen heranwachsen kann. Kaum ein Thema ließ in den vergangenen Monaten die Emotionen so hochkochen wie die Pläne Ursula von der Leyens, den Zugang zu bestimmten Inhalten im Internet zu blockieren. Damit wollte sie die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern unterbinden. Ein hehres Ziel, wie könnte man schon dagegen sein?
Es gibt zwei Gründe, aus denen man dagegen sein muss. Erstens: Die Sperren sind für die erklärten Ziele, Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen und die Verbreitung entsprechender Darstellungen zu vermindern, nicht nur untauglich, sondern sogar kontraproduktiv. Gleichzeitig gäbe es bessere und wirksamere Methoden, die freilich im Wahlkampf nicht so viel Aufmerksamkeit erzeugen. Zweitens: Die Sperren etablieren eine technische Infrastruktur zur Internet-Zensur, die in der Lage ist, beliebige Inhalte zu kontrollieren und blockieren. Es entstünde ein allgegenwärtiges Überwachungsinstrument. Dies greift nicht nur in unsere freiheitlich-demokratischen Grundrechte ein, sondern ist auch ein erster Schritt der Politik, sich den virtuellen Raum Internet zu unterwerfen.
Nicht nur, dass Frau Dr. von der Leyen diese wenig rühmliche Ehrung zugesprochen wurde – auch ansonsten hat es die Familienministerin dieser Tage nicht leicht. Unlängst räumte ihr Parteikollege Dr. Wolfgang Schäuble handwerkliche Fehler bei dem sogenannten Zugangserschwerungsgesetz ein. Wie letzte Woche bekannt wurde, wird auf Drängen der FDP das Gesetz vorerst ausgesetzt. Zunächst soll für den Zeitraum von einem Jahr das BKA die unmittelbare Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Material veranlassen. Eine Markierung entsprechender Seiten mittels eines Stoppschildes und Warnhinweises wird es nicht geben.
Kritiker weisen darauf hin, dass die gesetzliche Regelung damit nicht vom Tisch ist und die der Presse zu entnehmende Schlussfolgerungen („FDP stoppt Internetsperren„) etwas vorschnell getroffen sind.
Hierzu präsentiert Alvar Ode auf dem Odem-Blog die Eckpunkte des bisherigen Stands des Koalitionsvertrages.
[via Spreeblick]P.S.: Der aktuelle Lehrstuhl-Newsletter von Prof. Dr. Hefedehl der Universität Freiburg kommentiert in gewohnt bissiger Art den Stand der Koalitionsverhandlung in Hinblick auf Online-Durchsuchung, Internetsperren und Vorratsdatenspeicherung. Warum in Freiburg die Rotkäppchensektkorken knallen, Kohlrabi und Gurke und selbst gemachter Zitronenkuchen aufgefahren werden, lässt sich hier nachlesen (PDF).