Die Türkei ist ein Land mit vielen kulturellen und ethnischen Unterschieden, welche zahlreiche Gründe für Konflikte liefern. Die sozialen Unruhen und Konflikte im ganzen Land haben seit der Gründung vor über 85 Jahren immer wieder zu gewalttätigen Unruhen geführt. Die Staatsordnung wurde durch die drei militärischen Eingriffe immer wieder mittels Gewalt hergestellt. Bis heute beeinflusst die Elite der Militärs das Geschehen des Landes. Gewalt hat im Alltag der Menschen in der Türkei dadurch schon immer eine ständige Präsenz, vorallem wenn es um die Lösung von Konflikten geht. Der Staat macht es vor und seine Bürger machen es genauso. In dem Artikel „Violence linked to militarism“ schreibt Ayse Karabat über den starken Anstieg der Gewalt im Zusammenhang mit dem militärischen Einfluss auf die türkische Gesellschaft. Interessant sind hier vorallem die Gewaltformen im Bereich der zivilen Taten, da sie in dem Ausmaß an Brutalität und Durchsetzung sehr an militärische Operationen erinnern. Gewaltdelikte sind im Vergleich zu westeuropäischen Staaten überproportional hoch in den türkischen Statistiken.
Nicht untypisch für eine Gesellschaft mit hohem „Ehrgefühl“ und solch einem Militär würden D. Cohen & R. Nisbett wohl sagen, da ihre Theorie des „Culture of Honor“ sehr gut auf die Türkei anwendbar ist. Zwar handelt es sich nicht um die besprochenen“Rindergesellschaften“ im klassischen Sinn, jedoch wurden die Gesellschaftsstrukturen in Anatolien lange von nomadisierenden Clans bestimmt und die Verteidigung der eigenen Ehre ist heute noch eine wichtige Motivation für die Täter. Die Sittengesetze und das moderne Strafecht sind oftmals wiedersprüchlich, häufig ist die Internalisierung der traditionellen Verhaltensnormen gefestigter und somit wird ein Verhalten gleichzeitig als konform und abweichend bewertet.
Der Artikel von Ayse Karabat zeigt, dass zivile Gewalttaten immer brutaler werden und sich somit dem Vorbild des Militärs anpassen. Jahrhunderte alte Regeln zur Begrenzung von Gewalt und Willkür sind passé, die Tradition beugt sich der Moderne. Zumindest im Bereich der angewandten bzw. genutzten Gewaltformen gibt es Fortschritte im Transformationsprozess der türkischen Gesellschaft, die Macht der Tradition ist gebrochen. Doch was hat der Fortschritt den Menschen in der Türkei in diesem Fall gebracht?? Neue Waffen und immer brutalere Gewaltszenarien. Das ist das Produkt einer Gesellschaft, die zwar immer noch denkt wie eine Rindergesellschaft, aber schon töten kann wir eine Ehrenlose.